Die Friedensverhandlungen in der Türkei schienen schon zum Scheitern verurteilt, bevor sie begonnen hatten. Das befürchtete Ergebnis scheint sich jetzt durch neue Offensiven Russlands auch in der Realität abzuzeichnen.
Nachdem die europäische Allianz der Group of Five mit Sanktionen gedroht hatte, ließ sich Russland statt eines Waffenstillstands immerhin auf Verhandlungen ein.
Nun jedoch folgten auf den nahezu ergebnislosen Ausgang der Gespräche in der Türkei zunächst ein Angriff mit mehreren tausend Drohnen und anschließender mehrtägiger Offensive der Russen.
Die Angriffe markieren den Beginn einer neuen Episode im Kriegsgeschehen: Die Verhandlungen sind gescheitert und nach dem sich andeutendenen Rückzug der USA aus den Verhandlungen sammeln sich die russischen Streitkräfte für eine neue Offensive.
Während die brüchige Allianz der Group of Five weiter auf ein baldiges Ende des Kriegs hofft, das ihnen eine möglichst gute Positionierung für kommende Konflikte mit Russland ermöglichen würde – es steht weiter die Entsendung von Friedenstruppen in die Ukraine im Raum – scheint eine diplomatische Lösung weiter entfernt als noch zu Beginn des Jahres.
Ukraine: Merz will Waffenstillstand – und geheime Rüstungsexporte
„Jeder solch terroristischer Schlag sollte genug Grund für neue Sanktionen sein“
Yuriy Ihnat, Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, sprach im Zusammenhang mit den neuen Angriffen von 69 Raketen und 298 Drohnen, die Russland eingesetzt habe, darunter auch iranische Shahed-Drohnen.
Während Präsident Wolodymyr Selenskyj daraufhin erneut zu Sanktionen durch den Westen aufrief, zeichnet sich zeitgleich eine größere Bodenoffensive Moskaus ab: 50.000 russische Soldat:innen sollen derzeit an der russischen Grenze in der Nähe der Stadt Charkiw stehen, einer zentralen Festung der ukrainischen Kräfte im Nordosten des Landes.
Schon in der Vergangenheit hatten die russischen Streitkräfte den Sommer für Vorstöße genutzt. Einige Militärexpert:innen bezweifeln jedoch eine signifikante Verschiebung der Frontlinien: Russland habe schon erhebliche Verluste im Krieg eingefahren – sowohl personell als auch materiell – und der Schlagabtausch beschränke sich seit längerem immer mehr auf Drohnen- und andere Luftangriffe beider Seiten.
Hierbei konzentriert sich die ukrainische Seite vor allem auf russische Infrastruktur, die zur Waffenproduktion benötigt wird, während die russischen Angriffe, so auch in den letzten Tagen, eher auf zivile Gebiete zielen – vermutlich, um die Moral an der Heimatfront zu schwächen.
Frieden bleibt vorerst fern
Jedoch lässt sich ebenso feststellen, dass Russland im bisherigen Kriegsverlauf durchaus in der Lage war, Verluste gut zu verkraften. Insbesondere personell haben die russischen Streitkräfte der ukrainischen Armee, die schon seit einiger Zeit mit Personalmangel zu kämpfen hat, einiges voraus. Dies analysierten Expert:innen als einen der Beweggründe für Russlands bisherige Ablehnung einer effektiven Waffenruhe.
Auf der anderen Seite ist die Ukraine – unter anderem durch die Waffenlieferungen aus dem Westen – technologisch besser aufgestellt, gerade im Bereich des Drohnenkriegs.
Es ist also nicht auszuschließen, dass eine neu angelegte russische Bodenoffensive den Fokus der Kriegsführung zugunsten Russlands verschieben könnte.
Ebenfalls scheint sich immer mehr die Vermutung zu bewahrheiten, dass Putin nie wirkliches Interesse an einem Waffenstillstand oder Frieden im Ukrainekrieg hatte, sondern die Verhandlungen nur als Hinhaltetaktik nutzte, um die USA vorerst zu beschwichtigen.
Russland und die Ukraine beendeten am Montag den Gefangenenaustausch, der das wohl einzige konkrete Ergebnis eben dieser Verhandlungen war. Darüber hinaus scheint bis auf weiteres klar: beide Seiten halten am Krieg fest.
US-Position weiter unklar
Ob die USA sich nun noch stärker aus dem Konflikt zurückziehen werden, als es bisher der Kurs unter Donald Trump war, bleibt offen. Der amerikanische Präsident hatte die russische Drohnenoffensive auf seiner Social Media-Plattform Truth Social zwar kritisiert und behauptet, Putin sei „absolut verrückt“ geworden. Zugleich betonte er aber auch wieder seine gute Beziehung zum russischen Präsidenten.
Ebenfalls hat Trump angekündigt, weitere Sanktionen in Betracht zu ziehen – konkrete Pläne gibt es scheinbar aber noch nicht.
Die russische Regierung reagierte vorerst gelassen: Sie dankte dem US-Präsidenten für seine Anstrengungen in den Friedensverhandlungen und bezeichnete seine Drohungen als Ergebnis „emotionaler Überlastung“.
Auch in Europa wird die neue Phase des Kriegs wieder für hitzige Debatten sorgen.