Bayern und Baden-Württemberg fordern die „biogeografische DNA-Analyse“ zur Ermittlung der Herkunft von Täter:innen „schwerer Straftaten“. Im Namen des Kampfes gegen das Patriarchat soll Racial Profiling ausgeweitet werden. Doch was tut die Politik wirklich im Kampf gegen das Patriarchat? – Ein Kommentar von Marceline Horn.
Die Justizminister Bayerns und Baden-Württembergs wollen sich Anfang Juni auf der Justizministerkonferenz (JuMiKo) für die sogenannte „biogeografische DNA-Analyse“ aussprechen.
Eine besonders neue Technik ist sie zwar nicht, jedoch würden die Rechte von Strafbehörden so ausgeweitet werden, dass sie bei „schweren Straftaten“ wie Tötungen, Raub oder eben bei sexualisierter Gewalt mithilfe von DNA nun die Herkunft von Täter:innen, beziehungsweise ihrer Vorfahren bestimmen dürften. Seit 2019 dürfen Behörden diese Methoden nutzen, um die Hautfarbe, Augenfarbe, Haarfarbe, das Alter und zuvor auch schon die Geschlechtschromosome einer Person zu ermitteln.
Polizei darf in Zukunft Hautfarbe oder Herkunft aus DNA-Proben auslesen
Am Ende doch nur Racial Profiling?
Das Ziel solcher Analysen sei nicht, direkt die Täter:innen zu finden, sondern den Kreis für Massen-DNA-Tests einzuschränken, um diese zu vereinfachen. Entgegen der Kritik, dass diese Tests rassistisch seien, wird dann eingewendet, dass dadurch Minoritäten auch entlastet werden könnten und nicht mehr durch solche Tests betroffen wären.
Besonders genau ist die Ermittlung der Herkunft mithilfe dieser DNA-Herkunftsbestimmung jedoch nicht: so kann lediglich zwischen fünf bis sieben Kontinentalregionen unterschieden werden. Einerseits könnten dadurch entweder mehrere Gruppen an Personen migrantischer Herkunft unter Verdacht gestellt und zu DNA-Tests einbestellt werden. Andererseits – nicht gerade besser – könnten „europäische“ Täter:innen dann doch ignoriert werden, weil der Aufwand bei einer derartig großen Stichprobe schließlich zu hoch sein würdee.
Am Schluss führt das entgegen der Behauptung am Ende doch wieder zu rassistischen Vorannahmen und Erklärungsmustern in der polizeilichen Ermittlung. Und für die Hetzmedien wäre die Herkunft ebenso ein gefundenes Fressen, um einmal mehr gegen die vermeintlich „barbarischen und unzivilisierten Migranten“ zu wettern. Dennoch werden Einzelfälle aus anderen Ländern, in denen diese Methode bei der Überführung der Täter:innen geholfen haben soll, genutzt, um für die Ermittlung der Herkunft zu werben.
Auch die Begründung, dass die geplante Maßnahme ja kein so großer, problematischer Schritt wäre, hinkt. Klar, Faktoren wie Haut-, Augen- oder Haarfarbe und ähnliches dürfen bereits ermittelt werden.
Doch genau das zeigt umso deutlicher, dass es am Ende nur darum geht, Schritt für Schritt die Befugnisse der Repressionsbehörden auszuweiten – und damit auch die Grenzen des Sagbaren oder eher des Zumutbaren ins Unermessliche auszudehnen. Schließlich wurde genau diese Argumentation bereits in der Debatte um die erste Ausweitung der Befugnisse genutzt, wobei damals erklärt wurde, dass zuvor ja auch schon äußerliche Merkmale von Zeug:innen aufgenommen und ausgewertet wurden.
Alles im Namen des „Kampfes“ gegen das Patriarchat
Zusammengefasst fällt auf, dass die zunehmenden Straftaten – darunter auch sexualisierte Gewalt, die in Zeiten der Krise ansteigt – als Legitimation benutzt werden, um die Befugnisse von Repressionsbehörden zu erweitern: von mehr Überwachung auf der Straße und im Netz über die Einschränkung unseres Versammlungsrechts und das gemeinsame Training von Bundeswehr und Polizei, um gegen Streikende und Demonstrant:innen vorzugehen bis hin zur DNA-Analyse jetzt – alles vorgeblich im Namen des Schutzes unserer sogenannten Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Bevölkerung.
Doch was soll das bringen? Mehr Befugnisse schützen eben nicht die Arbeiter:innen, wenn die Polizei sie mal wieder auf der Straße verprügelt. Sie schützen auch nicht die Betroffenen sexualisierter Gewalt, wenn mal wieder nur die Ermittlung nach der Tat die Hauptrolle spielt, statt die Bekämpfung der Ursachen patriarchaler Gewalt. Sexualisierte Gewalt gegen Frauen steigt fortwährend, und während andauernd von Politiker:innen versprochen wird, etwas dagegen zu tun, sieht man davon in der Praxis jedoch wenig und allzu oft nimmt ihre Bekämpfung solche rassistischen Formen an, die nicht viel bewirken.
Gleichzeitig fehlt es noch immer an Frauenhäusern, Behörden schenken immer noch selten Personen Glauben, die von patriarchaler Gewalt betroffen sind, wodurch Täter oft frei davon kommen. Und es gibt eben auch die immer wieder fehlgeschlagenen Versuche, den Paragrafen 218 (Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen) zu streichen. All das zeigt, dass es sich bei dem Vorstoß mal wieder nicht um einen ehrlichen Versuch handelt, konsequent gegen das Patriarchat zu kämpfen.
Patriarchales Fehlverhalten und Gewalt passieren nämlich vor allem zu Hause hinter verschlossenen Türen – ausgeübt von den eigenen (Ex-)Partnern, Vätern oder Brüdern. Wenn wir ehrlich gegen das Patriarchat kämpfen wollen, dann dürfen wir nicht auf rassistische Gesetze von oben hoffen. Wir müssen den Kampf gegen das Patriarchat von unten aufbauen, denn klar ist, dass mit all seinen gebrochenen Versprechen dieser Staat uns nicht dabei helfen wird.