Zeitung für Solidarität und Widerstand

Türkei: Weitere Festnahmen und Repression gegen kurdische Filmprojekte

Ekrem İmamoğlu sitzt seit zwei Monaten in Haft. Immer wieder kommen weitere Untersuchungs- und Festnahmewellen hinzu. Gleichzeitig werden Social-Media Kanäle von Oppositionspolitikern und kurdischen Medienprojekten gesperrt.

Im Rahmen von Antikorruptionsuntersuchung gegen die Istanbul Metropolitan Municipality (İBB), wurde ein Haftbefehl gegen 49 Personen erlassen. Die Untersuchungen laufen unter dem Denkmantel einer Kampagne zum Abbau finanzieller und organisatorischer Waffen gegen Korruption und Terror-Unterstützungsnetzwerke innerhalb öffentlicher Institutionen.

Türkei: İmamoğlu in U-Haft – Proteste halten an

Das ist nun bereits die vierte Welle an Untersuchungen. TurkPress berichtet, dass die jüngsten Anklagen mit schweren Anschuldigungen verknüpft sind, darunter die Bildung und Führung einer kriminellen Vereinigung, Bestechung, Unterschlagung sowie Manipulation öffentlicher Ausschreibungen. Unter den Gefangenen befinden sich auch enge Mitarbeiter:innen des am 19. März inhaftierten Oppositionskandidat der Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) und Bürgermeister Istanbuls, Ekrem İmamoğlu.

Ihm wird vorgeworfen mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) in Verbindung zu stehen. Im Mittelpunkt der Vorwürfe steht der „Urban Pact“. Eine Vereinbarung zwischen der republikanischen Oppositionspartei CHP und der pro-kurdischen Partei Halkların Eşitlik ve Demokrasi Partisi (DEM). Die Behörden behaupten, dieser Pakt soll Personen mit angeblichen Verbindungen zur PKK einflussreiche Positionen in der DEM verschafft haben.

Auswirkungen der Inhaftierung

Nachdem Ekrem İmamoğlu inhaftiert wurde, fiel der Wert der türkischen Lira gegenüber zum Dollar um 11 Prozent. Die Zentralbank investierte als Reaktion darauf über 8 Milliarden Dollar in die Märkte. Gleichzeitig wird seit der Inhaftierung des Oppositionskandidaten fast jeden Tag protestiert.

Bei den Protesten und politischen Veranstaltungen fällt ein Gesicht besonders auf. Özgür Özel, ebenfalls Politiker der CHP, ist immer vorne dabei. Auch breiter betrachtet werden die Veranstaltungen von CHP-Anhänger:innen dominiert. Dennoch sind auch andere Parteien und Gewerkschaften vor Ort. Insgesamt hat die Protestbewegung, die Ende März Millionen Menschen auf die Straßen trieb, jedoch abgenommen.

Nachdem die aktuelle faschistische türkische Regierung Druck auf X ausübte, wurde nun auch der Account von Ekrem İmamoğlu eingefroren. Dieser kann sich aktuell nur noch über seine Anwälte mitteilen. Weiterhin fehlen der Staatsanwaltschaft Belege für die Anklage der Korruption.

Mehr Zensur im Netz

Neben der Einfrierung des X-Accounts von dem Oppositionskandidaten Ekrem İmamoğlu hat die Zensur im Netz noch weitere politische Kräfte getroffen. Darunter ist die kurdische Dokumentations-Kommune Gulistan Tara. Der Film „Vom Völkermord zum freien Leben – Die kurdische Auferstehung“ darf nun nicht mehr auf YouTube gezeigt werden – mit der Begründung es würde gegen die Richtlinien zu gewaltbefürwortenden kriminellen Organisationen verstoßen.

Politische Verfolgung von kurdischen Aktivist:innen in Deutschland geht weiter

Der Produzent des Films kritisiert die Zensur scharf: „Erzählungen über zeitgeschichtliche Ereignisse sowie die Darstellung von Archivmaterialien werden als Straftat deklariert. Unser Bemühen um eine objektive und geschichtstreue Aufarbeitung wird auf diese Weise behindert.“

Ein weiterer Vorfall bezieht sich ebenfalls auf die Plattform X. Der Account des Dokumentarfilms „Concrete Is Yours, Homeland Is Ours“ wurde am 17. Mai nach der Premiere auf YouTube durch einen Beschluss des Strafgerichts in Ankara gesperrt. Die Polizei hatte zuvor bereits versucht, die Veröffentlichung des Dokumentarfilms zu verhindern. Während der Dreharbeiten beschlagnahmten sie wiederholt Filmmaterial.

Der Dokumentarfilm zeigt die Zeit nach zwei massiven Erdbeben 2023, bei dem die türkische Regierung aktiv Hilfeleistung in den kurdischen betroffenen Gebieten verhindert hat. Weiterhin zeigt der Dokumentarfilm Interviews mit Betroffenen. Dort erzählen sie, wie Revolutionär:innen, Sozialist:innen, Menschenrechtsanwält:innen, Kunstschaffende und Beschäftigte des Gesundheitswesens in die betroffenen Gebiete kamen, um sie zu unterstützen. Gleichzeitig griff der Staat diejenigen an, die zur Hilfe kamen.

Solidarischer Hungerstreik von Sozialist:innen

Aktuell haben sich zudem mehrere Gruppen zusammengeschlossen, um im Zuge eines Hungerstreiks auf die Umstände in den Gefängnissen in der Türkei aufmerksam zu machen. Politische Gefangene in der Türkei haben diesen Hungerstreik selber begonnen und dieser wird nun in Europa weitergeführt. In Köln haben Aktivist:innen zwischen dem 24. Mai und dem 26. Mai in den solidarischen Hungerstreik begeben.

Europaweiter Hungerstreik in Solidarität mit politischen Gefangenen in der Türkei

Über 400.000 Menschen stapeln sich aktuell in den Gefängnissen, die eigentlich für 300.000 Insass:innen ausgelegt sind. Der türkische Staat investiert währenddessen in den Bau von neuen Gefängnissen, die vor allem für Isolationshaft ausgerichtet sein sollen. Bei dem Hungerstreik werden die Schließung der lebensbedrohlichen Isolationsgefängnisse, die Aufhebung der Isolationshaft und Freiheit für die sozialistischen Gefangenen gefordert.

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!