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Über 6.000 Abschiebungen im Quartal – Dobrindt will „Haft oder Heimflug“

Im ersten Quartal 2025 wurden bereits mehr als 6.000 Menschen abgeschoben. Unter Merz und Dobrindt wird die Zahl voraussichtlich weiter steigen. Einflussgebiete der Abschiebe-Behörden werden ausgeweitet, der Staat greift immer härter durch.

Aus einer Anfrage der Linkspartei im Bundestag geht hervor, dass allein im ersten Quartal, also in den ersten drei Monaten dieses Jahres, bereits 6.151 Menschen abgeschoben wurden. Die meisten Menschen wurden in die Türkei, nach Georgien, Frankreich, Spanien und Serbien abgeschoben. 157 Menschen wurden durch die Behörden in den Irak abgeschoben, fünf Personen in den Iran.

Für die Abschiebungen wurden weder Kosten noch Mühen gescheut. Über ein Drittel der Abschiebungen wurde mittels teurer Charterflüge realisiert. Besonders kostspielig waren aufwendige Sammelabschiebungen nach Pakistan (462.000 Euro), Äthiopien (418.000 Euro) sowie Nigeria, Ghana und Kamerun (380.000 Euro).

Bei einigen dieser Flüge wurden die Kosten durch den europäischen Grenzschutz Frontex übernommen. Rund 1.700 Abschiebungen sind sogenannte „Dublin-Überstellungen“, die innerhalb der EU durchgeführt wurden. Abschiebungen nach der Dublin-III-Verordnung sind keine Abschiebungen in das Herkunftsland der Geflüchteten, sondern Überstellungen in das Land, in welches geflüchtete Menschen als Erstes in die EU einreisen.

Dublin-Rückführungen nach Griechenland – Armut und illegale Abschiebung ins Herkunftsland drohen

Drohender Abschiebe-Höchstwert

Aus der Anfrage geht ebenfalls hervor, dass die Zahl der Abschiebungen in den letzten Jahren stark angestiegen ist. So wurden etwa 13.000 Menschen im Jahr 2022 abgeschoben, im Jahr 2023 waren es 16.430, und im vergangenen Jahr wurden 20.000 Personen abgeschoben. Hochrechnungen der Nachrichtenplattform RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) zufolge muss man dieses Jahr mit insgesamt mehr als 24.000 Abschiebungen rechnen.

Nach dieser Hochrechnung würden 2025 die meisten Abschiebungen seit dem Jahr 2016 vollzogen. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Prognose eher konservativ gerechnet ist. Denn die Abschiebungen des ersten Quartals geschahen alle in der Zeit, als die Ampel- bzw. rot-grüne-Regierung noch an der Macht war. Unter der neuen Regierungskonstellation unter Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Alexander Dobrindt (CSU) und Co. ist davon auszugehen, dass die Zahl weiter ansteigt.

SPD-Parteichef fordert mehr Abschiebungen

Dobrindts Linie: „Haft oder Heimflug“

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) äußerte sich vor etwa einer Woche über seine Pläne bezüglich der Migrationspolitik. Er sprach davon, dass Deutschland grundsätzlich offen für legale Migration sei. Dazu ist das Land rechtlich verpflichtet. Allerdings betonte er immer wieder eine „Belastungsgrenze“ und setzte den Fokus auf straffällige Migrant:innen. Diese hätten zukünftig zwei Wahlmöglichkeiten: „Haft oder Heimflug“.

Am 21. Mai sprach Dobrindt im Bundestag davon, dass er den europäischen Ländern signalisiert habe, dass Deutschland bereit wäre, auch im Rahmen der GEAS-Reformen noch schneller und schärfer gegen „illegale Migration“ vorzugehen.

Auf der nationalen Ebene sprach Dobrindt davon, dass die Regierung bereit sei, alle notwendigen Maßnahmen durchzusetzen, um eine Begrenzung der illegalen Migration zu bewirken. Konkret würde das bedeuten, den Familiennachzug umgehend auszusetzen, die sogenannte „Express-Einbürgerung“ abzuschaffen und freiwillige Aufnahmeprogramme so schnell wie möglich zu beenden.

Zudem sollen zukünftig Straftäter:innen nach Syrien oder Afghanistan abgeschoben werden können, indem man diese Länder als sichere Herkunftsländer neu bewertet. Die Grenzen sollen stärker kontrolliert werden, und trotz Asylgesuchen sollen Menschen an der Grenze „stärker zurückgewiesen“ werden.

Faeser und Habeck für Abschiebungen nach Syrien

Seine Rede schloss er damit ab, dass er sich bei den Bundespolizist:innen für deren Dienst bedankte. Deren Befugnisse möchte Dobrindt auch ausweiten. Das Speichern von IP-Adressen soll künftig wieder eingeführt werden, was einer abgeschwächten Variante der Vorratsdatenspeicherung gleichkommt.

Nötig seien diese Maßnahmen, um gegen Kinderpornografie, schwere Verbrechen und organisierte Kriminalität vorzugehen. Mittels der gleichen Begründung sollen zukünftig die Nachrichtendienste mehr Befugnisse haben, und die Bundespolizei soll „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ durchführen dürfen – somit können verschlüsselte Nachrichten noch vor der Verschlüsselung mitgelesen werden.

Dobrindt plant weitere Verschärfung der Grenzkontrollen

Deutschland schiebt sich ab

Wie sehr der Staat heute schon durchgreift, um Menschen abzuschieben, zeigen einige aktuelle Beispiele sehr eindrücklich. Ein Schüler aus Rüsselsheim droht eine Abschiebung, obwohl er gerade seinen Hauptschulabschluss beendet und schon einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag hat. Dieser Fall sticht besonders hervor, da der Schüler eine Ausbildung zum Altenpfleger beginnen möchte – ein Beruf, in dem der Nachwuchs schon seit Jahren fehlt. Einer 18-jährigen Frau aus Kitzingen droht ebenfalls eine Abschiebung, statt einer Ausbildung und einem Leben in Deutschland.

Wie skrupellos der Staat vorgeht, wird bei einem Fall in Naumburg deutlich. Denn bei dem Versuch, eine syrische Familie abzuschieben, rückten die Beamten der Polizei und der Ausländerbehörde in zwei Schulen ein. Die Beamten nahmen während des Sportunterrichts ein zehnjähriges Mädchen fest. Der Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisierten das Vorgehen der Behörde.

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