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Über Abschiebungen zum Staatsumbau

Die US-Regierung schiebt Hunderte Migrant:innen ohne Prozess in ein Mega-Gefängnis in El Salvador ab. Die Abschiebungen nutzt die US-Regierung als Unterdrückungsmechanismus für den autoritären Staatsumbau. – Eine Einordnung von Jens Ackerhof.

Massenhafte Abschiebungen sind zu einer zentralen Forderung der immer stärker werdenden faschistischen Kräfte in Europa und den USA geworden. In der Hand der mächtigsten Regierung der Welt sind Abschiebungen zugleich ein vielseitiges Machtinstrument, um wirtschaftliche, ideologische und politische Ziele umzusetzen.

Abschiebungen als wirtschaftliches Druckmittel

Je weniger politische Rechte Migrant:innen genießen und je einfacher sie abgeschoben werden können, desto höher ist der Druck auf sie, besonders ausbeuterische und zum Teil illegale Arbeitsverhältnisse zu akzeptieren. Dies gilt beispielsweise für den landwirtschaftlichen Sektor der USA, der zu 40% aus Migrant:innen ohne Aufenthaltsgenehmigung besteht. Dort arbeiten die meisten von ihnen ohne Arbeitsschutzmaßnahmen oder Gesundheitsvorsorge unter gefährlichen Bedingungen.

Natürlich werden Abschiebungen auch als Drohkulisse benutzt, um Migration zu begrenzen. Dabei profitieren Staaten wie die USA, aber auch Deutschland davon, günstige Arbeitskräfte in wirtschaftlich abhängigen Ländern und ehemaligen Kolonien auszubeuten. Doch das primäre Ziel der restriktiven Migrationspolitik ist gar nicht, weniger migrantische Arbeiter:innen zu haben – sondern mehr migrantische Arbeiter:innen mit weniger Rechten.

Abschiebungen unter Trump beginnen

Schaffung von Feindbildern und Repression gegen Aktivist:innen

Auf ideologischer Ebene kann die Hetze gegen Migrant:innen genutzt werden, um einen externen Feind herbeizubeschwören. Auf seiner Website brüstet sich das Weiße Haus mit der Liste „kaltblütiger“ und „kranker Krimineller“, die nach El Salvador abgeschoben wurden. Während der US-Präsident bereits anerkannte, dass seine Zollpolitik eine Rezession auslösen könnte, und die Nahrungsmittelpreise kontinuierlich steigen, ist eine vermeintliche Bedrohung durch kriminelle Migrant:innen eine willkommene Ablenkung.

Die Trump-Regierung nutzt Abschiebungen auch, um politischen Widerstand und Protestbewegungen  zu unterdrücken. Im Hauptfokus steht hierbei die palästinasolidarische Bewegung. Die Columbia University stimmte bereits zu, 22 Studierende zu exmatrikulieren, die gegen Israels Genozid an den Palästinenser:innen protestierten. Die Repression gegen politisch aktive Migrant:innen fällt umso härter aus.

Dies zeigt sich an der Festnahme und geplanten Abschiebung von Mahmoud Khalil. Khalil wurde keines konkreten Verbrechens beschuldigt. Stattdessen wurde sein Aktivismus kurzerhand zu einer direkten Unterstützung der Hamas erklärt, die ein Sicherheitsrisiko für die USA darstelle. Die Rechtmäßigkeit der Abschiebung wurde kürzlich von einem Migrationsrichter bestätigt. Dass bereits das Schreiben eines kritischen Zeitungsartikel Grundlage für eine Abschiebung sein kann, zeigte sich an dem Fall der türkischen Doktorandin Rümeysa Öztürk, die von Agenten der Einwanderungs- und Zollbehörde (ICE) auf offener Straße verhaftet wurde.

Mahmoud Khalil: „Ich bin ein politischer Gefangener“

Zunehmender Angriff auf Grundrechte

Es wäre ein Fehler, diese Abschiebepolitik als alleiniges Merkmal der Trump-Regierung anzusehen. Schließlich hatte die Regierung unter dem Präsidenten Joseph Biden (Democrats) sogar mehr Menschen abgeschoben als Trump in seiner ersten Amtszeit. Auch stimmten 58 Demokrat:innen für den von den Republikanern vorgeschlagenen Laken Riley Act, der es der Regierung ermöglicht, Migrant:innen auch für geringfügige Verbrechen zu inhaftieren.

Auch Ex-Präsident Barack Obama (Democrats) veranlasste – entgegen seinem Versprechen – nicht die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo Bay.  Die offene Missachtung der eigenen Gesetze, mit der die Trump-Regierung vorgeht, stellt eine deutliche Verschärfung der Rechtsentwicklung in Richtung Faschismus dar.

Am 25. April nahm der von Trump-Loyalist:innen geführte Inlandsgeheimdienst, das FBI, die Richterin Hannah Dugan fest. Dugan wird vorgeworfen, ICE-Agent:innen an der Festnahme eines Migranten ohne gültige Papiere vor ihrem Gerichtshof gehindert zu haben. Nachdem die Richterin aus Milwaukee von der geplanten Festnahme erfahren habe, soll sie versucht haben, den Mann in einem anderen Raum des Gerichtssaals zu verstecken. Der Mann wurde dennoch von der ICE verhaftet und auch Dugan noch in ihrem Gerichtssaal festgenommen.

Der Gefangenendeal zwischen den USA und El Salvador

Die Vereinbarung zwischen den USA und El Salvador, Migrant:innen in ein Mega-Gefängnis in El Salvador abzuschieben, zeigt neue Ausmaße im Projekt Staatsumbau. Der Deal wurde mit dem ebenfalls reaktionären salvadorianische Präsidenten, Nayib Bukele, vereinbart. Für 6 Millionen Dollar jährlich sperrt die USA von nun an US-Häftlinge im salvadorianischen Zentrum zur Eindämmung des Terrorismus (CECOT) weg.

Bereits 238 Migrant:innen aus Venezuela, denen die Mitgliedschaft in der kriminellen Bande Tren de Aragua vorgeworfen wird, wurden ohne Prozess dorthin abgeschoben. Am 26. März wurden 17 weitere Menschen dorthin verschleppt.

Die wenigsten der Abgeschobenen sind in den USA oder El Salvador überhaupt vorbestraft. Trumps Regierung gestand sogar ein, einen Familienvater aus Maryland „aus Versehen“ abgeschoben zu haben. Kilmar Abrego Garcia, ein Migrant, der selbst aus El Salvador stammt, hatte in den USA einen Schutzstatus. Den hätte er sogar dann noch gehabt, wenn er, wie es in der Anklage heißt, Mitglied der Bande MS-13 wäre, was Garcia bestreitet. Eine Bundesrichterin aus Maryland hatte deshalb seine Rückkehr in die USA angeordnet. Der Oberste Gerichtshof, der wie das FBI von Trump-Loyalist:innen besetzt ist, bestätigte sogar die Unrechtsmäßigkeit der Abschiebung, wies aber auch nicht dessen Rückkehr an. Auch Bukele macht keinerlei Anstalten, den sogar gemäß Urteil und US-Gesetz unrecht inhaftierten Garcia zu entlassen.

Die „harte Hand“ El Salvadors

Günstige Haftbedingungen und Profit durch Zwangsarbeit

El Salvadors Mega-Gefängnis CECOT hat Kapazität für 400.000 Häftlinge. Sie verbringen 23,5 Stunden täglich in überfüllten Käfigen von 80 bis 100 Personen und schlafen auf Metallbetten ohne Matratzen. Für die USA ist der Gefängnisdeal ein lukratives Geschäft. Während die Unterbringung  in einem Abschiebegefängnis auf US-Boden für ein Jahr ungefähr 60.000 Dollar pro Häftling kostet, sind es im CECOT lediglich 25.000 Dollar. Und dadurch, dass die Häftlinge außerhalb der USA untergebracht werden, wird ihnen der Zugang zu Rechtswegen versperrt.

Dieser Deal gefällt Trump offenbar so gut, dass er in Erwägung zieht, auch US-Staatsbürger nach El Salvador zu schicken. „Hausgemachte Kriminelle sind als Nächstes dran“, sagte der US Präsident in einem Gespräch mit Bukele. Der salvadorianische Präsident müsse „fünf weitere dieser Gefängnisse aufbauen“, so Trump. Bukele hat durchaus einen Anreiz, dem nachzukommen. Denn die Häftlinge werden zur Arbeit gezwungen: Sie müssen Waren herstellen, in der Landwirtschaft und Infrastrukturprojekten arbeiten.

Bukele gab sogar an, dass das Gefängnissystem des Landes dadurch bald für seine eigene Kosten aufkommen könne. Die Zahlungen, die für die Aufnahme von US-Häftlingen an El Salvador fließen, dienen dazu, die Dollarreserven des stark verschuldeten Landes aufzufüllen.  Da der Dollar die offizielle Währung El Salvadors ist, kann das Land keine eigene Währung drucken – und steht in direkter Abhängigkeit vom US-Dollar.

Die offene Missachtung demokratischer Grundrechte und den Gesetzen der jeweils eigenen Nation einen Trump und Bukele. Letzterer verhängte den Ausnahmezustand, um seine Verhaftungswelle voranzutreiben, und ließ auch schon Soldat:innen ins Parlament eindringen, um die Bewilligung eines Darlehens zu erzwingen. Trump und Bukele betreiben einen rasanten Staatsumbau, der – was Notstandsgesetzte, Verhaftungswellen und Deportationen angeht – vorfaschistische Züge annimmt.

USA: Staatsumbau im großen Stil

Jens Ackerhof
Jens Ackerhof
Perspektive-Autor seit 2023. Wohnort: Hamburg. Kommentare verfasst er häufig über bürgerliche Politiker:innen und deren Propaganda. Seine Lieblings- und Haustiere sind Ratten.

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