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Wie ein AfD Verbot aussehen könnte – oder auch nicht

Nach der Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ steht die Frage eines Parteiverbots wieder im Raum. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt ähnliche verzweifelte Versuche, einen Waldbrand mit einem Eimer Wasser zu löschen – während die Feuerwehr das Streichholz in der Hand hält. – Ein Kommentar von Myriam Natascha Graf.

Am 2. Mai hat das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Drei Tage später hat die Partei deshalb Klage eingereicht. Jetzt wird die Forderung eines Parteiverbots wieder laut – sowohl unter Politiker:innen als auch in der Zivilbevölkerung.

Vergangenes Wochenende fanden in mehr als 60 Städten Demonstrationen für das Parteiverbot statt. Viele dieser Menschen stören sich offenbar an der Sprechweise, also der zu deutlichen Sprache der Partei. Inhaltlich finden sich Themen, Ideen und Ideologien in großen Teilen nämlich genauso auch in anderen Parteien wieder – ob Bundeswehrausbau, rassistische Außenpolitik oder „Law and Order“-Mentalität. Längst ist die AfD mit diesen Themen nicht alleine. Der Unterschied liegt in der Inszenierung.

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Doch selbst wenn die AfD mit ihren menschenfeindlichen Einstellungen alleine wäre, könnte ein Verbot nicht die einfache Lösung bieten, die viele darin zu sehen scheinen – alleine schon wegen der bürokratischen Hürden.

Verbotsverfahren würde Jahre dauern

Damit dieser Antrag tatsächlich irgendwann auf dem Tisch des Verfassungsgerichtes enden könnte, müsste erst mal – nach langwierigen Diskussionen im Bundestag – mindestens die Hälfte aller Abgeordneten für einen solchen Antrag stimmen. Mit ihren 151 Sitzen im Bundestag ist die AfD nach CDU/CSU aber die größte vertretene Partei. Die Chancen stehen dementsprechend schlecht. Abgesehen davon trifft der Antrag momentan auch in den anderen Fraktionen auf wenig Unterstützung.

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Sollte trotz allem aber über die Hälfte der Abgeordneten für ein solches Verbot stimmen, bedeutet das noch lange nicht das Ende vom Lied: Jetzt müsste sich eine Gruppe aus Politiker:innen und Jurist:innen zusammentun und Gründe für die Verfassungswidrigkeit zusammentragen. Vor dem Beschluss des Verfassungsgerichtes dürfte außerdem auch die AfD selbst zu Wort kommen.

All das dauert erfahrungsgemäß Jahre – so offensichtlich die menschenverachtende Politik der betreffenden Partei auch sein mag. Der letzte Kampf um das Verbot der neofaschistischen NPD zog sich insgesamt über 16 Jahre – und scheiterte am Ende doch.

NPD-Verbotsverfahren eingestellt

Die letzte deutsche Partei, der dieser Prozess gemacht wurde, war die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD, heute: Die Heimat) – der größten neofaschistischen Partei der BRD. Der erste Verbotsantrag gegen sie wurde 2001 eingereicht. Bis 2003 passierte, trotz der offensichtlich faschistischen Ausrichtung der Partei, erst mal gar nichts.

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Erst als enge Verbindungen der NPD zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), einer neonazistischen, terroristischen Vereinigung, die um 1999 zahlreiche migrantische Personen ermordete, öffentlich werden, veranlasst das Verfassungsgericht dazu, „da doch mal einen Blick drauf zu werfen“. Einige Beamt:innen des Verfassungsschutzes sind selbst maßgeblich im NSU-Komplex verwickelt und tragen lange zur Verschleierung der Hintergründe des NSU-Komplexes bei.

Im Jahr 2011, also 10 Jahre nach dem ersten Antrag, werden die Chancen auf ein neues Verbotsverfahren geprüft. Diesmal mit Erfolg; das Verfahren wird ein Jahr später, also 2012, eingeleitet. Es vergehen 3 weitere Jahre bis das Bundesverfassungsgericht endlich eine dreitägige, mündliche Verhandlung – nein, nicht durchführt, sondern – plant. Diese Gespräche werden auf ein Jahr später datiert. Jetzt befinden wir uns im März 2015, und noch immer ist nichts passiert.

Im Januar 2017, ganze 16 Jahre nach dem ersten Versuch und 6 Jahre nach dem zweiten Antrag fällt das Bundesverfassungsgericht schließlich sein Urteil: Die NPD sei zwar verfassungswidrig, aber aufgrund ihrer Größe und Struktur nicht in der Lage, ihre verfassungswidrigen Ziele zu realisieren.

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Antifaschistische Bewegung aufbauen

Auch wenn sich heute mit einem etwas schnelleren Verfahren rechnen ließe – es würde sich immer noch um die selbe Institution handeln. Eine Institution, die nach dem 2. Weltkrieg von Faschist:innen aufgebaut wurde und auch heute noch von ihnen durchsetzt ist. Außerdem ließe sich rein aus formalen Gründen mit keinem Beschluss noch in dieser Legislaturperiode rechnen. Ein Beschluss, der potenziell Konsequenzen für die AfD bei der nächsten Wahl haben könnte.

Wir sprechen von Jahren, die sie für sich nutzen wird, in der sie vor allem auch dieses Verfahren als Stimmungsmache und Kampfmaßnahme diffamieren und so für ihre Propagandazwecke verwenden wird.

Dass vergangenes Wochenende tausende Menschen bundesweit auf die Straße gegangen sind, ist trotz all der Fragwürdigkeit ein starkes Zeichen. Es zeigt trotz all der Widersprüche, der unhinterfragten Tatsachen und der Verschleierung echter Ursachen, dass eine gewisse Bereitschaft besteht. Es passiert nicht nichts – darauf lässt sich aufbauen.

Das Wiederaufleben der Anti-AfD-Proteste – Zeit für Klassenkampf!

Myriam Natascha Graf
Myriam Natascha Graf
Perspektive-Autorin seit 2025, lebt in Berlin und studiert dort Geschichte mit Fokus auf Geschlechtergschichte. Ihr Hund hat ein rotes Bandana und ist Negro Matapaco.

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