Die antifaschistische Person Maja befindet sich seit fast einem Jahr in folterähnlicher Isolationshaft in Budapest. Da Staat und Justiz ihre eigenen Regeln unentwegt brechen, ist Maja in den Hungerstreik getreten. Der Fall zeigt wie kein anderer besonders eindrücklich: Die „Rechtsstaatlichkeit“ der EU ist ein Mythos. – Ein Kommentar von Basti Jung.
„Ich kann die Haftbedingungen in Ungarn nicht weiter ertragen. Meine Zelle war über drei Monate rund um die Uhr videoüberwacht. […] Die baulichen Gegebenheiten verhindern, dass ich genügend Tageslicht sehe. Der winzige Hof besteht aus Beton und ist von einem Gitter überspannt. Die Temperatur des Duschwassers lässt sich nicht regulieren. Meine Zelle ist dauerhaft von Bettwanzen und Kakerlaken befallen. Es ist keine ausreichende Versorgung mit ausgewogenem und frischem Essen gegeben.“
Wenn Antifaschist:in Maja von den Haftbedingungen in Budapest spricht, klingt das wie Folter – und ist es auch. Den Vereinten Nationen zufolge ist eine derartige Isolationshaft für einen Zeitraum von über 15 Tagen als Folter einzuordnen. Maja ist jeden Tag über 23 Stunden ganz allein: „Hier in Ungarn bin ich lebendig in einer Gefängniszelle begraben und diese Untersuchungshaft kann in Ungarn bis zu drei Jahren dauern.“
Aus diesen Gründen ist Maja am 5. Juni in den Hungerstreik getreten. Noch am Tag zuvor sollte die ungarische Justiz über Majas Antrag auf Verlegung in den Hausarrest entscheiden. Die Entscheidung wurde verschoben, als Konsequenz greift Maja nun ungebrochen und aufrecht zu drastischeren Maßnahmen. Nicht zuletzt, weil der berüchtigte „Budapest-Komplex“ eine Geschichte voller Ungereimtheiten, Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit ist.
In ganz Europa: Antifa im Fadenkreuz
Die Ungerechtigkeit beginnt eigentlich schon viel eher: Jedes Jahr im Februar findet in Budapest ein vom ungarischen Staat unterstütztes – oder zumindest geduldetes – Neonazi-Massenevent in „Gedenken“ an den blutig gescheiterten Ausbruchsversuch von NS-Soldaten im zweiten Weltkrieg statt. Das Ganze nennt sich dann „Tag der Ehre“ und ist einer der weltweit größten faschistischen Aufmärsche. Militante Faschist:innen und Nazi-Nerds aus ganz Europa versammeln sich und ziehen unbehelligt durch die ungarischen Berge – wären da im Jahr 2023 nicht die entschlossenen jungen Menschen gewesen, die gegen diese unhaltbaren Zustände Widerstand organisierten.
Auch deutsche Antifaschist:innen sollen sich an den Auseinandersetzungen beteiligt haben. Was daraufhin folgt, ist einer der größten Angriffe der letzten Jahrzehnte gegen die linke Bewegung in Europa. Der präfaschistische ungarische Staat und die deutschen anti-antifaschistischen Repressionsbehörden erließen Haftbefehle und starteten eine Verfolgungsjagd, die ihresgleichen sucht.
In der jüngsten Geschichte der BRD saßen selten so viele Antifas in deutschen Knästen wie heute. Denn dass Antifaschismus zunehmend ins Fadenkreuz der Behörden gerät, zeigen abseits vom Budapest-Komplex auch die aufwändig inszenierten Antifa-Ost-Verfahren rund um Lina E. Doch um den Nazi-Paragraphen 129 entgegengeschleudert zu bekommen, reicht es mittlerweile schon, linke Parolen zu sprühen.
LGBTI+ in Ungarn: Maja darf nicht existieren
Doch zurück zu Maja: Dieser Fall bleibt wohl aktuell der prominenteste. Nicht zuletzt deshalb, weil er die abscheuliche Realität der herrschenden Klassenjustiz am anschaulichsten verdeutlicht. Maja wurde rechtswidrig in einer Blitzaktion nach Ungarn ausgeliefert, Maja wird zum Prozess mit Fußfesseln und Hundeleine vorgeführt, Maja wird der Einblick in die Ermittlungsakten massiv erschwert. Vom „Rechtstaat“ und gerechter Prozessführung ist weit und breit nichts zu bemerken.
Hinzu kommt, dass Maja als nicht-binäre Person im tiefbraunen Ungarn besonderen Schikanen ausgesetzt ist. Neben der bekannten Hetze im Alltag muss Maja unter anderem Intim-Kontrollen über sich ergehen lassen. Der jüngsten Verfassungsänderung zufolge gibt es in Ungarn außerdem nur noch zwei Geschlechter – faktisch darf Maja in den Tiefen des Knastes also gar nicht existieren.
Verfassungsänderung in Ungarn – Proteste gegen Pride-Verbot halten an
Dazu darf nicht vergessen werden: Maja drohen 24 Jahre Haft in Ungarn. Oder 14 Jahre bei gleichzeitigem Schuldeingeständnis. Doch Maja lässt sich auf diesen drakonischen „Deal“ nicht ein und bleibt stattdessen standhaft und kämpferisch – in dem Sinne lässt sich auch der jüngst gestartete Hungerstreik erklären.
Der Hungerstreik: Eine politische Kampfansage
Der Hungerstreik als historisch besonders bedeutsame Form des passiven Widerstands ist für deutsche politische Gefangene in der jüngsten Zeit eher die Ausnahme als die Regel – was mit Blick auf die kurdisch-türkische Widerstandsbewegung ganz anders aussieht: Den eigenen Körper als Waffe zu nutzen, ist gewissermaßen das letzte Protestmittel von Inhaftierten und kann auch entsprechende Wirkung entfalten.
Deshalb gilt es besonders jetzt, die Forderungen von Majas Hungerstreik einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen. Denn am Ende ist es unsere Pflicht, unsere Mitmenschen darüber zu unterrichten, dass die von uns finanzierten Behörden junge Menschen rechtswidrig in andere EU-Ländern verschleppen und dort den Bluthunden eines rechtsradikalen Staats vor die Füße werfen.
Auf die Straße: Solidarität mit den Antifaschist:innen praktisch machen!
Doch gerade weil sich der Staat nicht an seine eigenen Regeln hält, darf es keineswegs unsere Aufgabe sein, ihn darum zu bitten, doch mal endlich ein faires Spiel zu treiben. Denn das wird er nicht tun – zumal es trotz entsprechenden Entscheids des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe aktuell keinerlei legale Möglichkeit gibt, Maja nach Deutschland zurückzuholen.
Während Majas Anwalt noch hofft, dass der Fall eine abschreckende Signalwirkung auf ähnliche Fälle des Budapest-Komplexes haben könnte, ist zumindest der junge Antifaschist Zaid weiterhin konkret von einer Auslieferung nach Ungarn bedroht. Am Ende bleiben wir als Antifaschist:innen und Revolutionär:innen also wieder auf uns selbst gestellt. Außer wir schaffen es, an Rückhalt in der Bevölkerung zu gewinnen und uns hier mitsamt unseren Kämpfen zu verankern – denn Antifa bleibt notwendig!