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Budapest: Hunderttausende bei verbotener Pride-Demonstration

Trotz Demonstrationsverbots und faschistischem Gegenprotest fand die Pride dieses Jahr in Budapest mit 200.000 Menschen statt. Die Demo war antifaschistisch geprägt und Majas Kampf für Freiheit wurde mit auf die Demonstration getragen. Die Polizei konnte ihre Drohung, das Verbot durchzusetzen, nicht wahr machen.

Die ungarische Regierung hatte im März mit einer Änderung am Versammlungsgesetz die diesjährige Pride-Demonstration in Budapest verboten. Dennoch nahmen zehntausende Menschen daran teil. Das Verbot der Pride und das angedrohte Bußgeld von 500 Euro schreckten sie nicht ab.

Laut Angaben der Veranstalter:innen sollen dieses Jahr rund 200.000 Menschen teilgenommen haben – eine Rekordzahl, insbesondere angesichts des Verbots. Der Grund für die hohe Teilnehmer:innenzahl könnte jedoch genau in diesem Verbot liegen – aber auch in der LGBTI+-feindlichen Politik der ungarischen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán.

David Scholl

Auf der Pride sprachen viele Leute davon, dass die diesjährige Pride vor allem deshalb wichtig sei, weil man damit beweise, dass man sich nicht von der Regierung einschüchtern lasse. „Jetzt versuchen sie, die Medien zum Schweigen zu bringen, sie versuchen, queere Menschen zum Schweigen zu bringen – es ist also im Grunde ein Protest für die Meinungsfreiheit“, erzählt eine Person im Interview.

Eine andere Person ergänzt: „Es ist offensichtlich eine Machtdemonstration der Regierung, um uns Angst zu machen und uns zu spalten.“ Bereits kurz nach der Gesetzesänderung kam es zu regelmäßigen Protesten gegen das Verbot der Pride.

Verfassungsänderung in Ungarn – Proteste gegen Pride-Verbot halten an

Internationale Beteiligung

Die Organisator:innen der Pride hatten europaweit dazu aufgerufen, sich an der Demonstration zu beteiligen. Diesem Aufruf folgten von EU-Parlamentarier:innen bis zu revolutionären Organisationen zahlreiche Gruppen und Personen, darunter auch Greta Thunberg.

Auch die antikapitalistische LGBTI+ Organisation Pride Rebellion (PR) aus Deutschland nahm mit einer Delegation an den Protesten teil. Ein:e Aktivist:in von PR erklärte: „Wir wollen damit zeigen, dass LGBTI+ eine gesellschaftliche Kraft im Kampf gegen den Faschismus sind – und das über Ländergrenzen hinweg.“

Faschistische Einschüchterungsversuche

Neben dem Verbot durch Orbáns Regierung wurde die Demonstration auch von Protesten, Blockaden und Einschüchterungsversuchen verschiedener faschistischer Parteien und Organisationen begleitet. Diese scheiterten jedoch an ihrem Ziel, die Pride nachhaltig zu stören oder gar zu verhindern.

So zum Beispiel bei der Blockade der Budapester Freiheitsbrücke durch Faschist:innen: der Pride-Zug sollte ursprünglich über diese Brücke führen, was durch diesen faschistischen Protest verhindert wurde. Doch die Route wurde kurzerhand geändert … und die Demonstration konnte wie geplant zu Ende geführt werden.

Antifaschistischer Ausdruck

Die Pride selbst war durch verschiedene antikapitalistische und antifaschistische Gruppen, darunter auch internationale Teilnehmer:innen, stark geprägt. Ein zentrales Symbol war der „Rosa Winkel” als Zeichen des antifaschistischen LGBTI+-Widerstands. Dieses Symbol wurde damals von den Nazis benutzt, um LGBTI+-Personen in Konzentrationslagern zu markieren und zu ermorden. Seit den 1970er Jahren wird es zunehmend als antifaschistisches Symbol des Widerstands verwendet.

Zu sehen war der Rosa Winkel unter anderem auf einem Banner am Ende der Route, das die Aufschrift „Free Maja“ trug – ein Aufruf zur Freilassung der nicht-binären Antifaschist:in. Maja ist derzeit in Budapest inhaftiert.

David Scholl

Maja wurde vor genau einem Jahr in einer Nacht- und Nebelaktion von deutschen Behörden nach Ungarn überstellt. Damit wollten die Behörden einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zuvorkommen, das die Überstellung kurz darauf für illegal erklärte – der Ausflug war aber schon geschehen. Seit dem 5. Juni befindet sich Maja nun im Hungerstreik, in den vergangenen Tagen fanden europaweite Solidaritätsaktionen statt.

Friedlicher Demoverlauf

Entgegen der Androhungen der ungarischen Polizei, das Demonstrationsverbot durchzusetzen, verlief die Demo friedlich und ohne Eskalationen seitens der Behörden. Dennoch ist unklar, ob Gesichtserkennung eingesetzt wurde und Teilnehmende im Nachhinein mit Repressionen rechnen müssen. Klar ist jedoch: Die 200.000 Menschen, die trotz aller Repressionen am CSD teilnahmen, sowie der internationale Druck zwangen den ungarischen Staat zum Einlenken.

Pride-Verbot in Ungarn: Mit Gesichtserkennung gegen die Versammlungsfreiheit

„Die diesjährige Pride gehört damit in den letzten Jahren zu den größten Demonstrationen Ungarns. Sie kann ein Moment sein, die der zunehmenden Hoffnungslosigkeit im Angesicht des Faschismus entgegenwirkt und in Ungarn, aber auch in Deutschland Motivation schafft, sich nicht durch die Repressionen und Einschüchterungsversuche der Staaten unterkriegen zu lassen“, so das Fazit des:der Aktivist:in von PR.

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