Zeitung für Solidarität und Widerstand

CSDs verteidigen – Gegen Repression und faschistische Angriffe

Die ersten CSD-Demonstrationen 2025 wurden bereits vorzeitig aufgelöst oder vollständig abgesagt, während die Zahl der Angriffe durch Polizei und faschistische Kräfte steigt. Doch was muss passieren, damit wir weiterhin auf die Straße gehen können? – Ein Kommentar von Marceline Horn.

Jedes Jahr finden über mehrere Monate hinweg in vielen deutschen Städten die Christopher-Street-Day (CSD)-Demonstrationen statt. Angefangen hat es 2025 mit dem ersten CSD in Schönebeck (Sachsen-Anhalt) am 26. April.

Doch schon dieser verlief nicht nach Plan: Von 12 bis 22 Uhr hätte er laufen sollen, wurde aber durch die Polizei und das Ordnungsamt frühzeitig um 20 Uhr aufgelöst. Grund dafür waren sehr kurzfristig von der Polizei geforderte Sicherheitsmaßnahmen, die während der laufenden Veranstaltung von den Organisator:innen des CSD nicht mehr erfüllt werden konnten. Diesen Mangel sah die Polizei als Grund, ihn frühzeitig zu beenden.

In Gelsenkirchen wurde der CSD am 17. Mai, eine Stunde vor Beginn, von den Veranstalter:innen sogar ganz abgesagt. Hier sei der Grund eine „abstrakte Gefahrenlage“ gewesen, über welche die Polizei die Veranstalter:innen informierte. Diese Warnung galt für einen unbestimmten CSD in Nordrhein-Westfalen. Vor dieser abstrakten Gefahr konnte oder wollte die Gelsenkirchener Polizei den CSD also anscheinend nicht beschützen.

Recht einfach war es für sie hingegen zwei Wochen vorher, am 1. Mai, Faschist:innen zu schützen. Dort marschierten nämlich etwa 200 Rechte und Faschist:innen durch die Stadt. Beim Gegenprotest ging die Polizei hart gegen Antifaschist:innen vor.

Wir stehen erst am Anfang der CSDs, die dieses Jahr stattfinden sollen, doch schon jetzt zeigt der Staat ganz offen, dass er uns nicht schützen wird – im Gegenteil: Wenn Faschist:innen uns bedrohen, seien sie machtlos, wenn Faschist:innen marschieren und wir sie stoppen wollen, dann fällt es der Polizei ganz leicht, Gewalt auszuüben.

Staat und Nazis Hand in Hand – Angriffe auf LGBTI+ steigen

Doch die Angriffe auf LGBTI+ Menschen hören bei den CSDs nicht auf: Die global voranschreitende Rechtsentwicklung führt auch zum Erstarken alter Rollenbilder und damit auch zu mehr patriarchaler Gewalt gegen Frauen und LGBTI+ Personen. Inzwischen gibt es in Deutschland täglich einen Femizid und die Gewalt gegen LGBTI+ Menschen ist von 1.188 Fällen im Jahr 2022 innerhalb eines Jahres um fast 50 Prozent auf 1.785 Fälle gestiegen. Besonders erinnert uns der Mord an der kolumbianischen trans Frau Sara La Millerey an die Realität, in der wir leben. Sie wurde am 4. April überfallen, vergewaltigt und schließlich mit gebrochenen Armen und Beinen in einen Fluss geworfen, die Tat wurde dabei gefilmt und auf Social Media veröffentlicht.

Proteste nach Mord an trans Frau in Kolumbien

Doch auch juristische Angriffe vermehren sich: In den USA wurde per Dekret entschieden, dass es nur zwei Geschlechter gäbe, die lediglich mittels der Geschlechtszellen definiert werden sollen, die der Körper produziert. Ähnliche Angriffe gab es auch in Großbritannien. Dort beziehe sich laut dem obersten Gericht der im Equality Act verwendete Begriff „Frau“ nur auf „biologische Frauen“. In Ungarn verankerte das Parlament das binäre Geschlechtersystem sogar in der Verfassung und verbot außerdem jegliche Pride-Demonstrationen unter dem Deckmantel des Kinderschutzes.

Auch in Deutschland möchte die CDU das neue Selbstbestimmungsgesetz wieder abschaffen. Im Koalitionsvertrag einigten sich CDU und SPD bislang jedoch „nur“ darauf, bis Ende Juli 2026 das Gesetz neu zu „evaluieren“. Mit einer ähnlichen Kinderschutz-Rhetorik wie in Ungarn deuten sie dabei bereits auf die Gefahr hin, die angeblich von trans Frauen gegenüber Kindern und „echten“ Frauen ausgehe.

Und genau diese Rhetorik zeigt sich schon jetzt im Umgang mit trans Frauen. Einen besonders krassen Fall stellt die Inhaftierung der schwarzen trans Frau Cleo in einem Männergefängnis dar. Sie wohnte als 38-jährige trans Frau in einer Geflüchtetenunterkunft in Potsdam, bis ihr plötzlich der Mord an dem Wachmann Anwar W. ihrer Unterkunft vorgeworfen wurde und sie anschließend – basierend auf „Indizien“ – zu 12 Jahren und 8 Monaten Haft in einem Männergefängnis verurteilt wurde.

In diesem rassistischen und transphoben Prozess wurde ihr ihre Transgeschlechtlichkeit schon früh abgesprochen, es wurde von „angeborener männlicher Dominanz und Aggressivität“ gesprochen und davon, dass Cleo eine „Problemmigrantin“ sei. Videomaterial von ihr an einer Bushaltestelle, das sie entlasten sollte, wurde von der Polizei nicht gesichert. Am absurdesten: Es gibt keine Beweise, und sie hatte keine Chance, ihre Unschuld zu beweisen.

Schwarze trans Frau im Männergefängnis – „Cleo wurde als ‚Problemmigrantin’ gelabelt“

Dieser Staat schützt uns nicht!

Wenn es also darum geht, für die Rechte von und gegen Gewalt an LGBTI+ Personen zu kämpfen, dann können wir nicht auf diesen Staat vertrauen. Die Angriffe durch Polizei und Drohungen durch faschistische Kräfte dieses Jahr sind aber keine Neuheit. Bereits letztes Jahr gab es vermehrt Angriffe auf CSDs. Sie werden dieses Jahr auch wahrscheinlich nicht abnehmen, sondern im Gegenteil stärker werden.

Es ist kein Zufall, dass die faschistische Bewegung besonders dann stärker wird, wenn der Kapitalismus in der Krise steckt. Faschist:innen versuchen, Arbeiter:innen einzureden, dass LGBTI+ Personen und Migrant:innen für alle Missstände im Land verantwortlich seien, obwohl LGBTI+ Personen genauso ausgebeutet werden, im Krieg als Kanonenfutter verheizt werden sollen und unter Teuerungen leiden. Es ist der Versuch, uns als Klasse zu spalten und uns davon abzuhalten, als Klassengeschwister nebeneinander zu stehen und gemeinsam für unsere Befreiung zu kämpfen.

Die Rechtsentwicklung zeigt sich nicht zuletzt auch daran, dass die Illusion des Regenbogenkapitalismus seine Maske fallen lässt: Auf „Diversity“ und „Inklusion“ zu setzen, lohnt sich wohl nicht mehr – dutzende Konzerne in den USA streichen ihre Diversitätsprogramme, die Auswirkungen zeigen sich auch in Deutschland. Der Kölner CSD hat Schwierigkeiten mit seiner Finanzierung, weil amerikanische Konzerne wie der Autohersteller Ford die Fördermittel kürzten. Auch der Berliner CSD ist von wegbrechenden Geldern betroffen.

Die Entwicklungen der letzten Monate zeigen, wie schnell uns hart erkämpfte Reformen wieder entzogen werden können und warum der kapitalistische Staat uns Arbeiter:innen nicht retten wird. Eine Alternative müssen wir uns erkämpfen.

Der Charakter der CSDs wird sich ändern müssen

Deutlich wird: Konzerne, Polizei und Parteien wie die CDU, SPD, Grüne oder FDP handeln nicht in unserem Interesse und wir nicht in ihrem. Wenn wir uns eine Alternative erkämpfen wollen, dann dürfen wir uns nicht von ihnen abhängig machen und erst recht nicht mit ihnen zusammen laufen. Mit dem Wegbrechen von Geldern werden sich die CSDs vermehrt durch Spenden von Teilnehmer:innen finanzieren müssen.

Mit der zunehmenden Gefahr von Angriffen durch faschistische Kräfte sowie der Polizei wird es auch immer wichtiger werden, einen antifaschistischen Ausdruck auf die Straße zu tragen und darum zu kämpfen, dass CSDs überhaupt noch stattfinden können und nicht vorzeitig aufgelöst oder komplett abgesagt werden. CSD-Demonstrationen müssen wieder politische Demonstrationen werden, um LGBTI+ Rechte zu verteidigen und unsere Befreiung zu erreichen.

Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 99 vom Juni 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.

Marceline Horn
Marceline Horn
Perspektive-Autorin seit 2024. Sie lebt und studiert in Freiburg und schreibt besonders über Frauen- und LGBTI+ Kämpfe. Photographie-Fan und Waschbären-Liebhaberin.

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