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Den 8-Stunden-Tag verteidigen!

Unter dem Stichwort „Flexibilisierung“ plant die Merz-Regierung die Zerschlagung einer der größten Errungenschaften der internationalen Arbeiter:innenbewegung: den Acht-Stunden-Tag. Wenn wir nichts dagegen tun, wird sich in Zukunft unsere Lage im Kampf gegen unsere Ausbeutung deutlich verschlechtern. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.

Fleißiger sein, effizienter sein, mehr arbeiten – was seit Jahren von deutschen Kapitalist:innen und ihren Politiker:innen von uns gefordert wird, beginnt die Merz-Regierung nun offensiver als zuvor umzusetzen. Mit der Begründung, dass wir alle „unseren Wohlstand“ nur dann erhalten können  wenn wir Arbeiter:innen mehr arbeiten, plant die neue Koalition aus CDU/CSU und SPD ihre nächsten Schritte im Klassenkampf von oben.

Neben Angriffen auf die Rente und die Sozialleistungen ist das vor allem die Einführung einer maximalen Wochenarbeitszeit anstatt einer täglichen Regelarbeitszeit von acht Stunden. Im Ergebnis würde das bedeuten, deutlich über acht Stunden hinausgehende Arbeitszeiten zu normalisieren. Das ist nichts anderes als die schleichende Vorbereitung für eine immer härtere Ausbeutung!

Freiwilligkeit ist nur vorgeschoben

Noch reden Merz und Co. von einer „freiwilligen Vereinbarung“ zwischen Bossen und Arbeiter:innen. Alle Arbeiter:innen, so scheint es, können selbst wählen, ob sie mehr als acht Stunden am Tag arbeiten wollen. Doch wird es für uns eine echte Wahl geben, wenn wir mit befristeten Arbeitsverträgen ausgestattet bei der Chefin oder dem Chef sitzen und gefragt werden, ob wir uns vorstellen können, mehr zu arbeiten? Wird es eine echte Wahl geben, wenn wir nach Krankheit, Urlaub oder Schwangerschaft auf einmal von ihnen gefragt werden, ob wir die verpassten Stunden nachholen wollen?

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In der Realität wird die „Flexibilisierung“ rein gar nichts an Vorteilen für uns bringen: Auf dem Papier oder in einer Rede der Regierungspolitiker:innen mag das Wort „flexibel“ schön klingen. Tatsächlich flexibler werden aber nur die Chef:innen sein – und zwar in der Art und Weise, wie sie uns ausbeuten können. Mit der Aufweichung des Acht-Stunden-Tags bekommen sie ein weiteres mächtiges Mittel in die Hand: Wer nicht mehr arbeiten will, kann über kurz oder lang rausfliegen. Das hat nichts mit Freiwilligkeit zu tun, das ist Erpressung.

Unsere Errungenschaften kamen nicht von selbst

Der Achtstundentag ist für uns Arbeiter:innen nicht vom Himmel gefallen, er wurde hart erkämpft. Durch Streiks und Aufstände konnte sich die internationale Arbeiter:innenbewegung von der ersten Erkämpfung des Achstundentags durch Bauarbeiter in Melbourne im Jahr 1856 bis zum fünf Monate langen Streik für kürzere Arbeitszeiten der Textilarbeiterinnen im sächsischen Crimmitschau 1904 und 1905, von den Haymarkt Riots im Jahr 1886 in Chicago bis zum „Blutmai” 1929 in Berlin dieses Recht sichern.

In dem Moment, als die deutschen Kapitalist:innen schwach und zu großen Zugeständnissen bereit waren um die Ordnung in Deutschland zu sichern, wurde der Achtstundentag 1918 zum Gesetz: Im sogenannten Stinnes-Legien-Abkommen nach dem Ersten Weltkrieg gingen die Vertreter:innen deutscher Großkonzerne endlich auf die Forderungen der Arbeiter:innen ein.

Und heute? Laut aktueller Umfragen hat die große Mehrheit der Deutschen kein Problem mit einer Aufweichung des Achtstundentags. Es sei zeitgemäß und modern selbstständig über die eigene Arbeitszeit zu entscheiden heißt es dann oft. Statt die Zeichen der Zeit zu erkennen hängen die meisten deutschen Arbeiter:innen offenbar weiterhin der Illusion nach, sich ein ruhiges, selbstbestimmtes und friedliches Leben machen zu können.

Den 8-Stunden-Tag verteidigen

Dabei hat Merz keinen Zweifel daran gelassen, warum wir alle „effizienter“ werden müssen: Der deutsche Imperialismus dümpelt nicht mehr in ruhigen Gewässern, sondern macht sich bereit für eine stürmische Fahrt, macht sich bereit für Konfrontationen mit den anderen imperialistischen Mächten, macht sich bereit für die Neuaufteilung der Welt. Die deutsche Wirtschaft muss im Turbo-Tempo flott gemacht werden, es wird massenhaft aufgerüstet.

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Dass Merz uns nicht alle sofort zehn oder zwölf Stunden am Tag zur Arbeit schickt hat vor allem seinen Grund, dass sich Deutschland größere Unzufriedenheit in der eigenen Bevölkerung momentan nicht leisten will. Doch die Zeiten werden kommen, in denen das anders sein wird. Wenn wir heute die Aufweichung des Achtstundentags begrüßen, werden wir in einigen Jahren vor der Situation stehen, dass wir alle mehr arbeiten müssen – ohne Ausgleich, ohne Bonus.

Solange die Kapitalist:innen herrschen – soviel ist klar -, werden sie versuchen, aus uns Arbeiter:innen so viel herauszupressen wie es nur geht. Als Sozialist:innen ist es unsere Aufgabe heute auch in Deutschland klar zu machen, worum es geht: um die Verhinderung weiterer Ausbeutung und Unterdrückung und den Kampf für eine Gesellschaft, in der unsere Arbeitszeit nicht für die Gewinnmaximierung der Kapitalist:innen verwertet, sondern zu unserem eigenen Wohl aufgewendet wird. Und für eine solche Gesellschaft lässt es sich besser kämpfen, wenn wir nicht zehn oder zwölf Stunden Arbeit am Tag in den Knochen haben.

Mohannad Lamees
Mohannad Lamees
Seit 2022 bei Perspektive Online, Teil der Print-Redaktion. Schwerpunkte sind bürgerliche Doppelmoral sowie Klassenkämpfe in Deutschland und auf der ganzen Welt. Liebt Spaziergänge an der Elbe.

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