Die Welle von Einschüchterung und aktiven Angriffen auf CSD-Veranstaltungen zieht sich mittlerweile durch ganz Deutschland. Die Bedrohung für LGBTI+ wird immer konkreter, wie nun auch im Fall von Emden.
Den Aufstieg des Faschismus und auch aktionsorientierter faschistischer Banden bekommen LGBTI+ Personen derzeit besonders stark zu spüren. Nach dem Angriff einer vermummten Gruppe von Neo-Nazis auf eine Kundgebung in Bad Freienwalde kam es am gleichen Wochenende zu einem Angriff auf mehrere Pride-Teilnehmer:innen in Emden, Niedersachsen.
Nach einem friedlichen Verlauf der Pride-Marsches, für den zum ersten Mal ein Sicherheitskonzept existierte, gab es nach der Demo auf dem Neuen Markt einen Übergriff gegen einen 31-jährigen Teilnehmer mit einer Puppy-Maske. Der Träger der hundeähnlichen Kopfbedeckung wurde von Jugendlichen gefilmt und hat sie daraufhin angesprochen. Diese reagierten mit Gewalt, zogen dem Pride-Teilnehmer die Maske vom Kopf, schlugen und traten auf ihn ein. Eine weitere Person, die ihm zur Hilfe kam, wurde weg geschubst.
Stellen wir uns dem Nazi-Terror entgegen wie in Bad Freienwalde!
Angriff trotz Polizeischutz
Es ist bei weitem nicht der erste Angriff auf eine CSD-Veranstaltung in diesem Jahr: Zuletzt attackierte eine vermummte, bewaffnete Bande in Bad Freienwalde eine Kundgebung unter dem Motto „Bad Freienwalde ist bunt!“ und verletzte mehrere Teilnehmer:innen. Auch die Drohungen gegen Pride-Veranstaltungen nehmen immer weiter zu. In Nordrhein-Westfalen kam es deshalb vor kurzem mehrfach zu Einschränkungen oder gar Absagen wegen der faschistischen Bedrohungslage.
Teilnehmer:innen kritisierten in allen Fällen immer wieder die unzureichende Unterstützung der Polizei, die solche Angriffe und Einschüchterungen möglich macht. In Bad Freienwalde beispielsweise war die Polizei gar nicht erst vor Ort, und auch in NRW waren die Beamt:innen scheinbar nicht willens, die Veranstaltung vor der gestiegenen Bedrohungslage zu schützen.
CSDs verteidigen – Gegen Repression und faschistische Angriffe
In Emden gab es in Reaktion nun ein deutlich strikteres Schutzkonzept: die Polizei sollte den Aufzug von allen Seiten absichern. Der Organisator lobte sogar die Zusammenarbeit mit den Ordnungshüter:innen und erklärte: „Wir haben uns total sicher gefühlt“. Wie es trotz des Sicherheitskonzepts zu den Angriffen kommen konnte, bleibt unklar.
Am Mittwoch erklärte die Polizei dann, dass man drei minderjährige Tatverdächtige identifiziert habe und der Staatsschutz nun ermittle. Warum man trotz eines allseitigen Polizeischutzes nicht direkt vor Ort eingreifen und erst Tage später die Angreifer:innen identifizieren konnte, wirft ebenfalls Fragen auf. Die Polizei sprach zunächst von einem unklaren Motiv, während bereits ein Video der Tat mit dem Titel „Homos kassieren“ in den sozialen Medien kursierte. Aktivist:innen, die im Kontakt mit den Angegriffenen stehen, sprechen ebenfalls klar von einem queerfeindlichen Übergriff.
Selbstschutz statt Polizeischutz
Die Fälle zeigen erneut auf, dass die Gewalt gegen LGBTI+ Menschen zunimmt und versucht wird, diese einzuschüchtern und von der Straße zu drängen. Auch wirft der Angriff in Emden erneut Sorgen bezüglich der Sicherheit von Demonstrierenden auf und der Fähigkeit der Polizei, diese wirkungsvoll zu schützen.
Mit CSD Verteidigen wurde inzwischen eine Initiative geschaffen, die versucht, die Frage der Sicherheit unter den aktuellen Bedingungen zu beantworten: Mit einer Aktionsplattform wird zur Gründung von Selbstschutzstrukturen aufgerufen. Es solle nicht dem Staat oder Zufall überlassen werden, ob LGBTI+ angesichts der Bedrohungen sicher durch den Pride Month kommen, sondern diese sollen sich selbstbestimmt schützen.