Der Bundestag hat die Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre beschlossen. Union, SPD und AfD stimmten dafür. Einzelne SPD-Politiker:innen stellen sich als Opfer der „Realpolitik“ dar. – Ein Kommentar von Anna Müller.
Der neue Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte bereits mehrfach an, die Migration senken zu wollen. Die Aushöhlung des Asylrechts, die schon unter der Ampel-Regierung auf der Agenda stand, wird von der neuen Regierung fleißig weiter fortgeführt.
Dobrindts Einstellung zeigt sich nochmal besonders in der Rhetorik: Straffällige Migrant:innen hätten die Möglichkeit, sich zwischen „Haft und Heimflug“ zu entscheiden, und die „Express-Einbürgerung“ solle auch abgeschafft werden. Daneben war ihm auch die nun beschlossene Aussetzung des Familiennachzugs ein Anliegen.
Über 6.000 Abschiebungen im Quartal – Dobrindt will „Haft oder Heimflug“
Dabei sollen nahe Angehörige von subsidiär Schutzberechtigten kein Recht mehr haben, nach Deutschland nachzukommen. „Subsidiär Schutzberechtigte” sind Personen, die zwar nicht im rechtlichen Sinne als Flüchtlinge anerkannt werden, in ihrem Heimatland aber dennoch von beispielsweise Verfolgung, Folter oder dem Tod bedroht sind. Das trifft auf viele Menschen zu, die aus Kriegsgebieten fliehen.
Zu den nahen Angehörigen gehören hier Ehegatt:innen, eingetragene Lebenspartner:innen, Eltern und minderjährige, ledige Kinder. In Zukunft soll das Nachziehen nur noch in Härtefällen – beispielsweise bei unbegleiteten Minderjährigen oder lebensbedrohlichen Erkrankungen – erlaubt sein.
Nachdem die Regierung im Jahr 2016 den Familiennachzug aussetzte, wurde er am 1. August 2018 wieder eingeführt – mit der Auflage, dass monatlich nicht mehr als 1.000 Personen durch diese Regelung nach Deutschland einreisen.
Rassistisch – aber mit Bauchschmerzen
Die Diskussion um diesen Beschluss wurde sehr emotional geführt: Einige Sozialdemokrat:innen hielten Reden darüber, dass der Familiennachzug erhalten bleiben müsse und wichtig für Geflüchtete sei, um sich allseitig zu integrieren. Im Anschluss stimmten sie dennoch gegen die von ihnen vertretene Position. Lediglich zwei SPD-Politiker:innen stimmten gegen das Aussetzen für die nächsten zwei Jahre.
Die SPD-Politikerin Rasha Nasr stimmte dafür. Sie berichtet auf Instagram darüber, wie emotional und zerreißend die Entscheidung für sie war. Sie sehe ihre Entscheidung inhaltlich als falsch an, aber betont ihre Verantwortung „für die Verlässlichkeit der Koalition und die Stabilität unserer Demokratie“. Ansonsten würde laut ihr ja die AfD regieren und das wäre erheblich schlimmer.
Auch die Integrationsbeauftragte Natalie Pawlik spricht davon, wie schwer es Leuten aus den Reihen der SPD fiel, diese Entscheidung mitzutragen. Doch mit 444 zu 135 Stimmen war das Ergebnis klar.
Die Grünen, die in der letzten Regierung maßgeblich am Erlass rassistischer Gesetze beteiligt waren, zeigten sich wie auch die Linkspartei schockiert von dem Vorgehen. Das Aussetzen des Familiennachzugs sei „grausame Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten“, so Linken-Fraktionschefin Clara Bünger.
Mit Zuckerbrot und Peitsche: Eine Reise durch die Migrationspolitik der Ampel
AfD zeigt sich empört
Auch aus Reihen der AfD hagelt es Kritik – jedoch aus ganz anderen Gründen: Der AfD-Innenpolitiker Christian Wirth z.B. fordert, dass es noch härtere Regelungen brauche. Und der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann kritisierte, die Union hätte viele Punkte der AfD einfach übernommen, um den Entwurf der Regelung zu verfassen.
Diese Kritik seitens der faschistischen Partei zeigt auf, in welche Richtung die Regierung in ihrer Migrationspolitik steuert – immer weiter nach rechts. Noch während der Ampel-Koalition wurden schon Regelungen durchgesetzt, die man vor einigen Jahren noch ganz klar der AfD zugeordnet hätte. Der rassistische Normalzustand wird weiter verfestigt, unter dem Vorwand, dies würde die Demokratie stärken.
Hier lässt sich klar erkennen, dass man sich eben nicht auf unsere Stellvertreter:innen im Parlament und ihre Wahlversprechen verlassen kann. Denn für diejenigen Menschen, die auf den Familiennachzug angewiesen sind, ändert die Gefühlslage der Politiker:innen bei der Abstimmung nichts – auch wenn diese sich dabei selbst als Opfer inszenieren.