Zeitung für Solidarität und Widerstand

Frankreich: 131 Frauen bei Musikfestival angegriffen

Bei einem Musikfestival in Frankreich wurden 131 Frauen von Unbekannten mit Spritzen angegriffen. Zuvor riefen Männer öffentlich zu den Straftaten im Internet auf. Patriarchale Gewalttaten sind dabei keine Neuheit, weder auf Festivals noch im Alltag.

Begonnen als Straßenfest in Paris 1982 ist das Fête de la Musique mittlerweile zum größten Musikfestival der Welt angewachsen. Jedes Jahr treten traditionell am 21. Juni hunderte neue Musiktalente unter freiem Himmel auf und tausende Menschen versammeln sich in 120 Ländern, um zu ihrer Musik zu tanzen und eine gute Zeit zu haben. Allein 2022 wurde das Fest in rund 1.300 Städten weltweit gefeiert. Dieses Jahr machen aber nicht die Music Acts oder Besucherzahlen die Schlagzeilen, sondern patriarchale Gewalttaten gegen Frauen.

„Needle-Spiking“-Angriffe auf Frauen im ganzen Land

Auch in Frankreich fand am 21. Juni das bekannte Musikfest statt. Im Laufe des Wochenendes meldeten sich immer mehr Frauen bei der Polizei und berichteten von Stichverletzungen und Beschwerden wie Schwindel und Übelkeit. Insgesamt sind den französischen Behörden aktuell 131 offizielle Fälle von Angriffen mit spitzen Gegenständen gemeldet worden. Allein in Frankreichs Hauptstadt Paris wurden 13 Frauen Opfer der Angriffe. Drei von ihnen mussten ins Krankenhaus gebracht werden.

Das Verabreichen von Beruhigungsmitteln oder Drogen wie Ecstasy und K.O.-Tropfen über spitze Gegenstände nennt sich „Needle-Spiking“ und ist keine Neuheit. Die ersten Fälle sind 2021 in Großbritannien gemeldet worden. Bereits 2022 gab es in Frankreich dann die erste Welle solcher Angriffe. Auch in Deutschland sind Fälle von „Needle-Spikings“ bekannt, wie die junge Studentin Alison Lewis 2022 nach einem Clubbesuch in Berlin in einem Interview berichtete.

Bisher ist noch unklar, welche Toxine genau verabreicht wurden. Doch auch in der Vergangenheit war es bei solchen Angriffen schwierig, die genauen Substanzen auszumachen. Viele der „gängigen“ zur Durchführung von sexualisierter Gewalt missbrauchten Substanzen wie GHB – allgemein als K.O.-Tropfen bekannt – sind nämlich bereits nach wenigen Stunden schon nicht mehr nachweisbar.

Festival-Saison: Im Rausch dem System entkommen?

Patriarchale Gewalt – Alltag für Frauen

Bereits im Vorhinein hatten Männer zu den Angriffen öffentlich im Internet aufgerufen. Infolge der Angriffe wurden nun 14 Männer festgenommen, die im Verdacht stehen, bei den Musikveranstaltungen Frauen mit Nadeln und Spritzen angegriffen zu haben. Gleichzeitig sind viele von ihnen noch auf freiem Fuß.

Dass es sich bei den bisherigen Tätern ausschließlich um Männer und bei den Opfern ausgerechnet um Frauen handelt, ist dabei kein Zufall. Denn Gewalt an Frauen durch Männer ist in der vom Patriarchat geprägten Gesellschaft, in der wir leben, Alltag. Erst letztes Jahr gab das Bundeskriminalamt in seinem Lagebild „geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteter Straftaten“ bekannt, dass 2023 insgesamt 360 Frauen Opfer eines Femizids wurden, also dem Mord aufgrund ihres Geschlechts.

Fast jeden Tag ein Femizid – Warum der Staat das Problem nicht lösen wird

Täter werden in diesem System geschützt

Nur die wenigsten solcher Gewalttaten werden jedoch tatsächlich vor Gericht gebracht und noch seltener kommt es zu rechtskräftigen Verurteilungen der Täter. Die Opfer werden in die Verantwortung gezogen, die Schuld des Täters zu beweisen. Meistens werden diese dann aufgrund „fehlender Beweise“ freigesprochen.

Erst vor kurzem sorgte der Fall von Gisèle Pelicot für größere Proteste gegen patriarchale Gewalt in Frankreich. Gisèle wurde von ihrem damaligen Ehemann über mehrere Jahre hinweg betäubt, vergewaltigt und anderen Männern zum Sex angeboten. Die Bilder der Vergewaltigungen wurden anschließend auf einer Website hochgeladen.

Den Behörden war diese Website bereits seit Langem bekannt. Doch erst ein homophober Mord, der 2024 mithilfe der Webseite organisiert wurde, führte zu ihrer Abschaltung, nicht jedoch die zahlreichen anderen Straftaten, die über Jahre hinweg öffentlich zur Schau gestellt wurden.

So etwas führt nicht nur dazu, dass Opfer patriarchaler Gewalt im Stich gelassen werden. Täter werden durch ein solches (Nicht-)Vorgehen aktiv geschützt und fühlen sich sicher genug, um auch unter freiem Himmel mit hunderten Menschen Angriffe auf Frauen durchzuführen. Denn sie fühlen sich nicht nur sicher, sie sind es in diesem System auch.

Frankreich: Verurteilungen im Fall Pelicot

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!