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G7-Gipfel: Westbündnis am Ende?

Das Gipfeltreffen der sechs größten westlichen imperialistischen Länder und Japans wurde vom Israel-Iran-Krieg überschattet. Die G7-Staaten brachten dennoch Positionspapiere hervor. US-Präsident Trump reiste bereits am ersten Tag ab. Die Zukunft des Bündnisses: unklar.

Machtspielchen gegen ein überholtes Format? Erst forderte US-Präsident Donald Trump in Kanada mehrfach öffentlich die Wiederaufnahme Russlands in das G7-Format. Dann reiste er bereits nach dem ersten Gipfeltag abrupt ab — er hätte Wichtigeres zu tun, wie er bekannt gab.

Als Frankreichs Präsident Emmanuel Macron später gegenüber der Presse äußerte, Trump arbeite an einem Waffenstillstand zwischen Israel und dem Iran, sah dieser sich zu einer Klarstellung genötigt: Macron sei bloß auf öffentliche Aufmerksamkeit aus. Was er in Washington vorhabe, sei „viel größer als das“, so der US-Präsident auf seinem Social-Media-Kanal Truth Social. Was er damit meinen könnte, muss erst einmal Spekulation bleiben.

Bundeskanzler sieht Gipfel als Erfolg

Der Abgang des US-Präsidenten mag sich dadurch relativieren, dass er schon während seiner ersten Amtszeit wenig Wert auf die Teilnahme an ganzen G7-Gipfeln gelegt hatte. Ebenso hatte er auch schon früher die Wiedereinbeziehung Russlands gefordert. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) beeilte sich dann auch, den Gipfel am Dienstagabend gegenüber der Presse als produktiv zu verkaufen. Dieser sei „erfolgreicher“ gewesen, als er angesichts des Kriegs zwischen Israel und dem Iran gedacht habe, so Merz.

In der Tat konnten sich die G7-Staaten in Kanada auf eine Reihe von gemeinsamen Positionspapieren einigen, darunter zu den Themen Migration, Künstliche Intelligenz und Rohstoffhandel. Zum Krieg zwischen Israel und Iran vereinbarten die Staaten des Bündnisses eine Formulierung, die Iran als „die Hauptquelle regionaler Instabilität und des Terrors“ bezeichnete und Israels Recht auf Selbstverteidigung betonte. Iran dürfe zudem niemals in den Besitz einer Atomwaffe gelangen. Auch die USA trugen die Erklärung mit.

Israel und Iran: Hunderte Tote, weitere Eskalation denkbar

Etwas anders lief es beim Thema Ukraine-Krieg. Trump, der Russlands Präsident Wladimir Putin gerne in Kanada dabei gehabt hätte, wollte sich nicht auf eine schriftliche Erklärung einlassen, in der sich die G7-Staaten zu einer uneingeschränkten militärischen Unterstützung der Ukraine verpflichten. Trump hatte außerdem in Kanada vor Milliardenkosten für die USA gewarnt, sollten diese schärfere Sanktionen gegen Russland verhängen. Merz dagegen zeigte sich jedoch auch hier vorsichtig optimistisch.

Symbolisch passte vor diesem Hintergrund dazu, dass Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kananaski durch seine Abreise versetzte. Eigentlich war ein Treffen zwischen beiden Staatsoberhäuptern geplant gewesen.

G7-Format vor ungewisser Zukunft?

Auch wenn Kanzler Merz eine sehr kollegiale, offene und „an keiner Stelle konfrontative“ Atmosphäre des Gipfels betonte, stellt sich die Frage, ob das G7-Format als Bündnis der größten westlichen imperialistischen Mächte und Japans mit der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps nicht vor dem Ende steht.

Bereits in den ersten Wochen nach ihrer Amtsübernahme hat die Trump-Regierung entschiedene Schritte hin zur Errichtung einer neuen internationalen Ordnung unternommen. Dazu gehörten die Erklärungen des US-Präsidenten, künftig Gebietsansprüche auf den Panama-Kanal, das zu Dänemark gehörende Grönland und sogar das Nachbarland Kanada zu erheben. Der schrittweise Rückzug der USA aus Europa ist zudem bereits seit Barack Obama beschlossene Sache und wird von Trump durch seine Annäherungspolitik an Russland nur radikalisiert.

Vor diesem Hintergrund könnten aus den G7-Gipfeln künftig entweder faktische G6-Gipfel werden, nämlich wenn sich die USA ganz oder teilweise aus dem Format zurückziehen. Oder aber es werden daraus G8-Gipfel mit Russland bzw. G9-Gipfel mit China, wenn Trump mit seiner Position wirklich Ernst macht. Die zweite Option erscheint dabei heute um ein Vielfaches unrealistischer als die erste. In jedem Fall zeichnet sich aber ab, dass das wichtigste imperialistische Bündnis der Welt in naher Zukunft seinen Charakter verändern könnte.

Kommt eine neue politische Weltordnung?

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