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Gleichberechtigt in den Schützengraben? – Warum Militarismus keine Emanzipation bringt

Die Wehrpflicht soll für alle Geschlechter gelten. So sieht es auch die Herausgeberin des feministischen Missy-Magazins und meint, Feministinnen müssten nun mal ebenfalls die Demokratie verteidigen. Wie uns der bürgerliche Feminismus im Kampf gegen den Krieg in eine Sackgasse führt. – Ein Kommentar von Tabea Karlo.

„Warum sollte mein Sohn sein Leben riskieren müssen – und meine Tochter nicht?“, so endet der Gastbeitrag der Mitgründerin und Herausgeberin des feministischen Missy-Magazins, Stefanie Lohaus, im Spiegel.

In diesem erörtert sie, warum es trotz aller Widersprüche heute auch die Aufgabe der Frauen sein müsse, die Demokratie mit der Waffe zu verteidigen, und warum man sich folgerichtig für eine Wehrpflicht für alle Geschlechter einsetzen sollte. Dass die Wehrpflicht früher oder später notwendig wird, sieht die feministische Ikone Lohaus als gesetzt.

Überwindung des Pazifismus

Sie geht dabei klug vor. Denn sie ist sich durchaus bewusst, dass auch der bürgerliche Feminismus eine gewisse pazifistische Tradition hat: Statt mit dieser direkt zu brechen, strickt sie ein verqueres argumentatives Netz. Das läuft am Ende darauf hinaus, alle gängigen Argumente gegen eine Wehrpflicht kurz aufzunehmen und dann auf einer oberflächlichen Ebene zu entkräften.

So kann ihr niemand vorwerfen, sie habe nicht über die Brutalität des Krieges gesprochen, über patriarchale Geschlechterrollen im Militär oder darüber, wie Frauen in der Bundeswehr sexualisierte Gewalt erleben. Am Ende ändere das aber nichts daran, dass man die Demokratie verteidigen müsse und dass dafür auch Frauen in der Pflicht stünden.

Was sagen Frauen zur Wehrpflicht für Frauen? 

Folgt man Lohaus Worten, könnte man am Ende fast meinen, die Wehrpflicht wäre für Frauen eine Chance, sich aus dem Würgegriff der unbezahlten Haus- und Sorgearbeit zu befreien. Zu alldem kommt eine Prise bürgerlicher „Gerechtigkeitssinn“ hinzu: warum solle der eigene Sohn an der Waffe sein Leben riskieren, die Tochter aber nicht.

Lohaus zeigt sich kritisch gegenüber dem „Militarismus“ und empathisch für pazifistische Positionen. Und doch positioniert sie sich klar hinter Militaristen wie dem Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) oder dem Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer. Das Gefährliche ist die Position, aus der heraus sie das tut.

Lohaus rennt den Militaristen hinterher

Lohaus ist bekannt als feministische Vordenkerin. Sie erreicht damit junge Frauen – vor allem diejenigen, welche die Wehrpflicht kritisch sehen, sich vielleicht sogar selbst als links verstehen. Sie gibt sich kritisch, ist es aber letztlich doch nicht, und erreicht damit eine Zielgruppe, die Männern wie Pistorius und Breuer sonst unerschlossen bleiben würde. Damit erfüllt sie für die Militarisierung eine extrem wichtige Rolle, nämlich die kritischen Teile der Massen zu integrieren.

Um das Ziel zu erreichen, junge Frauen hinter der Militarisierung zu versammeln, werden verschiedene Mittel genutzt: Scheinbares Verständnis, Empathie und die Moralisierung der Mutterrolle auf der einen Seite. Auf der anderen Seite werden in dem Artikel auch rhetorische Sprachtricksereien angewandt.

Es werden beispielsweise immer wieder Fragen aufgeworfen, die Annahmen enthalten, die nicht begründet oder hinterfragt werden. Kurz gesagt, Lohaus führt uns zu Annahmen, die voraussetzen, dass wir eine vorher von ihr formulierte Meinung und vermeintliche Realität bereits anerkannt haben, als ob diese nicht hinterfragbar wäre.

Das verzerrt die Debatte, weil die eigentliche Grundsatzfrage übersprungen wird: Zum Beispiel, dass die „Demokratie“ in diesen heutigen Zeiten nur über Aufrüstung verteidigt werden könne, dass es sich überhaupt um einen Krieg/Aufrüstung in unserem Sinne handle oder dass man sich in der Frage der Wehrpflicht entscheiden müsse, ob nur Männer oder beide Geschlechter eingezogen werden sollen. Die Option, dagegen zu sein, kann es dann eigentlich gar nicht mehr geben.

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Diese „Sprachtricks“ wirken zunächst banal. Zu lernen, sie zu erkennen, ist aber elementar, wenn man sich in Zeiten der immer stärkeren Kriegspropaganda orientieren will.

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Gerade aber die Fragen, die Lohaus gerne überspringt, beziehungsweise als bereits geklärt voraussetzt, sind dabei die grundsätzlichen und elementaren: Denn trotz allem, was uns Pistorius, Breuer, Lohaus und Co. derzeit erzählen möchten, ist ein Krieg und schon die Vorbereitung auf ihn nicht in unserem Interesse. Die Legende, dass nur die „abschreckende“ Aufrüstung einen Krieg verhindern könne, ist historisch ins genaue Gegenteil widerlegt. Und zwar dahingehend, dass massive Aufrüstung in der Regel das Vorzeichen gewaltiger Kriege ist.

Lohaus hat recht, dass eine Wehrpflicht vorbereitet wird. Aber dass uns deshalb nur die Option bleibe, zu entscheiden, welche Geschlechter darin eine Rolle spielen sollen, ist Quatsch. Natürlich können wir gegen die Wehrpflicht sein – und das sollten wir auch.

Ein anderer entscheidender Punkt ist die Frage der „Emanzipation“. Wird die stärkere Integration von Frauen ins Militär unsere Lebensqualität und Stellung in der Gesellschaft verbessern? Die einfache Antwort auf diese Frage ist: Auf gar keinen Fall!

Der erste Teil der Antwort ist offensichtlich: Krieg verschlechtert, gelinde gesagt, die Lebensqualität aller Teile der Bevölkerung insgesamt, so auch die der Frauen. Der zweite Teil der Antwort ist ähnlich einfach, denn die meisten von Lohaus „Argumenten“ sind Strohmänner.

Es gibt keinen Grund, der Annahme zu folgen, dass Frauen weniger Haus- und Pflegearbeit leisten würden, wenn sie ins Militär integriert werden. Dass Lohaus hier mit „Lebenszeit“, die Frauen durch unbezahlte Hausarbeit verlieren, argumentiert, grenzt an Zynismus: Im Krieg verlieren Frauen im vielen Fällen nicht nur Lebenszeit, sondern gleich ihr ganzes Leben.

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Bei ihrem Argument, dass Frauen in Preußen nicht wählen durften, weil die allgemeine Wehrpflicht nur für Männer galt, wird es – wie die junge Leute sagen würde – „komplett wild“: Erstens ist es, diese Annahme so verkürzt in den Raum zu stellen, extrem unwissenschaftlich. Zweitens will Lohaus damit indirekt das Bild hervorrufen, dass Frauen ihre erkämpften Rechte verlören, wenn sie nicht zustimmten, Teil des Militärs zu werden. Damit stellt sie letztlich in den Raum, dass die einzige Möglichkeit, die eigenen Rechte zu bewahren, darin bestehet, auf das „Recht“, nicht im Krieg zu sterben, zu verzichten.

Diese Argumentationskette könnte man ewig so weiterführen, doch die Kernaussage ist klar: Frauen, lasst euch nicht verarschen! Aufrüstung schützt euch nicht. Krieg ist nicht in eurem Interesse! Und Gleichberechtigung und Freiheit finden wir nicht im Missy-Magazin, sondern dann, wenn wir für eine Welt ohne Kriege kämpfen.

Tabea Karlo
Tabea Karlo
Perspektive-Autorin seit 2017. Berichtet schwerpunktmäßig über den Frauenkampf und soziale Fragen. Politisiert über antifaschistische Proteste, heute vor allem in der klassenkämperischen Stadtteilarbeit aktiv. Studiert im Ruhrpott.

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