Nach der sogenannten Maskenaffäre von Jens Spahn wurden ministeriumsinterne Untersuchungen eingeleitet. Die neue Gesundheitsministerin der CDU hält das Dokument unter Verschluss – wohl um ihren Parteikollegen zu schützen. Teile des entstandenen Papiers sind nun dennoch durchgesickert. – Ein Kommentar von Pedro Neruda.
Zu Hochzeiten der Coronapandemie bestellte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn allerlei Schutzausstattung in astronomischen Mengen. Besonders gefragt: Masken. Ein großer Teil dieser sollte später verbrannt werden und einen Schaden für den Staat von fast sechs Milliarden Euro hinterlassen.
Grund dafür war unter anderem, dass sich Spahn über die Empfehlung seines eigenen Ministeriums hinweg setzte und den Preis für die Masken auf 4,50 Euro pro Stück festlegte. Die Preisempfehlung des eigenen Ministeriums lag bei 2,50 Euro pro Maske. Das sorgte dafür, dass das Gesundheitsministerium von Aufträgen überschwemmt wurde. Viele bereits vergebenen Aufträge mussten wieder storniert werden. Viele der Unternehmen verklagten daraufhin den Staat, da das Gesundheitsministerium ihnen bereits feste Aufträge zugestanden hatte.
Nur 15 Prozent von Spahns versprochenen Atemmasken stehen zur Verfügung
Der auf Jens Spahn folgende Gesundheitsminister Karl Lauterbach leitete später Untersuchungen ein. Die Sonderermittlerin Dr. Margaretha Sudhof erarbeitete ein 170 Seiten langes Papier, das von Spahns Parteikollegin Nina Warken aktuell unter Verschluss gehalten wird. Die veröffentlichten Teile bieten jedoch bereits einen detaillierteren Einblick in die Rolle des jetzigen Fraktionsvorsitzenden der Union und seine Rolle rund um den Korruptionsskandal.
Emix auf Empfehlung der Parteikollegin
Ein Kläger ist die Firma Pure Fashion Agency. Nach Telefonaten mit dem Firmen-Chef schrieb Spahn damals in einer E-Mail, die aus der Klage und dem Papier von Sudhof hervorgeht: „Ja. Transport klären wir dann. Jetzt will ich erst mal rechtlich verbindlich das Zeug ;​-) So, bin jetzt vorerst raus hier, praktischen Rest mit meinen Leuten klären. Danke!“
Die Firma reichte später eine Klage in Höhe von 287 Millionen Euro für die Masken ein – plus Zinsen. Denn mit dieser Nachricht soll Spahn die Masken endgültig bestellt haben, bevor der Auftrag vom Ministerium wieder storniert wurde.
Bemerkenswert ist dieser Fall jedoch besonders, weil gleichzeitig das Schweizer Unternehmen Emix vom Gesundheitsministerium einen Auftrag für rund eine Milliarde Euro an Schutzartikeln bekam. Der Preis für Masken wurde dabei auf über 5 Euro festgelegt – anstelle der 4,50 Euro wie bei den anderen Herstellern und den 2,50 Euro, die vom Ministerium empfohlen wurden.
Vermittelt wurde die Firma über das Werbeunternehmen von Andrea Tandler, der Tochter des ehemaligen CDU-Finanzministers Gerold Tandler. Diese setzte sich mit der Europaabgeordneten Monika Hohlmeier (CSU) in Verbindung, die wiederum auf Spahn zuging. Am Ende sprang dann eine üppige Provision von 5 bis 7,5 Prozent für Tandlers Unternehmen raus.
Legaler Betrug
Der Preis für Masken lag nun also bei weit über 5 Euro pro Stück. Die Produktionskosten solcher Masken liegen übrigens – je nach Produktionstyp – bei 7 bis 24 Cent. Gut, man erwartet bei dem Preis immerhin besonders gute Masken. Doch es sollte anders kommen. Von den 96 Millionen gelieferten Masken waren laut TÜV-Hochrechnungen 48 Prozent der FFP2 Masken und 40 Prozent der OP-Masken mangelhaft.
Spahn, Tandler und andere Politiker:innen, die sich durch ähnliche Empfehlungen an den Masken bereicherten, wurden hierfür nicht verurteilt. Ihre Masche war völlig legal.
Was nun dazu kommt, ist ein zweiter Skandal um Spahns Rolle in der Auswahl des verhältnismäßigen kleinen Lagerunternehmens Fiege aus dem Münsterland. Diese haben ihren Hauptsitz in einem Nachbarwahlkreis von Jens Spahn. Für Spahn schien das Grund genug zu sein, nicht zu warten, bis das zuständige Innenministerium für die Unterbringung der Masken sorgt.
Spahn ignorierte Warnungen vor Überlastung und schloss kurzerhand selbst Verträge ab. Schon vor offiziellen Entscheidungen waren Lieferverträge mit Fiege als Adresse versehen. Bald zeigte sich jedoch, dass Fiege überfordert war und die Konzerne DHL und Schenker einspringen mussten.
Vertuschung und Heuchelei
All das lässt sich auf nur 13 Seiten des Papiers von Dr. Sudhof nachvollziehen. Das lässt vermuten, was auf den anderen 157 Seiten zu finden ist und die Gesundheitsministerin Warken dazu veranlasst, den Bericht geheim zu halten. Möglicherweise schützt sie die Karriere ihres Parteikollegen Spahn vor einer noch größeren Blamage, als es die Maskenaffäre ohnehin schon ist.
Besonders bitter stößt einem auf, dass der Politiker, der sich keine Gelegenheit entgehen lässt, Hetze über die vermeintlich nicht stemmbaren Kosten des Bürgergelds zu verbreiten, und deren Kürzung fordert, selbst Milliarden verschleudert.
Weiterreichende Konsequenzen für Spahn bleiben jedoch erst mal aus. Korrupte und völlig mit der Wirtschaft verflochtene Politiker, die im Interesse von Konzernen handeln, sind im Kapitalismus kein Fehler im System, sondern fester Bestandteil. Das hat Spahn während der Corona-Pandemie offen zur Schau gestellt. Dafür reichen auch schon 13 Seiten.