Hüpfburgen, Kinderschminken, Live-Musik, Essen und Bier: Was viele mit Schützenfest oder Rummel verbinden, wird zum Lockmittel der Kriegstreiber:innen. Der erste offizielle „Veteranentag” der BRD bietet vom Jahrmarktserlebnis bis zum Gedenken an Weltkriegsverbrecher und militaristische Propaganda alles, was das Herz begehrt. – Ein Kommentar von Anna Müller.
Mit vergünstigten Piercings und Tattoos wirbt der Veteranentag im bayerischen Cham, anderswo will man überzeugen mit Fahrrad- und Motorradtouren, Wanderungen, dem ersten Veteranen-Open-Air, Veteranen-Kegeln, Frühschoppen oder Weißwurstfrühstück. Doch welche Intention wird mit diesem neu eingeführten Tag verfolgt? Und welche anderen Werbetage für Krieg gibt es noch?
Veteranendebatte
Nach langer Debatte darüber, was Veteran:innen eigentlich sind, wurde am 25. April 2024 beschlossen, einen Nationalen Veteranentag einzuführen. Dieses Jahr findet er am 15. Juni in Berlin statt. Als Veteran:in gilt nun offiziell, „wer als Soldatin oder Soldat im aktiven Dienst steht oder aus dem Dienstverhältnis ehrenhaft ausgeschieden ist, also den Dienstgrad nicht verloren hat. Nach dieser Definition zählt Deutschland rund zehn Millionen Veteraninnen und Veteranen“ anstatt der deutlich kleineren Anzahl von 400.000 Soldat:innen, die seit 1990 in Auslandseinsätzen waren.
Mit großer Mehrheit wurde im Bundestag somit ein Grundstein für die Erfüllung der Verteidigungsrichtlinien aus dem Jahr 2023 gelegt. Diese besagen: „Die Bundeswehr wird […] den wechselseitigen und kontinuierlichen Austausch mit der Gesellschaft weiter pflegen und das Verständnis dafür fördern, dass Wehrhaftigkeit zum Schutz Deutschlands eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Eine aktive, auch von der Gesellschaft getragene Veteranen- und Gefallenenkultur ist eine stete Verpflichtung.“
Für die Kriegsvorbereitungen Deutschlands braucht es also die Zustimmung und Normalisierung von Krieg und Militär in der Breite der Gesellschaft. Bisher sollte der Tag der Bundeswehr, der immer an einem Samstag im Juni stattfindet, eine solche Funktion erfüllen.
Bundeswehr im Aufwind: Kriegstüchtigkeit zeigt erste Wirkung
Panzer und Pistorius
Die selbsternannte „Armee des Friedens“ versucht schon seit Jahren, neue Mitglieder anzuwerben. Das gestaltet sich jedoch schwierig, denn für viele Jugendliche ist Soldat:in zu sein alles andere als ein Traumjob. Am 28. Juni diesen Jahres werden zum zehnten Mal Armee und Artillerie zu einem hautnahen Erlebnis in zehn deutschen Städten werden. Mit Karriereberater:innen sollen Jugendliche über Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Streitkräfte aufgeklärt werden. Doch eben nicht nur dort, auch „zivile“ Bereiche des Militärs werden hier vorgestellt: „Machen Sie sich ein Bild davon, was die Bundeswehr kann. Von der Technik, der Ausrüstung – aber vor allem von den Menschen in dieser Bundeswehr.“, so Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im Jahr 2023.
Letztes Jahr kamen 230.000 Menschen an neun verschiedenen Standorten zu dem Event, um sich genanntes Bild zu machen. Es werden Häuserkämpfe demonstriert und wer schon immer mal eine Kampftruppe von Leopard-2-Panzern aus der Nähe beobachten wollte, kommt hier auf den Geschmack. Im niedersächsischen Faßberg waren neben Flugshows auch Ansprachen des Verteidigungsministers Pistorius ein Highlight für rund 50.000 Besucher:innen. Auch hier wurde mit Herzblut versucht, eine engere Verzahnung von Bundeswehr und Bevölkerung zu schaffen.
Funktion des Veteranentags? Kriegstüchtige Gesellschaft!
Angekündigt ist der Veteranentag als „großes Fest“, das „auf die Bedeutung und die Leistung von Veteraninnen und Veteranen für Frieden, Freiheit, Demokratie und eine starke Gesellschaft aufmerksam“ machen soll: „Wer für unsere Freiheit alles gibt, verdient unser aller Respekt“, so Julia Klöckner (CDU), die als Präsidentin des Bundestags Schirmherrin des Nationalen Veteranentags ist.
Zusätzlich zu den 60 angekündigten Veranstaltungen auf der offiziellen Seite der Bundeswehr zählt das Antimilitaristische Aktionsnetzwerk, Teil der DFG-VK (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen), 15 weitere Veranstaltungen zum Veteranentag.
Warum das alles? Deutschland braucht mehr als nur Geld, um kriegstüchtig zu werden. Denn die Waffen, Munition und Panzer müssen auch von Menschen bedient und eingesetzt werden. Und so muss mit der materiellen Aufrüstung auch eine in den Köpfen der deutschen Bevölkerung einhergehen.
Bekannte Beispiele dafür sind modern und ansprechend gestaltete Videoclips der Bundeswehr auf Social Media-Plattformen wie Instagram oder Tiktok oder auch Jugendoffizier:innen, die an Schulen für das Sterben im Krieg werben. Besonders mit dem Veteranentag soll die Kriegsbegeisterung in die Breite der Gesellschaft getragen werden: Soldat:in zu sein wird zu etwas Ehrbarem, auf das man stolz sein kann, für das einen andere bewundern.
So soll dieses Gedankengut auch gefestigt werden, wenn die Bundeswehr sich selbst als „Armee der Demokratie“ bezeichnet. Das klingt letztendlich auch besser als das, was sie wirklich ist. Eine Armee voller Kämpfer:innen für deutsche Kapitalinteressen, Kriegsverbecher:innen in Afghanistan, Regierungsputscher:innen in Mali, eine Armee mit faschistischen Netzwerken, die teils Waffen und Munition an ihre faschistischen Kamerad:innen außerhalb des Militärs weitergeben oder ein Arbeitsplatz, der im vergangenen Jahr alleine laut offizieller Zahlen 385 Fälle sexueller Übergriffe zu verzeichnen hatte.
Was tun?
Dass wir diese Mobilisierungsversuche für Krieg, die insbesondere Jugendliche ansprechen sollen, nicht unbeantwortet lassen können, ist klar. Das heißt natürlich, dass zum einen konkreter Protest gegen derartige Veranstaltungen wichtig ist. Aber dabei darf es nicht bleiben.
Letztlich müssen wir mit unseren Positionen an Schulen und Universitäten unsere Mitschüler:innen und Kommiliton:innen überzeugen, damit die Jugendoffizier:innen keinen Fuß auf den Boden bekommen. Aber nicht nur dort – an allen Orten, an denen wir uns befinden, müssen wir mit den Menschen um uns herum diskutieren und sie überzeugen. Das heißt, die militaristische Propaganda der Herrschenden zu jedem Zeitpunkt aufzudecken und zu zeigen, dass die Bundeswehr eben nicht für Frieden kämpft, sondern Gewalt und Tod verbreitend die Interessen des deutschen Kapitals durchsetzt.
Für Sonntag sind bereits Proteste gegen den Veteranentag in Berlin angekündigt. Unter dem Motto „Veteranentag? Wir feiern eure Kriege nicht!“ soll der Protestzug um 14 Uhr am S-Bahnhof Friedrichstraße starten und in Richtung Reichstagsgebäude ziehen.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 99 vom Juni 2025 unserer Zeitung erschienen und wird hier leicht abewandelt veröffentlicht. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.