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Kein Einzelfall: Schweizer Bundesamt hält unliebsame Studie über E-Autos zurück

Das Bundesamt für Energie in der Schweiz gerät durch den Versuch, eine Umweltstudie unter Verschluss zu halten, in Erklärungsnot. Andere Skandale in der Auto-Branche haben bereits hunderttausende frühzeitige Todesopfer gefordert. – Ein Kommentar von Felix Zinke.

In einer neuen Studie des Schweizer Bundesamts für Energie sollte die Frage beantwortet werden, ob der Kauf von Elektroautos klimafreundlicher ist als der Kauf von Benzinern oder Diesel-KFZ. Diese Studie wurde hierbei vom Bundesamt aktiv zurückgehalten.

Das Ergebnis der Untersuchung war, dass der Kauf von Elektroautos im Gegensatz zu mit fossilen Kraftstoffen betriebenen Fahrzeugen nahezu immer klimafreundlicher ist. Hierbei sei die einzige Ausnahme, wenn das Auto fast gar nicht benutzt werde. Dieses Ergebnis ist nicht neu und wird durch zahlreiche andere Studien gestützt.

Die eigentliche Frage, die sich danach stellte, ist, warum diese Studie vom Bundesamt für Energie zurückgehalten wurde. Aus der internen Kommunikation scheint hervorzugehen, dass das Ergebnis der Studie als „heikel“ betrachtet werde.

Man habe sich wohl vor negativen Reaktionen vor allem aus der rechten Ecke des politischen Spektrums gefürchtet und sich schlussendlich dazu entschieden, diese Studie zurückzuhalten. Ohne die investigativen Anfragen von Journalist:innen von Republik und WAV wäre diese Studie vermutlich in den Schubladen der Behörden verstaubt.

Vertuschung von Umweltschäden – Kein Einzelfall

Das Besondere an dem Vertuschungsversuch des Schweizer Bundesamts für Energie ist dabei vor allem, wie verbreitet dieses Vorgehen eigentlich ist: allein in den letzten zehn Jahren lässt sich anhand verschiedener Beispiele zeigen, wie Behörden oder Unternehmen die Umweltschädlichkeit bestimmter Produkte, Produktionsweisen oder Inhaltsstoffe aktiv vertuschen wollten.

Einer der größten Skandale dieser Form ist der sogenannte „Abgasskandal“, der im Jahr 2015 ans Licht kam. Bei diesem hatte die US-amerikanische Umweltbehörde EPA festgestellt, dass nahezu 500.000 VW-Autos auf amerikanischen Straßen gegen das Bundesgesetz „Clear Air Act“ verstoßen hatten.

Bei genauerer Betrachtung kam dann heraus, dass VW eine spezielle Software in seinen Autos verbaut hatte. Diese Software erkannte, wenn sich das Fahrzeug in einem Testbetrieb befand, und manipulierte in diesem Fall gezielt die Abgaswerte nach unten. Dieses Täuschungsmanöver hatte einzig zum Ziel, die Umweltauflagen in einzelnen Ländern umgehen und so weiter Dieselautos mit zu hoher Feinstaubbelastung verkaufen zu können.

Die dadurch verursachte Luftverschmutzung habe demnach laut einer Analyse des Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) allein im Vereinigten Königreich zwischen 2009 und 2024 für 16.000 vorzeitige Todesfälle gesorgt. In der gesamten EU sollen in dem Zeitraum 124.000 Menschen früher zu Tode gekommen sein.

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Skandale außerhalb der Autoindustrie

Auch der US-Umweltschutzbehörde EPA (Environmental Protection Agency) wird vorgeworfen, im Mai 2023 Informationen unter Verschluss gehalten zu haben, die den Gehalt sogenannter „Ewigkeitschemikalien” (PFAS) in Pestiziden betreffen. Diese Stoffe sind hochtoxisch und können vom menschlichen Körper nicht abgebaut werden.

Zudem habe die Behörde Studien nicht veröffentlicht, welche die bestehenden Grenzwerte für schädliche Substanzen infrage stellen. Diese Richtwerte gelten inzwischen als zu hoch, da bereits deutlich geringere Mengen der untersuchten Chemikalien gesundheitliche Schäden verursachen können.

Die jüngeren Skandale stehen hierbei alle in einer langen Tradition. Am meisten stechen hierbei zwei historische Beispiele hervor, die bis in die 1970er Jahre zurückgehen: Hier wäre zum einen die Firma Monsanto zu erwähnen. In den letzten Jahren ist dieses vom deutschen Pharma-Konzern Bayer aufgekaufte Unternehmen mit Skandalen zu Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat in die Schlagzeilen geraten.

Aber auch schon in der 1970er Jahren vertuschte und verfälschte Monsanto Studien zur Schädlichkeit von Tabak, Asbest und Blei. Mittlerweile werden diese Stoffe auch im allgemeinen Bewusstsein als hochgefährlich eingestuft. Deren Nutzung bzw. Konsum befindet sich seitdem im Rückgang wie bei Tabakwaren. Asbest und Blei wurden mittlerweile verboten.

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Auch wenn sich mittlerweile die wissenschaftlich belegte Schädlichkeit dieser Produkte bzw. Inhaltsstoffe durchgesetzt hat, war dies ein langer Kampf gegen die Vertuschungsversuche von Konzernen wie Monsanto.

Der zweite große Skandal aus den 1970er Jahren war die sehr präzise Vorhersage des Klimawandels durch den Ölkonzern Exxon. Dieser hatte in mehreren Studien zwischen 1977 und 2003 präzise Beobachtungen zum Klimawandel und seine Auswirkungen machen können. Diese sehr frühen Erkenntnisse wurden von EXXON jedoch nicht veröffentlicht, bzw. verfälscht und intern genutzt, um die optimale Marketingstrategie zu entwickeln, welche die Profite aus dem Ölhandel nicht gefährdeten.

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Profitmaximierung und der Kampf dagegen

In Anbetracht all dieser „Einzelfälle“ lässt sich die These aufstellen, dass dies ein systemisches Problem ist: dabei stehen für Unternehmen wie Staaten immer die Gewinne großer Konzerne über der Gesundheit von Mensch und Natur.

Um Kritik an diesem System zu vermeiden und umzuleiten, wird der Kampf gegen die Folgen dieses Systems oft individualisiert. Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist der sogenannte „CO2-Fußabdruck“: Dieser wurde vom Ölkonzern BP ins Leben gerufen und soll das Konsumverhalten der Menschen statt die Produktionsweise der Unternehmen als Ursache des Problems benennen.

Warum der Klimawandel im jetzigen System nicht bekämpft werden kann

Durch diese Individualisierung der Problematik werden folgerichtig auch von vielen Menschen die falschen Schlüsse zur Bekämpfung der Umweltschäden oder der Klimakrise gezogen. Unter dieser Voraussetzung reicht es vollkommen aus, wenn jede einzelne Person einfach weniger Auto fährt, weniger Fleisch isst und beim Verlassen des Raums das Licht ausschaltet.

Dabei sind weniger Fleischkonsum, der Ausbau öffentlicher Transportmittel, Fahrradnutzung und ein geringerer Energieverbrauch unbestritten richtige Wege, die den Klimawandel bremsen können. Diese Maßnahmen müssen jedoch gesamtgesellschaftlich umgesetzt werden. Sie müssen mit einer Produktionsweise verbunden werden, die in der Lage ist, planmäßig mit den vorhandenen Ressourcen umzugehen – und bei allem das Wohl von Mensch und Natur über die Profitmaximierung zu stellen.

Der Kapitalismus beweist dabei aktuell, dass er nicht in der Lage ist, die von ihm geschaffenen Probleme zu lösen. Und wenn die eigene Wissenschaft der Profitmaximierung entgegensteht, dann wird sie eben einfach unter Verschluss gehalten.

Felix Zinke
Felix Zinke
Perspektive Autor seit 2024. Berlin Informatikstudent und Werki in der IT. Schwerpunkte: internationale Kämpfe und Imperialismus.Begeisterter Radfahrer.

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