Die neue Klub-WM ist ein Symbol dafür, wie weit sich der Fußball vom Volkssport entfernt hat. Während Konzerne absahnen, brechen im Breitensport die Vereine weg. Der Sport, der einst auf Asche- und Bolzplätzen lebte, wird heute zwischen Hochglanzarenen und Investoreninteressen zerrieben. Es ist Zeit, den Fußball zurückzuerobern – als Raum der Solidarität, nicht des Profits. – Ein Kommentar von Max Funk.
Im Juni und Juli wird zum ersten Mal der neue FIFA Club World Cup ausgetragen. In den USA treten 32 Vereinsmannschaften aus allen Kontinenten gegeneinander an – ein Format, das bisher Nationalteams vorbehalten war. FIFA-Präsident Gianni Infantino sprach von einem „neuen Meilenstein für den Weltfußball“ und versprach „Wachstumspotenziale auf allen Ebenen“. Doch was hier als Fortschritt verkauft wird, ist in Wahrheit ein weiterer Ausdruck der kapitalistischen „Durchökonomisierung” des Sports.
Fußball ist schon lange nicht mehr nur ein Spiel. Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA), offiziell ein gemeinnütziger Verein, agiert heute wie ein multinationaler Konzern. Ihre Einnahmen betrugen im Jahr 2022, dem Jahr der letzten Fußballweltmeisterschaft, rund 7,6 Milliarden US-Dollar – ein Großteil stammt aus Sponsoring, TV-Rechten und Marketing. Der Fußball wird zur Plattform globaler Markenpflege – und zur Projektionsfläche kapitalistischer und staatlicher Interessen, zum Beispiel durch autoritäre Staaten wie Saudi-Arabien und Katar oder durch die USA.
Fans bleiben auf der Strecke
Mit der Klub-Weltmeisterschaft dringt die FIFA noch tiefer in den Vereinsfußball ein, der bislang eher unter der Kontrolle der Union of European Football Associations (UEFA) stand. Die USA als Austragungsort sind kein Zufall: Hier liegt ein riesiger Werbemarkt brach, den man mit global bekannten Namen wie Real Madrid, Manchester City oder dem FC Bayern München erschließen will. Es geht um Marktanteile und Gewinne.
Das neue Format – 32 Teams, Turniermodus ähnlich einer WM – bedeutet vor allem eins: Mehr Spiele, mehr Vermarktung, mehr Belastung. Die Spieler sind durch die nationalen Ligen, Pokale, Champions League und Länderspiele bereits jetzt körperlich und mental überfordert. Der Weltspielerverband FIFPro (Fédération Internationale des Associations de Footballeurs Professionnels) warnte als Gewerkschaft schon 2023: „Das aktuelle Spielkalender-Modell gefährdet die Gesundheit und Karriere vieler Profis.“
Auch Fans bleiben auf der Strecke. Die Ticketpreise für die Spiele in den USA werden astronomisch sein, die Reisen unerschwinglich. Statt fußballerischer Nähe dominiert ein distanziertes Fernsehspektakel – produziert für Werbekunden und TV-Rechtehändler wie DAZN, die sich leisten können, die Spiele durch frisches Kapital aus Saudi-Arabien kostenlos zu übertragen.
Zugleich verschärft sich der Ausschluss ärmerer Menschen vom Fußballerlebnis. Fußball ist aus dem Free-TV verschwunden, Eintrittspreise explodieren und die Kommerzialisierung verdrängt lokale Strukturen. Im Amateurbereich wiederum fehlt es an allem: an Plätzen, Trikots, Trainer:innen, Ehrenamtlichen. Laut DFB ist die Zahl der Mannschaften im Amateurbereich in den letzten 15 Jahren um 60.000 zurückgegangen. Der Amateurfußball war einst sozialer Anker für Jugendliche, ein Ort der Gemeinschaft. Heute ist er ein Nebenschauplatz – weil es eben im Kapitalismus keinen Platz für den Sport als Gemeingut gibt.
Solidarität statt Profit
Gegen diese Entwicklung regt sich international Widerstand: In Deutschland protestieren Fans seit Jahren gegen Montagsspiele, Katar-Sponsoring und die Aushöhlung der 50+1-Regel. Die gescheiterte Super League 2021 oder der verhinderte Investoreneinstieg in die DFL war auch deshalb ein Rückschlag für die Kapitalinteressen im Fußball, weil Fans sich organisiert widersetzten.
Und Fußball kann noch viel mehr sein. Sócrates, einst Kapitän der brasilianischen Nationalmannschaft, gründete z.B. die Democracia Corinthiana in Brasilien, eine Bewegung für Demokratie und Mitbestimmung im Sport und gegen die Militärdiktatur. Solche Figuren beweisen: Fußball muss nicht reaktionär sein. Er kann auch widerständig, aufrührerisch, solidarisch sein.
Das zeigte sich auch eindrucksvoll im Arabischen Frühling: In Ägypten waren es die Ultras von Al Ahly, die bei Protesten gegen das Mubarak-Regime eine zentrale Rolle spielten. Ihre Organisationsstruktur, ihre Erfahrung mit staatlicher Repression, ihre Solidarität untereinander machten sie zu einem Rückgrat der Bewegung.
Am Ende dürfen wir uns nicht nur fragen: „Was macht die FIFA?“ – sondern: „Wem gehört der Fußball?“ Ein demokratischer Sport muss in gesellschaftlicher Hand liegen, getragen von Vereinen, die von Mitgliedern kontrolliert werden, nicht von Investor:innen. Großereignisse dürfen nicht von Konzernen diktiert werden, sondern müssen dem Gemeinwohl dienen – sozial und solidarisch.
Dieser Text ist in der Print-Ausgabe Nr. 99 vom Juni 2025 unserer Zeitung erschienen. In Gänze ist die Ausgabe hier zu finden.