Dieses Jahr stellt sich die Bundeswehr am 28. Juni als bürgernahe und friedenstiftende Truppe dar. Um der Bevölkerung diese Propaganda einzutrichtern, wurde der Tag der Bundeswehr ins Leben gerufen. Seit 2015 öffnet das deutsche Militär alljährlich seine Kasernen. Noch nie standen die Türen so weit offen wie heute. – Ein Kommentar von Leon Wandel.
Militärparaden, Fressbuden und Kinderprogramm – das klingt auf den ersten Blick harmlos. Doch der Bundeswehr-Tag hat letztlich das Ziel, die immense Aufrüstung der Bevölkerung als notwendige Friedensmaßnahme zu verkaufen. Außerdem soll der zukünftige Armee-Nachwuchs gesichert werden, denn neben Kriegsgerät braucht die Bundeswehr auch dringend Personal, das an der Front steht.
Eine Armee zum Anfassen, eine Armee, die im Dienst aller Bürger:innen steht, eine Armee der Demokratie und eine Armee, die fest in der Gesellschaft verwurzelt ist. So ist zumindest das blumige Selbstverständnis der Bundeswehr. Um die Bevölkerung auf diese Propaganda einzuschwören, gibt es den Tag der Bundeswehr. Seit 2015 öffnet die deutsche Armee alljährlich ihre Kasernen. Dieses Jahr stellt sich die Bundeswehr am 28. Juli als bürgernahe und friedenschaffende Kampftruppe dar.
Juni: Monat des Militarismus? Zwei Tage für Krieg und Aufrüstung
Die Bundeswehr spricht auf der offiziellen Webseite davon, eine „Armee zum Anfassen“ zu sein. In ganz Deutschland kann man die Bundeswehr besuchen. Und sollte man doch zu weit von einem Bundeswehrstandort entfernt wohnen, dann gibt es einen YouTube-Livestream, mit dem man das Spektakel mitverfolgen kann.
Die Soldat:innen zeigen ihren Fuhrpark, ihre Waffen und stellen ihre „Leistungsfähigkeit“ bei Live-Demonstrationen aller Art zur Schau. Die Bundeswehr will sich im besten Licht darstellen. Die Besucher:innen sollen nach dem Tag der Bundeswehr mit dem Gefühl nach Hause gehen, dass das deutsche Militär die eigenen Interessen nach Sicherheit vertritt. Wer sich danach noch immer gegen Aufrüstung stellt, der steht wohl auf der Seite Russlands und fällt damit auch dem ukrainischen Volk in den Rücken, so das Narrativ.
Die Vertreter:innen der Bundeswehr schüren bei den Besucher:innen die Angst, dass Deutschland schon bald von Putin angegriffen werden könnte. Bis dahin bliebe nur wenig Zeit, um maßlos aufzurüsten und sich in einem Angriffskrieg gegen Putin zu wehren. Auch wenn diese Szenarien oft an den Haaren herbeigezogen sind, stimmt es doch, dass ein dritter Weltkrieg immer wahrscheinlicher wird. Zuletzt haben das die US-Angriffe gegen iranische Nuklearanlagen unterstrichen.
Was allerdings nicht stimmt, ist, dass die Bundeswehr eine Friedenstruppe ist, die der ganzen Welt unsere ach so tolle Demokratie schenken würde. Denn die Bundeswehr beging in der Vergangenheit einige Kriegsverbrechen, die ihrem friedlichen Selbstbild widersprechen. Ein Beispiel ist der Luftangriff über Kundus im Jahre 2009, bei dem über 100 Zivilist:innen ermordet oder verletzt wurden.
Doch auch wenn die Bundeswehr sich an die völkerrechtlichen Gesetze halten würde, so handelt sie doch nie im Interesse der Arbeiter:innenklasse. Bezahlt wird sie vom Staat, das heißt von den regierenden Politiker:innen (auch wenn wir die Steuern zahlen), und nach deren Pfeife tanzen sie auch. Gekämpft wird nur für die Sicherung deutscher Kapitalinteressen. Somit ist auch das Versprechen, die Bundeswehr würde durch einen gerechten Verteidigungskampf die Sicherheit für uns alle gewährleisten, nichts als heiße Luft.
Die aggressiven Werbekampagnen der Bundeswehr nahmen in den letzten Jahren immer weiter zu: in Straßenbahnen, an Haltestellen oder Bussen – die Bundeswehr schreckt nicht einmal vor Schulen zurück. Auch die Einführung des Nationalen Veteranentags, der vergangenen Monat zum ersten Mal stattfand, steht in dieser Tradition. An diesem Tag gab es insgesamt etwa 130 Militärveranstaltungen und Feste.
Auch auf der Videospielmesse Gamescom in Köln hat die Bundeswehr jedes Jahr einen riesigen Stand, auf dem sie ebenfalls ordentlich die Werbetrommel rührt. Unter dem Deckmantel der Karriereberatung und mittels Talent-Scouts wird das Kanonenfutter von morgen ausfindig gemacht und angeworben. All diese Veranstaltungen richten sich vorwiegend an junge Erwachsene oder Jugendliche. Denn genau die braucht die Bundeswehr.
Vor etwa dreieinhalb Jahren verkündete der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz die „Zeitenwende“. Seitdem wurden mehrere hundert Milliarden in die Aufrüstung gesteckt. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat den Plan, bis 2029 „kriegstüchtig” zu werden. Die Deadline bis 2029 schustert man sich folgendermaßen zusammen: Russland sei ab dann in der Lage, einen Angriff auf einen NATO-Mitgliedsstaat in Europa zu führen. Tatsächlich nimmt die Aufrüstung weltweit zu, aber Russland hat – ganz im Gegensatz zu den USA gegenüber Dänemark – keinerlei Absicht durchblicken lassen, einen NATO-Staat anzugreifen.
Dem deutschen Militär fehlt es indes nicht nur an Material, es braucht auch mehr Soldat:innen, um im Kriegsgeschehen mitzuwirken. Nach den Zielvorgaben der NATO soll die Bundeswehr in den kommenden Jahren 260.000 Zeit- und Berufssoldat:innen verpflichten. Die Zahl liegt aktuell etwa bei 182.000. Zudem verfügt die Bundeswehr derzeit nur über 34.000 Reservist:innen, strebt aber 200.000 für einen „Verteidigungsfall“ an.
So soll eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht vor allem auf den Aufbau der Reserve abzielen. Die Marschrichtung des Kriegsministers Pistorius ist, jährlich 15.000 Wehrdienstleistende hinzu zu gewinnen. Im Koalitionsvertrag wurde sich gegen eine Wehrpflicht geeinigt: jede:r solle zunächst freiwillig entscheiden, ob er oder sie zum Bund will. Allerdings wird schon heute offen darüber debattiert, dieses Abkommen zu übergehen. So soll dann die Wehrpflicht doch wieder eingeführt werden können.
Boris Pistorius verlautbarte deshalb kürzlich, eine Wehrpflicht-Option im Gesetz verankern zu wollen. Wenn die Freiwilligen gemäß des „schwedischen Modells” ausbleiben, dann solle die Wehrpflicht greifen. Eine entsprechende Regelung soll laut Plänen des Verteidigungsministers im geplanten Wehrdienstgesetz verankert werden. Zustimmung kommt bereits von Unionspolitikern. Das Koalitionspapier scheint also auch in diesem Fall nicht viel zu bedeuten.
Regierung will schwedisches Wehrpflicht-Modell, um Kanonenfutter aus uns zu machen
In der Jugend regt sich Widerstand
Aus einer aktuellen Umfrage geht hervor, dass zwar 59 Prozent aller Befragten einer Wehrpflicht zustimmen. Bei den 18- bis 29-Jährigen, also den jungen Menschen, die tatsächlich von einer Wehrpflicht betroffen wären, sind 61 Prozent dagegen.
Da die Jugend schlussendlich die Waffe für den deutschen Staat in die Hand nehmen soll, gibt es einige Jugendliche, die das nicht einfach so hinnehmen. So plant die Internationale Jugend am 30. Juni einen Aktionstag gegen die Wehrpflicht, und Ende August werden diverse Aktionen im Rahmen der Initiative Rheinmetall Entwaffnen in Köln stattfinden. Dort werden sich fortschrittliche und revolutionäre Kräfte vernetzen und gezielt Aktionen gegen den deutschen Kriegsapparat planen und durchführen.