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Große Proteste gegen Polizeigewalt in Kenia

Seit nahezu einer Woche halten die Proteste gegen Polizeigewalt in Nairobi, der Hauptstadt der Republik Kenia, an. Sie sind die Reaktion auf den Tod des Bloggers Albert Ojwang. Polizeigewalt, außergerichtliche Tötungen und Verschwindenlassen sind in dem Land jedoch Alltag.

Am Donnerstag, den 12. Juni, demonstrierten tausende Menschen auf den Straßen von Kenias Hauptstadt. In Nairobi brannten Kraftfahrzeuge, und die Polizei setzte Reizgas ein, um die Menschen auseinander zu treiben. Diese Aufstände in dem ostafrikanischen Land stellen den bisherigen Höhepunkt in einer Protestwelle gegen den letzten Fall von Polizeigewalt dar. Auslöser war der Tod des 31-jährigen Lehrers und Bloggers Albert Ojwang.

Am Freitag, den 6. Juni, wurde Ojwang in der Stadt Homa Bay mit dem Tatvorwurf einer falschen Veröffentlichung festgenommen. Er soll mit einem Post auf X den stellvertretenden Generalinspekteur der kenianischen Polizei, Eliud Lagat, verunglimpft haben.

Am darauf folgenden Tag wurde Ojwang in die 400 km entfernte Stadt Hauptstadt verbracht und dort in einer Zelle der zentralen Polizeiwache untergebracht. Am Sonntag wurde er dann nach Polizeiangaben bei einer routinemäßigen Zellenkontrolle bewusstlos aufgefunden. Er sei anschließend umgehend in Krankenhaus gebracht worden. Dort konnte aber nur noch der Tod festgestellt werden.

Beginn der Proteste

Die ersten Proteste flammten am folgenden Montag auf, als die Polizei behauptete, dass der Tod von Ojwang die Folge von Kopfverletzungen gewesen sei. Der Gefangene soll sie sich durch Schlagen seines Kopfes an die Zellenwand selbst zugefügt haben.

Doch bereits am Dienstag erklärte der Rechtsmediziner Bernard Midia, dass der Tod keinesfalls die Folge selbst zugefügter Verletzungen sein könne. Dies sei das klare Resultat einer Obduktion des Leichnams, an der fünf Rechtsmediziner:innen teilgenommen hätten. Zuvor noch hatten Ermittlungsergebnisse der Unabhängigen Polizeiaufsichtsbehörde (IPOA) nahegelegt, dass sich Ojwang selbst getötet haben soll.

Der Anwalt der Familie von Ojwang, Julius Juma, hatte ebenfalls bereits ernsthafte Bedenken an den Verlautbarungen der Polizei geäußert. Als Begründung führte er u.a. an, dass die Leiche auch schwere Verletzungen an Schulter und Händen aufgewiesen habe.

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Die Polizei gerät in Erklärungsnot

Durch die eindeutigen Feststellungen der medizinischen Sachverständigen sah sich am Mittwoch dann auch die Polizeiführung genötigt, die bisherigen Vertuschungsversuche eingestehen zu müssen: Der Generalinspekteur der kenianischen Polizei, Douglas Kanja, entschuldigte sich vor dem Ausschuss der Nationalversammlung für Nationale Sicherheit öffentlich dafür, dass angedeutet worden sei, der Tod von sei die Folge einer Selbsttötung gewesen.

Am Mittwoch erklärte schließlich auch der Präsident der Republik Kenia, William Ruto, dass Ojwang durch „die Hand der Polizei“ gestorben sei.

Als Reaktion auf den Tod von Ojwang erfolgte zunächst jedoch lediglich eine Suspendierung einzelner Polizeiangehöriger vom Dienst. In der Zwischenzeit wurden allerdings der Leiter der zentralen Polizeiwache in Nairobi, Samson Talam, sowie weitere Dienstkräfte festgenommen.

Die Proteste hatten in den Tagen zuvor vermehrt Druck auf die zuständigen Behörden ausgeübt. Am Donnerstag blockierten Demonstrierende in Nairobi eine der Straßen, die zum Parlament führte, und zündeten mindestens zwei Fahrzeuge an. Dort sollte an dem Tag der nationale Haushalt vorgestellt werden. Sie forderten dabei auch den Rücktritt des Polizei-Generalinspekteurs Lagat, der vorgeblich von Ojwang kritisiert worden sei.

Polizeigewalt ist Alltag

Dieser neuerliche Fall reiht sich ein in eine nicht abreißende Folge von Polizeigewalt in Kenia: Vor knapp einem Jahr gab es 50 Tote durch die Polizei bei Protesten gegen ein Gesetzesvorhaben für Steuererhöhungen.

In den vergangenen vier Monaten sind nach Angaben der Unabhängigen Polizeiaufsichtsbehörde (IPOA) zudem mindestens 20 Menschen in Polizeigewahrsam gestorben. Laut der Kenya Human Rights Commission (KHRC) wurden im vergangenen Jahr landesweit zudem fast 160 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und gewaltsamem Verschwindenlassen gemeldet.

Präsident Ruto steht daher unter zunehmendem Druck der Öffentlichkeit. Immer wieder werden Forderungen nach seinem Rücktritt laut. Bei seinem Amtsantritt im Jahr 2022 hatte er noch vollmundig versprochen, Kenias alltägliche Polizeigewalt und außergerichtliche Tötungen beenden zu wollen.

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