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Milliarden für den Krieg, kein Cent für Ertrinkende

Von Lars Klingbeils Haushaltsplänen geht eine klare Botschaft aus: Panzer zählen mehr als Menschenleben. Während der neue SPD-Finanzminister 170 Milliarden Euro Schulden einplant – zum größten Teil für Krieg und Aufrüstung – fällt die zivile Seenotrettung im Mittelmeer komplett unter den Tisch. – Ein Kommentar von Alexandra Baer.

Zwei Millionen Euro – das war bislang der Betrag, den die Bundesregierung jährlich für NGO wie Sea-Eye oder SOS Humanity bereitstellte. Eine lächerlich kleine Summe angesichts der Milliardenflut für Militärisches. Doch selbst diese Krümel will man künftig streichen. Man finanziert Raketen, aber doch keine Rettungswesten.

Dass das nicht einfach ein haushaltstechnischer Nebeneffekt ist, sondern politisches Kalkül, macht es nur noch verabscheuungswürdiger: Im Jahr 2024 starben laut Caminando Fronteras über 10.000 Menschen auf dem Weg nach Europa, viele von ihnen im Mittelmeer. Das entspricht mehr als 30 Toten – an jedem einzelnen Tag. Und während diese Zahl wächst, wird die Unterstützung derer gestrichen, die überhaupt noch versuchen, Leben zu retten. Sea-Eye warnte bereits: Ohne staatliche Hilfe werden Schiffe im Hafen bleiben müssen – auch wenn Menschen vor den eigenen Augen ertrinken.

175.000 Gerettete – und kein Dank vom Staat

Zum zehnjährigen Bestehen der zivilen Seenotrettung im zentralen Mittelmeer zogen Organisationen wie Sea-Watch, Sea-Eye und SOS Humanity jüngst Bilanz: Über 175.000 Menschen konnten seit dem Jahr 2015 gerettet werden – ein humanitärer Kraftakt, dem von staatlicher Seite zunehmend mit Repression begegnet wird.

Statt ein europäisch koordiniertes Rettungssystem aufzubauen, setzen EU-Staaten weiter auf Abschottung und Abschreckung. Allein das italienische Piantedosi-Dekret führte zur Festsetzung ziviler Rettungsschiffe für 680 Tage in nur zwei Jahren.

Fluchtursachen „Made in Germany“

Die Kriege und Krisen, vor denen Menschen fliehen, sind nicht gottgegeben: Mali, Libyen, Afghanistan, Syrien – an fast jedem dieser Konflikte ist Deutschland zumindest beteiligt: durch Waffen, durch Truppen, durch diplomatische Interessenpolitik. Die geostrategische Ambition Deutschlands, sich als Großmacht zu etablieren – notfalls durch NATO-Ausbau, Hochrüstung und neue „Ostflanken“ – produziert exakt die Fluchtursachen, die man dann an Europas Außengrenzen brutal abwehrt.

NATO-Gipfel: Die 5 % stehen

Und das wird teuer: Bis 2029 will Deutschland 150 Milliarden Euro jährlich für Aufrüstung ausgeben – ganze 3,5 Prozent des BIPs für militärische Zwecke. Dieselbe Bundesregierung aber, die bereit ist, diese astronomischen Summen aufzubringen, schließt die Kasse, wenn es um das Leben Schutzsuchender geht.

Was die Bundesregierung hier betreibt, ist ein zweifaches Verbrechen: Sie trägt aktiv zur Destabilisierung ganzer Regionen bei – sei es durch deutsche Rüstungsexporte, wirtschaftliche Ausbeutung oder außenpolitische Schachzüge – und lässt dann die Opfer dieses Chaos wissentlich im Meer sterben.

„S” wie Sondervermögen, „P” wie Panzer, „D” wie Doppelmoral

Dass SPD und CDU dabei Schulter an Schulter marschieren, ist ein weiterer Tiefpunkt der deutschen Politik. Die SPD, einst Partei der Friedensbewegung, hat sich endgültig von jeder humanitären Grundhaltung verabschiedet. Wer wie Klingbeil mit dem „Sondervermögen“ für die Bundeswehr die Schuldenbremse umgeht, um Kanonen statt Krankenwagen zu finanzieren, kann sich auch gleich zum Pressesprecher von Rheinmetall umschulen lassen.

Und das alles geschieht ohne größeren Streit – „geräuschlos“, wie es aus dem Finanzministerium heißt. Ja, Kriegshaushalte sind inzwischen Routine. Doch zivile Rettungseinsätze? Die werden zum Politikum, zur Provokation. Es scheint: Wer Menschenleben retten will, steht heute außerhalb der politischen Konsenszone.

Seenotrettung ist kein Luxus. Sie ist ein Menschenrecht! Wenn ein Land wie Deutschland nicht einmal mehr ein paar Millionen für das Retten von Menschenleben aufbringen will, aber gleichzeitig Milliarden in Aufrüstung steckt – dann zeigt das unmissverständlich, wo seine politischen Prioritäten liegen.

Alexandra Baer
Alexandra Baer
Autorin Seit 2023. Angehende Juristin, interessiert sich besonders für Migration und Arbeitskämpfe. Alexandra ist leidenschaftliche Fußballspielerin und vermisst die kalte norddeutsche Art in BaWü.

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