Zeitung für Solidarität und Widerstand

Nato fordert 260.000 deutsche Soldat:innen und 5 Prozent des BIP

Ende Juni findet der nächste NATO-Gipfel in Den Haag statt. Schon jetzt steht fest: Die Debatte wird sich hauptsächlich um die Erhöhung der Verteidigungsausgaben aller NATO-Staaten auf 5 Prozent drehen. Am Dienstag sollen in Brüssel die neuen „Fähigkeitsziele“ bereits vorab beschlossen werden.

In Den Haag findet Ende Juni der nächste NATO-Gipfel statt. Die Diskussionen werden sich vor allem um die Steigerung der Rüstungsausgaben drehen. Auf dem Nato-Gipfel treffen sich die 32 Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten, um über die Aufrüstungsmaßnahmen der nächsten Jahre zu diskutieren.

Militärausgaben sollen mehr als verdoppelt werden

Die USA fordern, die nationalen Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Nato-Diplomat:innen aus Belgien und Spanien haben noch Zweifel an dem Plan, da ihre Länder aktuell noch unterhalb der Zwei-Prozent-Marke liegen. Doch der Nato-Generalsekretär Mark Rutte zeigt sich optimistisch und rechnet damit, dass „wir uns in Den Haag auf ein hohes Ausgabenziel von insgesamt fünf Prozent einigen werden“. Das erklärte er Ende Mai auf einer Tagung in Dayton im US-Bundesstaat Ohio.

Aktuell liegt der Richtwert noch bei zwei Prozent. Diesen Richtwert erreichte Deutschland 2024 das erste Mal, seitdem er 2014 beim NATO-Gipfel in Wales offiziell beschlossen wurde. Ganz vorne bei den Rüstungsausgaben liegt aktuell Polen mit 4,12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Große Schritte Richtung Krieg – zu Land, zu Wasser und in der Luft

Ein Richtwert von fünf Prozent würde auch den deutschen Imperialismus vor deutliche Herausforderungen stellen. Mit einer höheren Schuldenaufnahme und weiteren radikalen Kürzungen in anderen Bereichen könnte die Umsetzung jedoch Realität werden. Neben den USA befürwortete zuletzt auch der neue Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) den Schritt.

Basierend auf dem Bruttoinlandsprodukt von 2024 würde das für Deutschland bedeuten, rund 215 Milliarden Euro in Rüstungsausgaben zu investieren. Damit würden die Militärausgaben rund 45 Prozent des gesamten Bundeshaushalts ausmachen.

Ausweitung der Truppenstärke

In den Debatten vorab scheint durch, dass sich die Forderungen nicht auf eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben beschränken werden. Einige Länder, insbesondere die USA, fordern von Deutschland auch eine Erhöhung der Anzahl ihrer aktiven Soldat:innen, die weit über die bisher gesetzten Ziele hinaus geht.

„Nach 6 Monaten ein Drittel gefallen oder verwundet“ – Bundeswehr-Professor will Musterungspflicht, um Reihen aufzufüllen

Mitte Mai berichtete Business Insider bereits darüber, dass in Nato- und Bundeswehrkreisen aktuell über eine Zielgröße von 240.000 bis 260.000 Soldat:innen ab 2030 diskutiert werde. Das wäre im Vergleich zum bisherigen Ziel der Bundeswehr eine Steigerung um fast 44 Prozent und mindestens 37.000, wenn nicht sogar 57.000 Soldat:innen.

Nun sollen die Ziele laut Handelsblatt bereits am 3. Juni bei dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister:innen in Brüssel beschlossen werden. Die neuen „Fähigkeitsziele“ wären für alle 32 Mitgliedsstaaten bindend und sollen drei Wochen später beim Nato-Gipfel bestätigt werden.

Die Nato gibt keine konkreten Truppenzahlen vor, sondern fordert bestimmte militärische Fähigkeiten wie Brigaden oder Geschwader. Laut Reuters erwartet sie derzeit sieben weitere Brigaden von Deutschland – das wären 40.000 zusätzliche Soldat:innen. Zusätzlich gibt es Anforderungen in anderen Bereichen, die laut Handelsblatt einen zusätzlichen Personalbedarf von rund 80.000 Kräften mit sich bringen. Dieser soll innerhalb von 15 Jahren gedeckt werden.

Der deutsche Staat steht durch diese Forderungen unter Druck, denn bisher verfehlt die Bundeswehr mit rund 183.000 aktiven Soldat:innen ihr selbstgesetztes Ziel von 203.000 bis 2031 deutlich. Laut Business Insider halten auch Personalverantwortliche der Bundeswehr diese Ziele für unrealistisch.

Weiterhin Personalprobleme trotz Verbesserungen

Das Personalproblem der Bundeswehr besteht also weiterhin. Doch im letzten Jahr verzeichnete die Bundeswehr einen deutlichen Anstieg der Bewerbungen. 2024 gingen rund 51.200 Bewerbungen für den militärischen Dienst ein – ein Zuwachs von 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im zivilen Bereich stieg die Zahl der Bewerbungen sogar um 41 Prozent auf über 88.300. Auch der Anteil der weiblichen Bewerberinnen legte um 36 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu.

Doch im Vergleich zum letzten Jahr ist die Armee wieder um etwa 1.000 Personen geschrumpft. Neben vielen Soldat:innen, die im Alter ausscheiden, ist auch eine hohe Abbrecher:innenquote schuld daran. Diese liegt bei circa 25 Prozent, und ein Fünftel der unteren Dienstposten blieb im letzten Jahr unbesetzt. Jährlich scheiden circa 4.000 bis 5.000 Soldat:innen aus, weil sie innerhalb der ersten sechs Monate abbrechen.

Bundeswehr im Aufwind: Kriegstüchtigkeit zeigt erste Wirkung

Um die Bundeswehr dennoch fit für den Krieg zu machen, wurde zuletzt die Wehrpflicht nach „schwedischem Modell“ beschlossen. Zunächst soll hier auf das Prinzip der „Freiwilligkeit“ gesetzt und die Bundeswehr attraktiver gemacht werden. Reicht das nicht aus, sollen Personen aber auch zwangs-eingezogen werden. „Ich sage ganz bewusst und ehrlich, die Betonung liegt auch auf zunächst, falls wir nicht hinreichend Freiwillige gewinnen können“, sagte Pistorius kürzlich in Berlin.

Perspektive Online
Perspektive Onlinehttp://www.perspektive-online.net
Hier berichtet die Perspektive-Redaktion aktuell und unabhängig

Mehr lesen

Perspektive Online
direkt auf dein Handy!