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Neue Stufe des Kriegs: USA greift Iran direkt an

Die USA sind mit einer eigenen Militäroperation offiziell in den Krieg zwischen Iran und Israel eingestiegen. Die Schäden des US-Angriffs im Interesse Israels sind bisher schwer zu beurteilen – ebenso die Stärke möglicher iranischer Gegenschläge. Doch für die Menschen in Westasien steigt die Gefahr eines eskalierenden Kriegs.

„Vor kurzem haben die Vereinigten Staaten in voller Abstimmung zwischen mir und Präsident Trump sowie in voller operativer Abstimmung zwischen der israelischen Armee und dem US-Militär die drei iranischen Atomanlagen angegriffen: Fordow, Natanz und Isfahan“, erklärte Israels Ministerpräsident Netanyahu in einer Rede am frühen Morgen.

Um 2:09 Uhr lokaler Zeit hatte das US-Militär die erste Bombe auf die iranische Atomanlage Fordow abgeworfen. Fordow wurde Mitte der 2000er-Jahre heimlich errichtet, aber im Jahr 2009 vom damaligen US-Präsident Barack Obama öffentlich gemacht. Neben dieser wurden auch die Atomanlagen bei Natanz und Isfahan angegriffen.

Al Jazeera, CC BY-NC-SA 2.0

In den Wochen zuvor hatten immer wieder Treffen zwischen EU-Staaten sowie den USA und dem Iran stattgefunden. Der US-Präsident Donald Trump hatte bereits mehrfach gedroht, militärisch einzugreifen, wenn der Iran kein neues Atomabkommen unterzeichne.

Atomanlagen beschädigt

Auch Trump selbst wandte sich kurze Zeit später mit einer Ansprache an die Nation. Dabei erklärte er siegessicher, dass das Ziel, Irans Fähigkeit zur Urananreicherung zu zerstören, erfüllt worden sei: „Irans Anlagen zur Urananreicherung wurden vollständig und restlos zerstört.“

Berichten von CNN zufolge kamen bei dem Angriff erstmals spezialisierte „GBU-57/MOP“-Bunkerbrecher-Bomben zum Einsatz. Dieser Sprengkopf ist so konzipiert, dass er angeblich bis zu 60m in den Erdboden eindringt und erst dort detoniert, um unterirdische Ziele zu zerstören. Kein anderes Militär auf der Welt außer dem US-amerikanischen verfügt über diese Waffe – wie auch über den „B-2“-Tarnkappenbomber, der als einziges Flugzeug die „GBU-52“ abwerfen kann.

Al Jazeera, CC BY-NC-SA 2.0

Wenn der Angriff tatsächlich mit den spezialisierten Bunkerbrechern erfolgte, dürfte er weitaus verheerender ausgefallen sein als die israelischen Angriffe der vergangenen Woche. Kurz vor den Angriffen hatten die USA zwei B-2-Bomber auf die Pazifikinsel Guam verlegt.

Ausmaß der Zerstörung unklar

Quellen des US-Militärs sollen jedoch zeigen, dass die unterirdische Atomanlage Isfahan tiefer liege und stärker sei, als zuvor angenommen. Die „Tomahawk-Marschflugkörper“ konnten diese wohl nicht vollständig zerstören. Auch die iranische Führung bestreitet, dass die Angriffe die Atomanlagen vernichtet hätten.

Ein iranischer Parlamentsabgeordneter aus der Stadt Qom erklärte: „Fordow wurde nicht ernsthaft beschädigt. Der US-Präsident lügt.“ Der Großteil des Schadens sei oberflächlich gewesen. „Aus iranischer Sicht ist nichts Ungewöhnliches passiert. Fordow wurde im Voraus evakuiert, und die Anlage hat keinen irreversiblen Schaden erlitten“, so ein Berater vom Sprecher des iranischen Parlaments.

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Der Einsatz von Bunkerbrecher-Bomben würde dieser Darstellung jedoch widersprechen. Sowohl die USA – besonders unter Trump – sind zwar bekannt für eine Übertreibung ihrer militärischen Erfolge. Aber auch der Iran versucht immer wieder, die Schäden möglichst klein darzustellen, um keine Schwäche nach innen und außen zu zeigen. Das gleiche Vorgehen lässt sich auch bei Israel finden.

Die iranische Atombehörde erklärte außerdem, dass es bisher noch keine Anzeichen von Kontamination oder Gefahr für Anwohner:innen in der Nähe der Anlagen gäbe. Laut der saudischen Strahlenüberwachungskommission wurden auch in Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten keine Veränderungen der Strahlungswerte festgestellt. Ebenfalls die Internationale Atomenergiebehörde IAEA bestätigte, dass bislang keine Erhöhung der Strahlung außerhalb der Anlagen gemeldet wurde.

US-Politiker:innen gespalten

Ein Memo von Trump an die republikanischen Abgeordneten kurz nach dem Angriff benannte mehrere Gründe als Rechtfertigung für den Angriff auf den Iran: Das Land stehe kurz vor der Produktion von Atomwaffen und stelle eine direkte Bedrohung für die USA dar. Zudem wird Iran als führender Terrorunterstützer verantwortlich gemacht für Cyberattacken und zahlreiche Angriffe auf Amerikaner:innen. Auch iranische Stellvertreter wie die Huthi-Rebellen im Jemen hätten US-Truppen angegriffen und mehrere Soldat:innen getötet.

Stephen Zunes, Direktor für Nahost-Studien an der Universität San Francisco, bezeichnete hingegen die Behauptung, Iran stelle irgendeine Bedrohung für die USA dar, als „völligen Unsinn“. „Iran hat keine Fähigkeit, die Vereinigten Staaten mit seinen Raketen oder anderen Waffen zu erreichen“, sagte er gegenüber Al Jazeera.

Laut New York Times erklärten hochrangige US-Beamt:innen in Gesprächen mit einem führenden europäischen Diplomaten nun, dass „dies keine Kriegserklärung sei“. Der stellvertretende Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im Senat, Mark R. Warner, entgegnete jedoch, Präsident Donald Trump habe „Schritte unternommen“, welche die USA durchaus in einen weiteren Krieg hineinziehen könnten.

Die Trump-Regierung bereitet sich aktuell außerdem auf Gegenschläge des Iran vor und rechnet mit möglichen Angriffen in den nächsten 48 Stunden. Das berichtete NBC unter Berufung auf zwei Sicherheitsbeamte und einen ranghohen Beamten des Weißen Hauses. Der iranische Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei – höchste geistliche Instanz, Staatsoberhaupt und auch Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte – hat sich bisher nicht persönlich geäußert.

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Neue Bedrohung für die Menschen in Westasien

Trump betonte in seiner Ansprache nach dem Kriegseintritt die enge Zusammenarbeit zwischen ihm und Israels Staatsführer Benjamin „Bibi“ Natanyahu: „Wir haben als Team gearbeitet – vielleicht wie kein anderes Team zuvor.“ Nach den US-Angriffen reagierte der Iran bereits mit Raketen-Operationen auf Israel. Dabei wurden unter anderem Haifa, West-Jerusalem und Tel Aviv getroffen und mehrere Häuser zerstört.

Trump erklärte zudem: „Iran, der Tyrann des Nahen Ostens, muss nun Frieden schließen“ Gleichzeitig drohte er dem Iran mit weiteren Angriffen. Es gäbe viele weitere Ziele, welche die USA angreifen könnten. Konkreter benannte er diese nicht.

Wie weit der Iran jetzt zu weiteren Gegenschlägen ausholen wird, ist noch komplett offen. In der Region befinden sich zahlreiche US-amerikanische Militäreinrichtungen, auf denen etwa 40.000 US-amerikanische Soldat:innen stationiert sind.

In unmittelbarer Reichweite des Iran liegt zum Beispiel der Al Udeid-Luftwaffenstützpunkt in Qatar – die größte Militäranlage der USA in Westasien. Unmittelbar vor den US-amerikanischen Luftschlägen wurde bereits Personal aus Al Udeid abgezogen.

Weitere wichtige US-Stützpunkte am Persischen Golf befinden sich in Bahrain, Saudi Arabien und den Emiraten. Außerdem unterhalten die USA Militärbasen in Syrien, Irak und Jordanien. Es wird vermutet, dass die US-Luftwaffe von einem jordanischen Flugplatz aus Unterstützung für die israelischen Angriffe der vergangenen Tage leistete.

Angesichts der steigenden regionalen Spannungen hatte der Iran bereits zuvor mit der Schließung der Straße von Hormus gedroht. Fast 20 Millionen Barrel Öl werden täglich durch diese Engstelle transportiert, was etwa 20 Prozent des weltweiten Ölverbrauchs ausmacht. Dies könnte eine Explosion der Ölpreise auf dem europäischen Markt herbeiführen.

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