Auf der Internationalen Pariser Luftschau wurden diese Woche die neuesten Kampfjets in Szene gesetzt. Die Rüstungskonzerne durften ihre Luftwaffen vorführen. Auch in der Branche der Luftfahrt ist die Zeitenwende angekommen. – Ein Bericht von Leon Wandel.
Diese Woche fand die 55. Internationale Pariser Luftschau in Le Bourget bei Paris statt. Von Montag bis Donnerstag (16. bis 19. Juni) war die Luftschau für Fachbesucher:innen geöffnet. Am jetzigen Wochenende können dann auch Privatpersonen auf das Messegelände. Erwartet werden rund 300.000 Besucher:innen. Auf der Messe sind 2.500 Aussteller aus 48 Ländern vertreten. Dabei deckt die Luftschau drei grundlegende Bereiche ab: den zivilen Personen- oder Frachtluftverkehr, die Raumfahrt und die militärischen Flugkörper. Letztere werden dabei immer relevanter. Selbst die Tagesschau titelt: „Eine Messe im Zeichen der Militarisierung“.
Jens Franzeck, der Chief Industrial Officer des Raketenbauers Ariane Group, sagte gegenüber der Tagesschau: „Europaweit, aber auch speziell in Deutschland, ist Raumfahrt jetzt viel mehr auch mit dem Thema Sicherheit, Verteidigung, Raum der Macht verbunden im Vergleich zu dem, wie wir das früher eher gesehen haben.“ Man habe festgestellt, wie wichtig die Technik für „unsere tägliche Sicherheit“ sei.
Solch vorgeschobenen Argumente, die das Aufrüsten für den Frieden oder die vermeintlich selbstlose Unterstützung des ukrainischen Volks gegen den Angriffskrieg von Putin nacherzählen, werden auch auf der Pariser Luftschau immer wieder bemüht. Unter diesem Deckmantel biegt man sich die Geschehnisse in der Welt so zurecht, dass es quasi unmenschlich wäre, nicht aufzurüsten.
Mit Hilfe dieses Narrativs kann man dann auf die Werbetrommel für die globalen Rüstungsunternehmen schlagen. Auf der Webseite der Messe ist zu lesen, dass sich der Verteidigungssektor durch modernste Militärtechnologien auszeichne, die es auf der Luftschau zu bestaunen gäbe. Die Messe bringe internationale Expert:innen zusammen, um über Sicherheit und Innovation im Bereich der Luftverteidigung zu diskutieren – Jahrmarktsstimmung und professionelle Seminare in einem.
Das aktuelle Hype-Thema der modernen Kriegsführung ist „Combat-Cloud“. Darunter ist ein Zusammenspiel aus militärischen Operationen in der Luft, zur See, am Boden und auch im Weltraum gefasst. Deutschland, Frankreich und ganz Europa geben immer mehr Geld für Kriegsmittel aus. Ein Großteil davon fließt neben dem Panzerbau und Munitionsproduktion auch in die Luft- und Raumfahrt. Die „Zeitenwende“ betrifft längst nicht mehr nur Deutschland. Ganz Europa rüstet auf.
Diese Entwicklung wird auch ganz offen zur Schau gestellt: Der Airbus-Defence-Chef Schöllhorn gab sich euphorisch angesichts des steigenden Absatzmarkts für seine Branche. Er sagte ebenfalls der Tagesschau gegenüber: „Wenn wir mal gucken, wo wir herkommen, vor dem Ukraine-Krieg, dann ist das jetzt natürlich ein ganz anderer Schnack: Wenn die EU sagt, wir machen das jetzt mal ganz anders, und wir machen große Milliarden-Beträge frei, damit Europa sich wieder bewaffnen kann. Natürlich hilft das der Industrie, allein schon, weil das eine andere Tonalität gibt.“
Die Kapitalist:innen der Rüstungsindustrie reiben sich also schon die Hände. Gänzlich ausgeklammert wird dabei die Frage, wer diese Killermaschinen letztendlich fliegen soll und wer getötet wird. Franzeck oder Schöllhorn ganz bestimmt nicht. Tatsächlich wird überlegt, Bundeswehrpiloten auch über die Privatwirtschaft ausbilden zu lassen. Letztendlich soll die Jugend in diese Bresche springen. Ähnlich wie bei der Kölner Videospiel-Messe Gamescom, bei der die Bundeswehr, Rheinmetall und Co. riesige Stände haben, soll die Pariser Luftschau die Besucher:innen ebenfalls für das Kriegsgerät begeistern.
Konkurrenzkampf zwischen Airbus und Boeing
Interessant ist, dass es sich bei den zivilen und militärischen Anbietern oft um dieselben Konzerne handelt. Beispielsweise baut der europäische Flugzeugbauer Airbus gemeinsam mit zwei anderen Firmen den Kampfjet „Eurofighter”. Im Bereich der Kampfjets ist Frankreich unter anderem mit der Rüstungsfirma Dassault Aviation auf der Messe vertreten, die einen Kampfjet namens „Rafale” herstellt. Aus den USA ist der Konzern Lockheed Martin auf der Messe, der für den amerikanischen „F35”-Kampfjet bekannt ist. Aus Deutschland ist der Münchner Triebwerksbauer MTU Aero Engines vor Ort.
Zu den weiteren Projekten von Airbus zählen der Militärtransporter „A400M”, verschiedene Hubschrauber und das geplante europäische Luftkampfsystem „FCAS”. Der US-amerikanische Konkurrent Boeing stellt ebenfalls Militärhubschrauber und Flugzeuge her und hat in diesem Bereichen auch die Nase vorn. Zur Zeit gilt der europäische Konzern Airbus jedoch als klarer Gewinner der Messe: er gab während der Messe über 250 Bestellungen (oder Vorbestellungen) bekannt.
Der US-Konkurrent Boeing ging indes leer aus. Ein Teil dieses Misserfolgs lässt sich auf den Absturz des Boeing-Großraumjets „Dreamliner“ in Indien zurückführen, der sich nur wenige Tage vor dem Start der Messe ereignete und bei dem es erste Anzeichen auf einen technischen Defekt gibt. Außerdem hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA dem Unternehmen Anfang des vergangenen Jahres untersagt, die Produktion einer profitablen Flugzeugreihe weiter hochzufahren. Probleme bei der Entwicklung, Produktion, den Zulieferern und ein Absturz haben zur Folge, dass der Konzern inzwischen sechs Verlustjahre in Folge verbuchen muss.
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Deutsch-französische Militärprojekte
Frankreich und Deutschland stehen eigentlich, wie alle imperialistischen Staaten, im permanenten Wettbewerb untereinander. Speziell innerhalb der EU setzen sich beide Staaten das Ziel, ihre Interessen durchzusetzen, um schlussendlich ihren globalen Einflussbereich auszuweiten. Doch dieses strategische Ziel schließt nicht aus, dass es zu taktischen Bündnissen zwischen den beiden größten europäischen Mächten kommen kann. Ein solches Bündnis ist das deutsch-französische Joint Venture „MGCS Project Company GmbH“, das 2012 gegründet wurde.
Die Rüstungskonzerne Rheinmetall, KNDS und Thales haben sich im Rahmen dieses Projekts zusammengeschlossen, um die Planung für Europas nächsten Kampfpanzer voranzutreiben. Seit neuestem hat sich ein 50-köpfiges Planungsbüro in Köln-Mülheim niedergelassen, um dort das „Main Ground Combat System” zu planen – ein „Hauptbodenkampfsystem“ oder einfacher ausgedrückt: ein Kampfpanzer, der etwa im Jahre 2040 in der Bundeswehr den „Leopard-2”-Panzer ablösen soll. Gegen die Planung der Panzer von morgen regt sich vor Ort jedoch Widerstand unter dem Namen „Veedel ohne Panzer“.
Demselben Prinzip folgt ein weiteres Großprojekt zwischen Deutschland und Frankreich: Mit dem „Future Air Combat System”, kurz FCAS, soll die kommende Generation von Kampfflugzeugen entwickelt und gebaut werden. Der bereits erwähnte Eurofighter der deutschen Luftwaffe und das Rafale-Kampfflugzeug der französischen Armee sollen durch das FCAS bis zum Jahr 2040 ersetzt werden. Nach Angaben der beiden Staaten wolle man bei diesem Vorhaben in der näheren Zukunft entscheidend vorankommen.
Die Amtszeit der beiden Staatschefs von Deutschland und Frankreich, Friedrich Merz (CDU) und Emanuel Macron (Renaissance), wird sich allerdings nur noch für etwa zwei Jahre überschneiden. Denn im Jahr 2027 sind in Frankreich Neuwahlen. Airbus-Defence-Chef Michael Schöllhorn sieht darin ein noch offenes Fenster von Möglichkeiten, das sich nach der gemeinsamen Amtszeit dieses Rüstungs-Dream-Teams eventuell schließen könnte. Er sagte der Tagesschau: „Wir müssen jetzt wirklich ins Handeln kommen, und die Zeiten der Ankündigungen müssen vorbei sein.“ Denn man müsse wehrfähig sein, da es gelte, zukünftige Angriffe von Russland abwehren zu können.
Für die Wirtschaft ist Planbarkeit alles. Deshalb machen die Rüstungskonzerne Druck. Sie wollen den vollen Schwung des Rüstungswahns der Herrschenden mitnehmen und so viele Deals in trockene Tücher bekommen wie möglich. Wenn man sich dabei als Produzent von Waffen, die Frieden und Demokratie in die Welt bringen, inszenieren kann, ist das natürlich förderlich. Damit können die Gräueltaten, die mit den Waffen in der Realität geschehen, geschickt verschleiert werden.
Wer nicht untätig zusehen will, wie wir alle nach und nach für den deutschen oder auch französischen Imperialismus verheizt werden, kann sich beispielsweise diesen Sommer auf das Rheinmetall Entwaffnen-Camp in Köln vorbereiten. Dort werden entschiedene Aktionen und Demonstrationen gegen die Rüstungsindustrie im Zentrum stehen. Denn wir müssen tatsächlich wehrhaft werden – allerdings für unsere eigenen Interessen.