Tausende Teilnehmer:innen aus aller Welt reisten nach Ägypten, um an der Grenze zu Gaza gegen den Genozid zu demonstrieren. Der geplante Marsch zur Grenze fand allerdings nicht statt. Nach mehreren Tagen voller Polizeigewalt, Schikane und Abschiebungen brechen die Organisator:innen die Aktion vorzeitig ab.
Der „Global March to Gaza“ versteht sich selbst als eine friedliche, unpolitische und zivilgesellschaftliche Bewegung. Organisationen und Aktivist:innen aus über 50 Ländern initiierten und unterstützen den Marsch – darunter Code Pink und das Palestinian Youth Movement. Auch verschiedene Gewerkschaften, Arbeiter:innenverbände und weitere internationalistische, feministische und antimilitaristische Organisationen sind dem Aufruf gefolgt.
Unter den Veranstalter:innen befanden sich auch Ärzt:innen, die bereits humanitäre Einsätze in Gaza geleistet haben. Mitunter beteiligt war eine Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Auch Delegierte der Freedom Flotilla Coalition nahmen teil. Ebenso eine Delegation, die mit dem „Sumud-Konvoi“ in Tunesien gestartet ist.
Aktivist:innen fordern Ende der Besatzung
Das Ziel war es, mit tausenden Menschen zum Grenzübergang in Rafah zu marschieren und dort zu demonstrieren. Damit sollte international Druck auf Regierungen ausgeübt werden. Die Aktivist:innen forderten unter anderem einen sofortigen Stopp der Bombenangriffe im Gazastreifen und die vollständige und dauerhafte Öffnung der Grenzen für humanitäre Hilfe.
Hinzu kam die Forderung nach einem Abzug aller israelischen Streitkräfte aus dem Gazastreifen und dem Beginn eines internationalen Wiederaufbauprogramms. Neben Gaza solle aber auch die Kolonisierung im Westjordanland beendet werden.
Der Plan war, dass die Delegationen am 12. Juni in Kairo ankommen sollte, um am Tag darauf zum Start des Marsches nach Al-Arish zu fahren. Daraufhin sollte der zwei- bis dreitägige Marsch nach Rafah stattfinden, wo dann drei Tage gecampt und demonstriert werden sollte. Die Rückkehr war für den 19. Juni geplant.
Die Organisator:innen sprachen zuvor von 4.000 erwarteten Teilnehmer:innen. Allein dem Sumud-Konvoi aus Tunesien schlossen sich etwa 1.700 Menschen an. Wie viele es schlussendlich wurden, ist nicht bekannt. Besonders große Delegationen gab es unter anderen aus Kanada, der Schweiz und Frankreich. Auch Internationalist:innen der Demokratischen Jugend YUNA aus Deutschland sind angereist.
Repression durch ägyptische Behörden
Doch trotz vorheriger Kooperation mit ägyptischen Behörden wurde bald klar, dass alles getan wird, um den Marsch von dem Startpunkt im Norden des Sinais abzuhalten.
Am vergangenen Samstag und Sonntag kam es bereits zu hunderten Festnahmen und dutzenden Abschiebungen. Aktivist:innen wurden am Flughafen, in Hotels und auf offener Straße festgenommen, in Busse oder Verhörräume gebracht. Ihre Pässe wurden eingesammelt und erst nach mehreren Stunden zurückgegeben.
Viele Festgenommene berichten von körperlicher Gewalt durch die Polizei bei den Festnahmen und im Verhör. Sie berichten auch, dass die Festnahmen ohne Vorwurf stattfanden und ihnen nicht erlaubt wurde, Anwält:innen oder Angehörige zu kontaktieren. Auch die Konsulate der jeweiligen Herkunftsländer der Aktivist:innen wurden zum Teil nicht informiert.
Einige der Organisator:innen des Marsches wurden gezielt in Kairo festgenommen. Zeug:innen einer Festnahme berichten, dass ihre Handys konfisziert und Aufnahmen gelöscht wurden. Unter anderen wurde der Spanisch-Palästinensische Organisator Saif Abukeshek mit zwei weiteren Personen am Montagnachmittag festgenommen. Die zwei Festgenommenen aus Norwegen wurden später zu einer Haftanstalt im Flughafen gebracht, Abukeshek bleibt verschollen.
Sie erzählen, dass zivil gekleidete Polizisten den drei Teilnehmern die Augen verbanden, Handschellen anlegten und verschleppten – ohne einen Vorwurf zu nennen. Sie wurden verhört und brutal geschlagen. Abukeshek soll dabei besonders gewaltsam angegangen worden sein.
Entscheidung für Abbruch des Marschs
Die Organisator:innen nahmen Kontakt mit den relevanten Konsulaten auf. Doch diese waren nicht bereit zu kooperieren. Daher kam es zu der Entscheidung, den Marsch abzubrechen und vorzeitig aus Ägypten auszureisen. In der Erklärung wird auch die Freilassung der weiterhin Festgenommen gefordert.
Nicht nur die internationalen Delegationen, welche nach Ägypten gereist sind, brechen den Marsch ab. Auch der Sumud-Konvoi und die knapp 1.700 Menschen, welche den Hilfskonvoi begleiten, beenden ihre Reise.
Laut Mada Masr beschloss die Kolonne aus Tunesien am Montag, sich zurückzuziehen. Zuvor hatte sie mehrere Tage vergeblich versucht, von ostlibyschen Einheiten nach Ägypten gelassen zu werden. Mindestens 13 Teilnehmende wurden von ostlibyschen Kräften festgenommen und bislang nicht freigelassen.
Aktivist:innen wollen weiter Druck aufbauen
Libysche als auch ägyptische Kräfte möchten nicht, dass Menschen an der Grenze zu Gaza demonstrieren, da dies ein schlechtes Licht auf die Regierung wirft. Denn trotz der Lippenbekenntnisse vieler Staaten aus Südwestasien und Nordafrika arbeiten deren Regierungen weiterhin mit dem israelischen Staat zusammen und befeuern den Genozid in Gaza. Die ägyptischen und ostlibyschen Militärdiktaturen bilden hier keine Ausnahme.
Freedom Flotilla Madleen: Israel nimmt Aktivist:innen rechtswidrig fest
Polizeigewalt, Schikane, Abschiebungen und Repression sind keine Seltenheit für die palästinasolidarische Bewegung. Doch diese Repression ist auch ein Zeichen dafür, dass der Druck Wirkung zeigt. Weltweit solidarisierten sich Menschen – auch in Berlin und Den Haag fanden große Demonstrationen statt.
Auch die Organisator:innen betonen, dass sie nicht scheitern, selbst wenn sie ihr Ziel nicht erreichen – solange Gaza weiterhin die Aufmerksamkeit der Welt erhält und der internationale Druck wächst.