Zeitung für Solidarität und Widerstand

Profite durch Verdrängung: Das Horrorgeschäft der RS-Wohnwerte Leipzig

7qm-Zimmer für Wucherpreise, ausfallende Heizungen, angedrohte Kündigungen: Betroffene berichten, wie Immobilienhaie den Leipziger Wohnungsmarkt zu einem Horrorgeschäft machen. Dabei ist im Kapitalismus die Entmenschlichung grundlegender Bedürfnisse Alltag. – Ein Kommentar von Mika Krasin.

Die RS Wohnwerte (ehemals United Capital) unter Sven Schwarzat und Kevin Rader sind in letzter Zeit nicht nur die „Horror WG“ bekannt geworden – sie besitzen nach eigenen Angaben um die 300 Immobilien in Leipzig. Derartige Unternehmen fallen nicht nur durch ausbleibende Reparaturen, zurückgehaltene Kautionen und fehlende Kommunikationswege auf, sondern drohen ihren Mieter:innen zum Teil auch mit Kündigungen oder Anzeigen, wenn diese sich zusammenschließen wollen.

Diese Praktiken dienen dazu, Mieter:innen möglichst widerstandslos aus den Wohnungen zu drängen, um anschließend die Mieten zu erhöhen und den Profit zu maximieren. Das Beispiel von RS Wohnwerte zeigt sehr deutlich, wie entmenschlicht der Wohnungsmarkt im Kapitalismus organisiert ist. Das berichten auch Betroffene aus der Arthur-Hoffmann-Straße im Leipziger Süden.

Ausfallende Heizungen, fehlendes Warmwasser

Seitdem das Gebäude in der Arthur-Hoffmann-Straße von Sven Schwarzat aufgekauft wurde, scheinen grundlegende Aufgaben im Haus nicht mehr erledigt zu werden. Trotz pünktlich gezahlter Miete haben die Bewohner:innen des Hauses regelmäßig kein Warmwasser, und die Heizungen fallen oft aus. Besonders in den Wintermonaten sei dies hart gewesen, die Zimmertemperaturen seien auf 13 Grad Celsius gesunken, und das mit einem Kleinkind in der Wohnung.

Darüber hinaus werden notwendige Reparaturen nicht durchgeführt. Die Bewohner:innen berichten von kaputten Duschwänden, Wasserschäden infolge unsachgemäßer Sanierungen sowie defekten Wasserleitungen.

Da sich die Hausverwaltung – die sich nebenbei erwähnt in einem Liquidationsverfahren befindet – nicht zurückmeldet, müssen sich die Bewohner:innen teilweise auf eigene Kosten selbst um die Reparaturen kümmern. „Außer wenn man kündigen möchte, dann kommt auf einmal eine Antwort“, erzählt einer der Bewohner.

Schikanen und Drohungen – Protest unerwünscht

Als sich der Gewerbeinhaber des Hauses öffentlich auf seinem Social Media Account zu den Zuständen im Haus äußerte, wurde ihm mit einer Anzeige wegen Rufschädigung gedroht, wenn die Posts nicht umgehend gelöscht würden. Einer weiteren Person wurde wegen angeblich nicht gezahlter Miete mit einer fristlosen Kündigung gedroht. Da Schwarzat vermutlich seine Tabellen nicht im Griff und den Namen des Bewohners falsch hinterlegt hatte, wurde die Kündigung wieder zurückgezogen.

Eine persönliche Kontaktaufnahme gab es dabei nicht, und das sorgte für Unsicherheiten: „Wir hatten natürlich erstmal unfassbar Schiss, dass er uns einfach vor die Tür setzt.“ Ob diese Kündigung die Bewohner gezielt einschüchtern sollte oder aus der mangelnden Kompetenz Schwarzats resultierte, lässt sich nur mutmaßen. Es steht aber fest, dass die Kündigung den Mieter zum Zeitpunkt der beginnenden Vernetzung im Haus erreichte. Zudem bekamen die Bewohner:innen mit alten Mietverträgen eine Verwertungskündigung mit der Begründung, dass Schwarzat die Immobilie weiterverkaufen wolle. Da die neuen Mieter:innen diese Verwertungskündigung nicht erhielten, wird sein eigentliches Vorhaben deutlich: Die Wohnungen sollen so umgebaut werden, dass einzelne Zimmer vermietet werden und die Gewinne so erhöht werden können.

Trotz all dieser Schikanen lassen die Bewohner:innen des Hauses sich aber nicht einschüchtern und setzen sich gemeinsam zur Wehr. Denn sie haben die Taktik des Besitzers durchschaut: „Er macht uns das Leben schwer, damit wir rausgehen, damit er die 31 € warm verlangen kann.“, führt eine Bewohnerin aus. Ein weiterer Bewohner ergänzt: „Und es gibt halt auch Fälle, die sind natürlich Stress, aber man kann sich irgendwie schon dagegen wehren, und man hat dadurch halt auch ein dickeres Fell aufgebaut … Der hat eigentlich nicht so viel Hebel außer wirklich einfach Stress machen.“

Konkret fordern die Bewohner:innen des Hauses nicht viel: „Es wäre eigentlich relativ einfach. Wir haben einen Vertrag. Wir halten uns dran und bezahlen unsere Miete pünktlich. Wäre schön, wenn du es auch machen würdest.“ Einer der Bewohner führt weiter aus: „Die grundlegenden Dinge einfach machen. Es geht darum, dass der Müll nicht jahrelang rumsteht, dass Wasseranschlüsse repariert werden, heißes Wasser und dass wir eine Heizung haben im Winter.“

Wohnen im Kapitalismus – ein ewiges Leid

Fälle wie der in der Arthur-Hoffmann-Straße sind kein Zufall: Im Kapitalismus wird unser Grundbedürfnis nach Wohnen zur Ware und zur Profitmaximierung genutzt. Wohnraum wird nicht nach Bedarf verteilt, sondern nach Zahlungsfähigkeit. Der Zugang zu Wohnraum wird zunehmend durch Großanbieter wie Vonovia, Deutsche Wohnen oder eben RS Wohnwerte unter Kevin Rader und Sven Schwarzat kontrollliert. Unternehmen wie diese sind ausschließlich daran interessiert, ihre Gewinne zu steigern – in einer explodierenden Stadt wie Leipzig eben vor allem auf Kosten von unwissenden Studierenden, die in der Not eben noch bestimmte Zumutungen über sich ergehen lassen.

Auch der Staat ist hier für uns keine Hilfe. Entweder lässt er diese räuberischen Praktiken bewusst geschehen, oder ist im Zweifelsfall dann die Institution, die unliebsame Mieter:innen gewaltsam zwangsräumt.

Die Verwahrlosung von Häusern, die Einschüchterung durch Vermieter:innen und systematische Verdrängung wie in der Arthur-Hoffmann-Straße sind keine Ausnahme oder schlechte Unternehmensführung, sondern Teil einer Strategie: Gebäude werden gezielt dem Verfall überlassen, um Kosten zu sparen und Bewohner:innen aus ihren Wohnungen zu verdrängen. Ziel ist es, die Immobilien anschließend zu sanieren oder zu modernisieren, um sie schließlich deutlich teurer vermieten zu können.

Das Problem ist aber komplexer als nur der Handel mit Wohnraum. Dadurch, dass sich im Kapitalismus auch Grund und Boden in privater Hand befinden, werden dieser ebenfalls zur Ware. Da Boden eine endliche Ressource ist und besonders in Städten nicht beliebig viel neuer Baugrund geschaffen werden kann, können Eigentümer:innen mit den Grundstücken spekulieren. Die steigenden Bodenpreise bei Neubau werden dann auf die Mieten umgelegt, da die Investor:innen ihre Kosten und Rendite wieder reinholen wollen.

Ohne Systemwechsel keine Lösung – Leipziger:innen wehren sich

Es wird deutlich: Im Kapitalismus wird Grund und Boden sowie Wohnraum zur Profitmaximierung genutzt, statt zur Deckung unseres Bedarfs. Der Widerspruch von zunehmender Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum und immer weiter steigenden Mietpreisen kann ohne eine Vergesellschaftung von Grund und Boden wie im Sozialismus nicht aufgelöst werden. Schließlich wird Wohnraum im Kapitalismus immer marktorientiert organisiert und bleibt somit ungleich verteilt.

Auch vermeintlich „radikale” Umverteilungsprojekte wie „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen” haben es deshalb bisher noch nicht vermocht, diesen Widerspruch im Kapitalismus aufzulösen. Nichtsdestotrotz bleibt der Widerstand von Mieter:innen legitim.

So hat es sich beispielsweise das Solidaritätsnetzwerk in Leipzig zur Aufgabe gemacht, die Mieter:innen in ihrem Protest zu unterstützen. Unter dem Motto „United against Capital. Die Stadt gehört uns!” haben sie eine Kampagne ins Leben gerufen, bei der Betroffene von Schwarzats und Radars Praktiken miteinander vernetzt werden, um gemeinsam Widerstand aufzubauen. Und dass dieser auch wirken kann, werden Schwarzat und Rader in Leipzig wohl bald mitbekommen.

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