Im brandenburgischen Bad Freienwalde wurde am Wochenende eine antifaschistische Veranstaltung gegen Rechtsruck und für gesellschaftliche Vielfalt von Faschist:innen angegriffen. Über die Herausforderungen und Chancen antifaschistischer Gegenwehr. – Ein Kommentar von Paul Gerber.
In zahlreichen Städten fanden am vergangenen Samstag und Sonntag CSD-Demonstrationen (Christopher Street Days) statt. Doch vielerorts konnten LGBTI+ Menschen als Personen mit von der heterosexuellen „Norm“ abweichender Sexualität oder Geschlechtsidentität nicht ungestört für ihre Gleichstellung und ein angstfreies Leben auf die Straßen gehen.
Nicht umsonst hatte sich in diesem Jahr die Initiative CSD Verteidigen gebildet, die Antifaschist:innen dazu aufruft, sich zum Schutz der CSD-Veranstaltungen in ihrer Region zusammenzuschließen.
Zu einem der wohl massivsten faschistischen Angriffe ist es nun aber nicht in den deutschen Großstädten gekommen – obwohl auch dort Neonazis demonstrativ Präsenz gezeigt hatten, um ein Drohszenario aufzubauen –, sondern im brandenburgischen Bad Freienwalde.
In der Kleinstadt mit gut 10.000 Einwohner:innen in der Nähe der polnischen Grenze hatte ein Bündnis zur Kundgebung unter dem Motto „Bad Freienwalde ist bunt!“ aufgerufen. Neben LGBTI+ Organisationen nahmen daran auch antifaschistische Strukturen, kleinere Zusammenschlüsse von Geflüchteten-Selbstorganisation und einzelne Schulen aus der Stadt teil.
Selbstverteidigung statt Polizeischutz
Nach Presseberichten wurde die Veranstaltung gegen 12 Uhr von etwa einem dutzend vermummter Angreifer:innen überfallen, die mit Holzlatten, Quarzhandschuhen und anderen Gegenständen auf Teilnehmer:innen einschlugen. Die Polizei konnte den Angriff nicht verhindern oder gar darauf reagieren – noch vor ihrem Eintreffen ergriffen die Täter:innen die Flucht.
Warum eine solche Veranstaltung ohne Polizeischutz stattfand, obwohl Faschist:innen in den vergangenen Wochen immer wieder CSD-Veranstaltungen bedrohen, bleibt offen. Die Veranstalter:innen berichten auch von Störungen im Vorfeld der Veranstaltung.
Schließlich konnten die Versammlungsteilnehmer:innen die Angreifer selbst vertreiben und durch Selbstverteidigung Schlimmeres abwenden: Nachdem sie entschlossen auf die Täter zuliefen, sie lautstark zum Abhauen aufforderten und mindestens einen der Täter zwischenzeitlich festhielten, entschlossen sich diese, die Flucht zu ergreifen. Die Angreifer waren laut Augenzeugen organisiert und verständigten sich mit einem zuvor ausgemachten Kommando „Abbruch“, den Angriff zu beenden, bevor die Polizei eintraf.
Antifaschistische Selbstverteidigung aufbauen
Der Vorfall in Bad Freienwalde zeigt verschiedene Aspekte der aktuellen politischen Entwicklung ganz besonders klar auf: Es wird deutlich, dass der Zusammenschluss von allen antifaschistisch gesinnten Menschen zur Verteidigung gerade derjenigen, die heute besonders im Zentrum faschistischer Gewalt und Drohungen stehen – beispielsweise Migrant:innen und LGBTI+ – mehr als notwendig ist und bleibt.
In manchen Teilen des Landes (besonders in ländlichen Regionen) sind Faschist:innen zunehmend darauf aus, mit gewaltsamen Übergriffen und Drohgebärden ihre Vorherrschaft auf den Straßen zu sichern und eine dauerhafte Atmosphäre der Angst zu etablieren.
Wir müssen dabei erkennen, dass antifaschistisch gesinnte Menschen aus den Großstädten zwar gezielt in solche Regionen reisen können, um ein Gegengewicht zu den faschistischen Terrormethoden zu schaffen. Wirklich erfolgreich zurückgeschlagen werden kann die faschistische Gefahr dort jedoch nur durch dauerhafte Arbeit vor Ort, die den Neofaschist:innen nicht nur entschiedene körperliche Gegenwehr entgegensetzt, sondern ihnen auch Stück für Stück wieder den politischen Boden nimmt.
CSDs verteidigen – Gegen Repression und faschistische Angriffe
Das mutige Eingreifen der Teilnehmer:innen in Bad Freienwalde und auch die Tatsache, dass die geplante Veranstaltung danach wie geplant durchgeführt wurde, zeigt, dass das möglich ist. Auch martialisch auftretende Nazi-Schlägerbanden können dann schnell entzaubert werden, wenn wir uns nicht gegenseitig im Stich lassen, sondern zusammen stehen und uns gemeinsam verteidigen.