Aufgrund „gestiegener Bedrohung der Polizei“, will Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) diese jetzt flächendeckend mit Tasern ausstatten. Doch wie „sicher“ sind Taser wirklich?
Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), möchte die Bundespolizei mit Tasern ausrüsten. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausstattung der Polizei mit den Waffen möchte er noch in diesem Jahr auf den Weg bringen. Sein Vorhaben begründet er mit einer „gestiegene(n) Bedrohung der Polizei im öffentlichen Raum“.
Gerade an Bahnhöfen, einem der Haupteinsatzgebiete der Bundespolizei, sei die Lage in den letzten Jahren durch die Häufung von Messerattacken gefährlicher geworden. Polizist:innen bräuchten die Taser, um Angreifer „effektiver ausschalten“ und „sich selbst besser schützen“ zu können. „Der Taser ist das richtige Einsatzgerät, um genau an der Schnittstelle zwischen Schlagstock als Nahwaffe und der Pistole als Fernwaffe zu wirken“, so Dobrindt.
Wie sicher sind Taser?
Mit seinem Vorstoß hat Dobrindt auch die Diskussion um die Sicherheit der Taser von neuem entfacht. Lange galten die Elektroschockpistolen als nicht-tödliche und sichere Alternative zur Schusswaffe, um Angreifer auszuschalten. So zumindest der Grundgedanke. Vor diesem Hintergrund kommt der Taser auch schon seit Jahren in den USA und seit einer Weile auch in Deutschland bei ausgewählten Spezialeinheiten und einigen Landespolizeien zum Einsatz.
Doch ist die Bilanz eher eine andere, als die einer sicheren und nicht-tödlichen Schusswaffenalternative und es gibt viel Kritik an ihrem Einsatz. Unter anderem wird der Taser viel öfter als die Schusswaffe eingesetzt und die Hemmschwelle scheint – gerade wegen der angeblichen nicht-tödlichen Wirkung – für Polizist:innen um einiges tiefer zu liegen.
Doch immer wieder sterben Menschen nach dem Einsatz der Taser. In den USA soll es eine vierstellige Zahl von Opfern geben und auch in Deutschland sind mindestens zehn Menschen nach dem Einsatz von Tasern gestorben. In beiden Ländern sterben also immer wieder Menschen nach einem Tasereinsatz, auch wenn beide Polizeibehörden den direkten Zusammenhang abstreiten. Dabei ist die Dunkelziffer in beiden Ländern vermutlich um einiges höher, denn einheitliche Statistiken zur Erfassung von Todesfällen im Zusammenhang mit Tasern gibt es nicht.
Woher kommen die Taser?
Einer der Gründe dafür ist, dass der Konzern Axon, von dem der Taser übrigens auch seinen Namen hat, versucht Tode im Zusammenhang mit ihrem Produkt zu vertuschen und den Taser weiter als sicher darzustellen. Dafür geben sie unter anderem „Hinweise“ und „Verfahrensvorschläge“ an Behörden, wie sie sich nach einem tödlichen Tasereinsatz verhalten sollten.
Auch auf Mediziner:innen übt das Unternehmen Druck aus. Unter anderem droht Axon Rechtsmediziner:innen, die bei Obduktionen den Taser als Todesursache benennen, mit Anzeigen. Gleichzeitig verteilen sie Broschüren über die Todesursache des „Exzitierten Delir“.
Obwohl der Begriff unter Expert:innen größtenteils als veraltet und nicht nutzbar gilt, fördert Axon seit Jahren seine weitere Verwendung, vor allem wenn Menschen nach dem Einsatz von Tasern sterben. Todesursache soll dann nicht der Taser, sondern die extreme Aufregung der Opfer gewesen sein, die sie so oder so zum Tod geführt hätte.
Axon ist das führende Unternehmen in Sachen Tasern, versorgt praktisch den gesamten Sicherheitsapparat der USA und auch andere Polizeien mit den Elektroschockwaffen. Zur Produktpalette des Konzerns, der auch in Deutschland ansässig ist, gehören außerdem Bodycams, Drohnen, VR-Equipment und Software zur digitalen Beweismittelsicherung.
Aufrüstung nach innen und außen
2024 übernahm Axon das Kasseler Unternehmen „Dedrone“. Dedrone ist nach eigenen Angaben ein führendes Unternehmen in Sachen Detektion und Abwehr von Drohnen. Ein wichtiger Schritt für Axon zur Erweiterung ihrer Produktpalette mit Drohnen und Luftabwehrsystemen und vielleicht eine Möglichkeit, nicht nur mit der „öffentlichen Sicherheit“, sondern auch auf dem militärischen Markt zu handeln.
So wird Axon nicht nur zu einem Profiteur und Protagonisten der inneren Aufrüstung, sondern kann bald auch beim „richtigen Krieg“ mitmischen. Vor diesem Hintergrund muss man auch den Vorstoß Dobrindts einordnen. Die Ausrüstung der Bundespolizei mit Tasern wird kaum für mehr Sicherheit und weniger Tote, sondern eher für das Gegenteil sorgen.
Er reiht sich ein in eine lange Liste von Maßnahmen, die der Bundes- und den Landespolizeien, den Geheimdiensten und anderen Sicherheitsbehörden mehr Befugnisse einräumen und bessere Ausrüstung versprechen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zum Beispiel die neuen Polizeigesetze aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und NRW, der Einsatz von Gesichtserkennungssoftware bei Videoüberwachung, aber auch die Einschränkungen des Versammlungsrechts im Zusammenhang mit pro-palästinensischen Protesten.
Ebenfalls in diesem Zusammenhang, sollte man auch Dobrindts Warnungen vor den gefährlichen Bahnhöfen oder der wachsenden Gewaltbereitschaft von Extremisten sehen. Sie folgt einem altbekannten Muster: Eine reale oder vermeintliche Gefahr, wird völlig aus dem Zusammenhang gerissen und von ihrer Ursache entfremdet, um sie dann mit mehr Polizei, mehr Überwachung oder eben mehr Tasern zu beantworten.