Die zweite Runde der Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine am Montag erbrachte keine großen Fortschritte. Zuvor startete die Ukraine eine Drohnenoffensive und griff russische Infrastruktur an. Vorerst stehen die Zeichen weiter auf Eskalation.
Am Montag trafen sich erneut russische und ukrainische Vertreter:innen in Istanbul, um über eine mögliche Waffenruhe im Krieg um die Ukraine zu verhandeln. Im Vorfeld erregte aber vor allem eine neue Drohnenoffensive der ukrainischen Streitkräfte Aufsehen:
Es sei gelungen, rund 40 russische Langstreckenbomber durch Drohnenangriffe zu zerstören. Bemerkenswert ist daran vor allem, dass die Bomber mehr als 4.000 Kilometer entfernt von der ukrainischen Grenze in Ostsibirien stationiert waren. Man hat es also geschafft, unbemerkt tief in russisches Staatsgebiet einzudringen. Laut ukrainischen Angaben resultierte das Vorhaben, das seit mehr als anderthalb Jahren geplant wurde, in einem Schaden von rund sieben Milliarden US-Dollar. Zudem habe man rund ein Drittel der strategischen Marschflugkörperträger, die auf den wichtigsten russischen Luftwaffenstützpunkten stationiert waren, zerstört.
Die Angaben zu Details und bereitetem Schaden lassen sich nicht unabhängig überprüfen, jedoch sind Expert:innen über das Ausmaß der Operation überrascht. Zusätzlich fanden am Wochenende Angriffe auf russische Züge in den Grenzregionen Kursk und Bryansk statt, die zumm Einsturz von zwei Brücken, zu über 70 Verletzten und 7 Toten führten.
Auch von russischer Seite hatte es im Vorlauf zu den Verhandlungen Angriffe gegeben, wenn auch in geringerem Umfang: Berichtet wurde unter anderem über einen Drohnenangriff auf einen Hafen in der Odessa-Region. Zudem fand ein Raketenangriff auf eine ukrainische Ausbildungseinheit statt, bei der laut Kiew zwölf Tote zu vermelden sind. Der Angriff sorgte außerdem für den Rücktritt von Mykhaïlo Drapatiy, dem Chef der ukrainischen Bodentruppen. Präsident Selenskyj ernannte ihn allerdings nur wenige Tage später im Rahmen eines Umbaus der Militärführung zum neuen Kommandeur der Vereinigten Streitkräfte – ein weiteres Zeichen für die Vorbereitung auf eine neue heiße Phase im Krieg.
Raketenfeuer statt Sommerloch: Neue Eskalation im Ukrainekrieg besiegelt gescheiterte Gespräche
Drohnenoffensive vor allem politisch motiviert
Auf beiden Seiten war der Zeitpunkt der Angriffe kein Zufall. Man wollte sich jeweils für die neue Verhandlungsrunde in eine möglichst gute Position bringen. Zudem hat es vor allem die Ukraine geschafft medial zu punkten: Wie verheerend die Angriffe wirklich waren, ist schwer festzustellen, jedoch beweist die ukrainische Drohnenoffensive erneut die Überlegenheit im Drohnenkrieg, und auch der ukrainische Geheimdienst feiert einen großen Erfolg.
Zudem ist der Angriff vor allem deshalb von Bedeutung, da die zerstörten Langstreckenbomber scheinbar nukleare Fähigkeiten besaßen, also in der Lage gewesen wären, Atomangriffe durchzuführen. Einigen Stimmen zufolge erfordere dieser Angriff – der russischen Nukleardoktrin entsprechend – nun einen Atomschlag als Antwort. Die russische Nukleardoktrin hatte Putins Regierung erst Ende letzten Jahres verschärft.
Russische Militärblogger mutmaßen dementsprechend, dass eine aggressive Antwort Russlands zu provozieren das genaue Ziel der Operation war: Die Ukraine wolle Russland zu einem Rückzug aus den Verhandlungen oder ähnlichen Schritten zwingen, was wiederum für eine erneute Unterstützungswelle der NATO-Staaten sorgen sollte.
Dabei ginge es vor allem auch um die USA, deren Position im Krieg derzeit nicht völlig klar ist: Eigentlich möchte sich die Trump-Regierung auf den Konflikt mit China konzentrieren und drängt seit längerem auf schnelle Friedensverhandlungen, gerne auch auf Kosten der Ukraine. Nach den letzten russischen Angriffen äußerte sich Trump jedoch wieder sehr kritisch gegenüber Putin und behauptete, auch erneute Sanktionen in Betracht zu ziehen. Doch auch beispielsweise in Deutschland zeigt sich die Merz-Regierung zuletzt schwankend zu möglichen Taurus-Lieferungen.
Verhandlungen in Istanbul: Weiter verhärtete Fronten
Am Montag trafen sich schließlich erneut eine russische und ukrainische Delegation unter der Vermittlung der Türkei. Lange dauerten die Gespräche nicht an, nach etwa einer Stunde waren die Verhandlungen schon wieder beendet. Ebenfalls nahmen auch diesmal weder Wladimir Putin noch Wolodymyr Selenskyj an den Gesprächen teil. Ein Sprecher des türkischen Außenministeriums erklärte im Nachhinein euphemistisch, die Gespräche seien „ohne negatives Ergebnis“ beendet worden.
Nachdem schon in der ersten Verhandlungsrunde kein nennenswerter Fortschritt hin zu einer Waffenruhe oder gar einem Frieden erzielt wurde, setzte sich der Trend hier fort: Man habe lediglich Dokumente ausgetauscht und einen weiteren Gefangenenaustausch vorbereitet, ließ der ukrainische Präsident aus Litauen verlauten.
Die Forderungen liegen immer noch weit auseinander: Die Ukraine pocht weiter auf eine bedingungslose 30-tägige Waffenruhe als Vorbedingung für Friedensverhandlungen. Russland hingegen lehnt dies vollkommen ab und war bis vor kurzem noch darauf aus, die Kampfhandlungen erst im Kontext laufender Friedensverhandlungen einzustellen. Vor den jetzigen Verhandlungen gab die russische Seite nun aber an, zu einer Waffenruhe bereit zu sein, allerdings nur unter den Bedingungen, dass die Ukraine in dieser Zeit die Mobilmachung beende und westliche Staaten ihre Waffenlieferungen einstellten.
So möchte man verhindern, dass die Ukraine diese Zeit nutzt, um sich zu erholen und sich auf weitere Offensiven vorzubereiten. Zuletzt gelang es den russischen Streitkräften besser Verluste zu verkraften, weshalb Putin durchaus bereit ist, diese für Geländegewinn und Verhandlungsdruck in Kauf zu nehmen. Befürchtet wird also, dass die Ukraine deutlich mehr von einer Feuerpause profitieren würde als Russland.
Wie die Verhandlungen weiter verlaufen werden und ob zukünftig Fortschritte hin zu einer Waffenruhe möglich sind, bleibt abzuwarten. Sollte keine der beiden Seiten bezüglich ihrer Forderungen einknicken, stehen die Zeichen vorerst auf weitere Eskalation und eine Ausweitung des Konflikts.