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Verdrängung von Wohnungslosen: Die neue „Sicherheitsstrategie“ der KVB

Aufgerüstetes Personal, störende Musik an U-Bahn-Stationen, zunehmende Überwachung: Die neue „Sicherheitsstrategie“ der Kölner Verkehrs-Betriebe wird soziale Probleme nicht lösen, sondern nur verlagern. Besonders im Winter werden die Maßnahmen drastische Folgen für Obdachlose haben.

Im März 2025 sprach die Oberbürgermeisterin Henriette Reker von „einer Verwahrlosung Kölns“ – und das trotz der anhaltenden und vermehrt eingesetzten Überwachung der Stationen Neumarkt und Ebertplatz durch die Polizei seit Anfang 2024. Was die Kölner Verkehrsbetriebe nun als neue Sicherheitsstrategie entwarfen, wirkt wie eine Reaktion auf die Kritik von Reker.

Auslöser für die neue Strategie sollen Beschwerden von Fahrgäst:innen und Mitarbeiter:innen der KVB sein. Sie sollen durch Wohnungslose und drogenabhängige Personen, die in den Stationen oftmals ihre Schlafplätze finden, aggressiv angegangen worden sein. Um ein scheinbares Gefühl der Sicherheit zu erzeugen, soll in den Stationen Musik gespielt werden. Welche Stilrichtung dann zu hören sei, werde noch entschieden, so der Kölner Stadtanzeiger.

Angriffe gegen Obdachlose um 35 Prozent angestiegen

Dazu kommt, dass die KVB ein neues Teamkonzept entworfen hat. Nach diesem sollen ab 2026 die Bereiche Kontrolle, Service und Sicherheit zusammengelegt werden. Schlussendlich sollen Stationen in den Betriebspausen, also zwischen zwei und fünf Uhr morgens, geschlossen werden.

Wohnungslose sollen dann ab fünf Uhr morgens den Stationen verwiesen werden. Schon im vergangen Jahr wurden etliche Personen den Haltestellen verwiesen, knapp 56.000 Verweise gab es im Zusammenhang mit dem Betäubungsmittelverbot und dem Aufstellen von unerlaubten Lagern.

Verlagerung und Verdrängung statt Ursachenbekämpfung

Die KVB behauptet, diese Pläne stünden in keinem Zusammenhang mit einer Verdrängungstrategie wohnungsloser Menschen, denn es würden Alternativen angeboten werden. Dazu zählt ein Shuttle-Bus, der die Menschen zu Notfallschlafplätzen bringt und ein „Wärme-Bus“ der KVB, in denen wohnungslose Menschen zusätzlich durch ehrenamtliche Vereine versorgt würden.

Einen „größeren, gesellschaftlichen Kraftakt“ – so bezeichnet die KVB ihre Pläne und baut damit auf finanzielle Mittel der Politik und Mithilfe der Stadt, Polizei, des Gesundheitsamts und sozialer Einrichtungen. Die KVB würde darauf basierend ihren Beitrag leisten.

Kölner Grüne mit AfD und CDU gegen Obdachlosenunterkunft

Doch was zunächst für wohnungslose Menschen als bessere Alternativen anstelle der Stationen erscheint, weist bei näherem Betrachten Probleme auf. Laut LWL-Statistik sind derzeit knapp 11.000 Menschen in Köln als wohnungslos gemeldet. Knapp 400 davon leben dauerhaft auf der Straße. Das sind nur die offiziellen Zahlen – die Dunkel-Ziffer sei demnach noch viel höher.

Dazu kommt, dass es auch Menschen gibt, die nicht als wohnungslos gemeldet sind, aber dennoch kein dauerhaftes Zuhause haben. Sie pendeln dann oft von einer Couch zur nächsten.

Auf diese Zahlen kommen nur etwa acht Notfallschlafplätze mit insgesamt 80 Plätzen. Ergänzt wird das ganze durch 72 weitere Plätze in einem Unterbringungsangebot im Winter. Das sind zu wenige Plätze für die Zahl der Obdachlosen.

Unterkünfte für Obdachlose: Oft keine Alternative

Des weiteren wollen viele wohnungslose Menschen nicht in solche Unterkünfte und das aus vielerlei Gründen. Viele Menschen bezeichnen die Unterkünfte als „menschenunwürdig“, der „Gestank sei kaum auszuhalten“. Nach einer langen Zeit allein auf der Straße sind die Menschen große Ansammlungen in kleinen Räumen nicht mehr gewohnt. Zudem fürchten sie die Gefahr durch andere Wohnungslose, da in diesen Unterkünften oft gestohlen wird.

Das Angebot für Frauen ist zudem besonders unzureichend. Es gibt nur zwei reine Frauen-Unterkünfte. Viele Frauen wollen nicht in gemischte Unterkünfte – aus Angst vor sexualisierten Übergriffen oder Gewalt.

Außerdem besteht in den Unterkünften ein striktes Alkohol- und Drogenverbot. Das führt gerade bei Suchtkranken zum Vermeiden dieser Option. Oben drauf kommt noch der Umstand, dass sich viele Obdachlose nicht die Umstände dieser Unterkünfte antun wollen (oder können, da diese oft auch Geld kosten), und sich stattdessen zu einem Leben auf der Straße gedrängt werden.

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Die Pläne der KVB führen schlussendlich dazu, dass viele wohnungslose Menschen unter den freien Himmel vertrieben würden. Je nach Wetterbedingungen kann das enorm gefährlich für sie werden. Es bleibt also wie so oft bei einer reinen Symptombekämpfung, anstatt die eigentliche Ursache anzugehen. Denn das Thema Wohnungslosigkeit mit all seinen Problemen hat am Ende System.

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