Jedes Jahr veröffentlicht der Verfassungsschutz seinen Bericht zu den größten Bedrohungen für die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ der BRD. Während Rechte massiven Zuwachs erfahren, wird die linke Bewegung mit Repressionen überladen. Im Zuge der Kriegsvorbereitungen erlangen auch Cyberangriffe eine immer größere Relevanz.
Jedes Jahr veröffentlicht der Verfassungsschutz einen Bericht, in dem er die aus Staatssicht größten Bedrohungen für die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ auflistet. Neben der routinemäßigen Gleichsetzung von „Links- und Rechtsextremismus“, rücken angesichts der weltweiten Aufrüstungsbestrebungen auch die Fragen von Spionage und Cyberangriffen mehr und mehr in den Mittelpunkt der geheimdienstlichen Tätigkeiten.
Hybride Kriegsführung und Cyberangriffe
Die Zahl russischer Sabotageakte sei 2024 dabei „erheblich“ gestiegen. Seit Ende 2023 habe zudem der Einsatz sogenannter „Low-Level-Agenten“ zugenommen. Dabei handle es sich um Menschen, die von den russischen Nachrichtendiensten zur kurzfristigen Erfüllung von Aufträgen meist über das Internet angeworben und geführt würden. Unter anderem Spionage, Desinformation und Cyberangriffe sind dabei als Teil der hybriden Kriegsführung im 21. Jahrhundert zu verstehen.
Neben der Tatsache, dass Deutschland führende Macht in der EU und drittgrößte ökonomische Wirtschaftsmacht der Welt ist, werden relativ explizit die — seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verschärften — Spannungen, die aggressive Aufrüstungspolitik und die direkten Kriegsvorbereitungen der verschiedenen Staaten als Gründe für einen Anstieg in diesem Bereich genannt.
Als Hauptakteure werden hier zwar gleich vier verschiedene genannt: Russland, China, der Iran und der NATO-Partner Türkei, gerade Russlands sowie Chinas Spionageaktivitäten werden im Bericht jedoch hervorgehoben. Das entspricht damit auch einer zunehmend schärferen Rhetorik auf Seiten der deutschen Außenpolitik gegen die beiden Hauptkonkurrent:innen des westlichen Machtblocks, insbesondere in Form des westlichen NATO-Militärbündnisses.
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LGBTI+ und Migrant:innen im Fadenkreuz der Faschist:innen
Auf den in den letzten Jahren sich abzeichnenden gesellschaftlichen und politischen Rechtsruck und die rassistische Stimmungsmache durch die wiederholten Angriffe auf das Asylrecht durch die Bundesregierung und die verschiedenen bürgerlichen Parteien konnte die faschistische Bewegung dabei gut aufbauen.
Gemäßigte Positionen würden demnach zunehmend durch nationalistische und rechte Standpunkte an den Rand gedrängt werden und neue Anknüpfungspunkte gerade für junge Menschen geschaffen. Faschistische Jugendorganisationen wie Jung & Stark oder Deutsche Jugend Voran konnten innerhalb kurzer Zeit seit Sommer 2024 große Bekanntschaft erlangen.
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Allgemein erfuhr die rechte Bewegung mit einem personellen Anstieg von 10.000 auf 50.250 Personen weitaus mehr Zuwachs als der „Linksextremismus“. Vor allem die vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Alternative für Deutschland (AfD) konnte einen massiven Mitgliederzuwachs verzeichnen – mittlerweile werden 20.000 Mitglieder dieser Partei (von insgesamt 50.000) vom Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ eingestuft. Trotz der mit Abstand höchsten Zahlen im Bereich der Straftaten (37.835, Anstieg um 47,4 Prozent) wird der Rechtsextremismus im Bericht nicht mehr eindeutig und klar als größte Gefahr für Deutschland benannt.
Zudem kann eine Zunahme der internationalen Vernetzung zwischen rechten Kräften und Parteien beobachtet werden. Die wiederholten Wahlempfehlungen für die AfD des US-amerikanischen Vizepräsidenten James David „J.D.“ Vance und dem – seit kurzem als offizieller Regierungsberater zurückgetretenen – Tech-Milliardär Elon Musk kurz vor den Bundestagswahlen Anfang des Jahres haben das nochmal eindrücklich gezeigt.
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Zentrale Themen für die faschistische Bewegung sind weiterhin die Hetze gegen LGBTI+ und Migrant:innen. Gerade die Angriffe und Hetze gegen LGBTI+, die sich im Juni 2024 in den bundesweiten faschistischen Gegenmobilisierungen zu den Christopher Street Days (CSD) gezeigt haben, seien laut Bericht eine „besorgniserregende Entwicklung“.
Immer öfter geraten dabei auch Asylunterkünfte ins Fadenkreuz der Faschist:innen mit einem deutlichen Anstieg von Angriffen auf dieselben, darunter sechs Brandanschläge. Auch die zahlreichen Anschläge auf öffentliche Veranstaltungen durch islamische Fundamentalist:innen wie beim Magdeburger Weihnachtsmarkt, werden dabei gezielt von Rechten aufgegriffen, um anknüpfend an die rassistische Berichterstattung politisches Kapital aus den Gräueltaten zu schlagen und eine noch härtere Asylpolitik zu fordern.
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Ziviler Ungehorsam und militanter Antifaschismus
Vor allem das Thema Antifaschismus sei insbesondere im Rahmen der Europa- und Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen und der riesigen Wahlerfolge der AfD zu einem großen Angriffspunkt der linken Bewegung geworden. Dabei habe sich — gerade im Zuge des gesellschaftlichen Rechtsrucks und der Festnahme von drei Antifaschist:innen des sogenannten Antifa-Ost-Verfahrens, sowie des mutmaßlich ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette — die Frage eines militanten Antifaschismus entwickelt und die Betonung seiner Legitimität in den Vordergrund gedrängt.
Auch radikalere Protestformen abseits von Demonstrationen z.B. in Form „zivilen Ungehorsams“ durch Blockaden und Besetzungen scheinen sich mehr und mehr durchzusetzen und seit dem AfD-Bundesparteitag in Essen und den massenhaften antifaschistischen Gegenprotesten an Popularität zu gewinnen. Gleichzeitig ziehen sich Teile der „linksextremen Bewegung“ weiterhin zurück: In Sachsen erklärt sich das der Verfassungsschutz unter anderem durch den Erfolg von „polizeilichen Exekutivmaßnahmen gegen Angehörige der Leipziger Autonomen Szene“.
Trotz der Halbierung von „Gewalttaten gegen die Polizei/Sicherheitsbehörden“ im Vergleich zum vorherigen Jahr wird weiterhin versucht, das Bild eines gewaltbereiten linksextremen Mobs aufrechtzuerhalten. Zahlreiche Videos zu den Anti-AfD-Parteitag-Protesten und auch andere von massiven Repressionen überzogene Aktionen der linken oder palästinasolidarischen Bewegung zeigen jedoch, dass auch die Polizei immer gezielter Situationen eskalieren lässt.
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