Während die Bundeswehr mit Bratwurst, Tattoos und bunten Volksfesten um Nachwuchs wirbt, regt sich kreativer und lautstarker Widerstand gegen die Militarisierung der Gesellschaft. In mehreren Städten kam es zu Protesten gegen den Veteranentag – in Bad Vilbel sogar zu gewaltsamen Übergriffen durch Soldat:innen auf friedliche Demonstrierende.
Die Bundeswehr wirbt seit einiger Zeit wieder im großen Maßstab. Auf Straßenbahnen, Zügen, Bussen, Haltestellen und sogar auf Bäckereitüten findet sich immer öfter Werbung für die Bundeswehr. Der Grund: Der BRD fehlen gerade zehntausende Soldat:innen. Krieg und Hochrüstung wird also glorifiziert und proaktiv beworben – dabei schreckt man nicht einmal vor Schulen zurück. Der letzte Einfall des Verteidigungsministeriums und der Bundeswehr ist der sogenannte „Veteranentag“, bei dem man jetzt endlich auch mit Bier und Bratwurst das deutsche Militär bejubeln kann.
Laut der Bundesregierung ist der neue Veteranentag „ein überfälliges Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung“. Vergangenen Sonntag geschah dies erstmals bundesweit mit Festveranstaltungen, Bundeswehrapellen und Militärveranstaltungen. Insgesamt fanden etwa 130 solcher Veranstaltungen in ganz Deutschland statt.
Nach dem Motto „Für jeden ist etwas dabei“ wurden die Feierlichkeiten beispielsweise in Cham durch vergünstigte Tattoos und Piercings beworben. Die Jugend soll möglichst früh damit vertraut gemacht werden, welche großartigen Angebote die Bundeswehr auch für sie auffährt.
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete die Angehörigen der Bundeswehr als „zentralen Bestandteil der Gesellschaft und Garant für Frieden und Sicherheit“ in Deutschland und Europa. Bereits im letzten Jahr wurde der Veteranentag beschlossen um die Akzeptanz und Toleranz des Militärs innerhalb der Gesellschaft zu steigern und eben diese wieder kriegstüchtiger zu machen.
Seit dem Beginn der sogenannten „Zeitenwende“ wird – unter anderem durch solche Veranstaltungen – versucht, das Image der deutschen Armee aufzupolieren. Besonders bei jungen Menschen soll sie wieder beliebt gemacht werden. Das Militär will der Jugend den Dienst an der Waffe schmackhaft machen. All das passiert vor dem Hintergrund der massiven Aufrüstungskampange der Nato, laut der es 60.000 neue Soldat:innen in Deutschland braucht.
Nato fordert 260.000 deutsche Soldat:innen und 5 Prozent des BIP
Kreativer Protest gegen Militarisierung
Der Veteranentag wurde jedoch nicht ohne Widerstand absolviert, denn in zahlreichen Städten und Gemeinden gab es Protestaktionen gegen die Glorifizierung und Verharmlosung der Armee.
So wurden beispielsweise gefälschte Bundeswehr Plakate mit den Aufschriften „Deutscher Mix: Nazis, Patronen, Einzelfälle“ und „Abhängen mit Nazi Preppern?“ in Werbetafeln platziert. Alle dieser Plakate waren mit der verbindenden Parole „Nein zum Veteranentag“ versehen. Laut dem Spiegel sollen diese Plakate von Protestierenden des Antimilitaristischen Aktionsnetzwerks stammen.
Daneben fanden auch andere Aktionen auf der Straße statt. In Berlin riefen unter anderem das Bündnis Rheinmetall Entwaffnen, die Demokratische Jugend YUNA und die Internationale Jugend zu einer Demonstration auf. Die Organisationen wollten ein Zeichen gegen den Veteranentag und gegen Aufrüstung setzen. Die Demonstration zog durch die Innenstadt in die Sicht- und Hörweite des Veteranenfests, das mit Bauzäunen und Planen versucht wurde abzuschirmen.
„Heute haben wir mit vielen jungen Menschen ein Zeichen gesetzt! Gegen den sogenannten Veteranentag und alle anderen Propagandawerkzeuge, die uns darauf vorbereiten sollen für die Interessen der Reichen in den Krieg zu ziehen“, heißt es in einem Bericht der IJ auf ihrem Instagram-Account.
Ebenfalls in Berlin kam es zu einem aufsehenerregenden Protest direkt vor der Hauptbühne des Veteranenfests. Während die CDU-Politikerin Julia Klöckner auf der Bühne sprach, fielen gegen 14:46 Uhr mehrere Dutzend jugendliche BesucherInnen der Veranstaltung wie tot um. In ihren blutrot befleckten T-Shirts lagen sie reglos verstreut vor der Bühne des rund um das Reichstagsgebäude errichteten „Veteranendorfs“.
Damit wollten sie auf „das sinnlose Abschlachten von abertausenden Jugendlichen“ aufmerksam machen. Kurze Zeit später schritt die Polizei ein und führte die Aktivist:innen ab.

„Was Berliner Jugendliche brauchen, ist bezahlbarer Wohnraum, jugendliche Freiräume und eine Zukunftsperspektive. Stattdessen steigen die Preise und Jugendclubs schließen. Mitschüler von uns werden abgeschoben und die Wehrpflicht kommt. Währenddessen gibt es endlos Geld für Aufrüstung. Wir fordern ein Ende des Massakers an unseren Familien und den unserer Nachbarn in Gaza, dass sich die Bundesregierung für ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine einsetzt und ein Stopp aller deutschen Waffenlieferungen.“ sagt Ilias, ein 18-jähriger Auszubildender, der sich an der Aktion beteiligte.
Gewalt deutscher Soldat:innen gegen Friedensaktivist:innen
In Bad Vilbel kam es zu gewaltsamen Ausschreitungen auf dem örtlichen Veteranentag. Das Bündnis „Friedlicher Hessentag“ hatte unter dem Motto „Für einen Hessentag ohne Militär“ zu einer Demonstration aufgerufen. Mehrere hundert Menschen kamen zur Demonstration zusammen. Die Bundeswehr hatte dort eingeladen, in eine „Welt voller Action und Abenteuer“ einzutauchen.
Juni: Monat des Militarismus? Zwei Tage für Krieg und Aufrüstung
„Kinder in Kampfjets“ auf einem „als familienfreundliches Volksfest getarnten“ Event wollten die Demonstrierenden nicht hinnehmen. Später blockierten friedliche Protestierende den Eingang des Festzeltes der Bundeswehr. Daraufhin griffen einige Soldat:innen gewaltsam durch. Aufnahmen zeigen, wie die Bundeswehr den Protest zurückdrängt und dabei Transparente aus den Händen der Demonstrierenden reißt. Die Protestierenden rufen währenddessen „Deutsche Waffen, deutsches Geld – morden mit in aller Welt“.
Eine Aktivistin der Demokratischen Jugend kritisiert, dass die Bundeswehr „massivste Gewalt“ gegen die Demonstrierenden anwendet. Zudem sei dies ein Verstoß gegen das Grundgesetz, laut dem die Bundeswehr im Inland keine Gewalt anwenden und nicht die Rolle der Polizei übernehmen darf.