Nachdem die NATO vergangene Woche eine massive Aufrüstungskampagne für sämtliche Mitgliedsstaaten an den Start gebracht hat, gibt es nun neuen Aufwind für die Wehrpflichtdebatte in Deutschland.
Für Deutschland stehen zehntausende neue Soldat:Innen und Investitionen in Milliardenhöhe an. Es soll in Zukunft wohl immer mehr Geld in die Auf- und Hochrüstung fließen. Die Verteidigungsminister der NATO beschlossen letzte Woche in Brüssel eine 30-prozentige Steigerung der konventionellen Verteidigungsfähigkeit. Dieser Umstand verpflichtet Deutschland zu massiven Investitionen in die Rüstungsindustrie.
In Zukunft sollen NATO-Mitglieder dazu verpflichtet sein mindestens 3,5 Prozent des jeweiligen BIP für Aufrüstung zu verwenden, zuzüglich von 1,5 Prozent für Ausgaben für militärrelevante Infrastruktur. Diese Entwicklung würde einen Prozentsatz von 5 Prozent des BIP jährlich für Verteidigungsausgaben beanspruchen.
Pistorius kündigt ein schrittweises Anheben der Militärausgaben von 2,1 Prozent (2024) auf 3,5 Prozent (bis 2035) an. So sollen laut Pistorius jährlich 0,2 Prozent mehr für Rüstung ausgegeben werden, dabei bedeutet jeder zusätzliche Prozentpunkt 45 Milliarden Euro, bei 5 Prozent entspräche dies 225 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist fast die Hälfte des aktuellen Bundeshaushaltes.
Zehntausende Soldat:innen und hunderte Milliarden Euro – NATO plant massive Aufrüstung
Im Rahmen der neuen Bundesregierung ernannte Friedrich Merz (CDU) seinen Parteikollegen Henning Otte zum neuen Wehrbeauftragten Deutschlands. Dieser sagt der Tagesschau, dass die Wehrpflicht in diesem Jahr „auf Wiedervorlage“ kommt. Damit soll laut Otte eine Wehrpflicht dieses Jahr umfassender und ergebnisoffener diskutiert werden, dabei liegt der Fokus laut Herrn Otte selbst auf der Einführung eines zunehmend verpflichtenden Beitrags zur Wehrfähigkeit der Bundesrepublik.
Der Wehrpflicht-Diskurs
Nachdem die Wehrpflicht 2011 in Deutschland ausgesetzt wurde, wird nun also wieder heiß darüber diskutiert. Vor einigen Jahren noch war ein so offener Diskurs über eine Wehrpflicht nach mehr oder weniger altem Vorbild noch undenkbar. Wir erleben, dass diese Debatte nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Bevölkerung wieder mehr Aufschwung bekommt.
Die SPD steht in dieser Debatte für einen „neuen Wehrdienst“, dieser soll laut BR24 “auf Freiwilligkeit basieren“ und sich daran orientieren, „was die Bundeswehr braucht”. Das „was die Bundeswehr braucht“, sind laut Pistorius (SPD) 60.000 neue Soldat:innen. Schade nur, dass sich, laut den Rekrutierungen der Bundeswehr 2024, mit einem freiwilligen Wehrdienst keine 60.00 an der Waffe Dienende finden werden.
Die CDU/CSU hingegen positioniert sich offen für einen verpflichtenden Wehrdienst, konkret heißt es, dass man eine Wehrpflicht wolle, jedoch „nicht ganz“ nach altem Modell. Ebenso bringt die Union immer wieder etwas Feuer in diese Debatte, denn mit einer tatsächlichen Wehrpflicht ist sie – zusammen mit der AfD, welche sich noch konsequenter und explizierter für einen verpflichtenden Wehrdienst einsetzt – in der Opposition.
Dies gilt jedoch nur, wenn man diesen Umstand auf die Zahl der im Parlament vertretenen Parteien bezieht, denn die Mehrheit der Deutschen fordert die Wiedereinführung einer Wehrpflicht. Die Zustimmung kommt allerdings hauptsächlich von den Teilen der Gesellschaft, die selbst nicht direkt vom Wehrdienst betroffen wären – 18-29-jährige lehnen eine Wehrpflicht entschieden ab.
Das Bündnis90: Die Grünen wollen sich für die Attraktivität eines freiwilligen Wehrdienstes einsetzen, während BSW und Linkspartei eine Wehrpflicht konsequent ablehnen.
Wehrbeauftragter für Wehrpflicht
Der neue Wehrbeauftragte des Bundestags, Henning Otte (CDU), setzt sich für eine Wehrpflicht ein. Genauer sagt er der Tagesschau, dass die Truppe stark gefordert sei „sie darf nicht überdehnt werden“. Man könne nicht immer mehr auf die Schultern aufladen, die Schultern müssen breiter gemacht werden.
Otte will also, dass es mehr Soldat:innen in Deutschland gibt, auf die man die Verantwortung verteilen kann, doch dafür braucht man auch mehr freiwillige wehrfähige Jugendliche.
Bundeswehr im Aufwind: Kriegstüchtigkeit zeigt erste Wirkung
Ottes Meinung wird von seiner Fraktion geteilt. Er will die Wehrpflicht für junge Menschen attraktiver machen, dies will er durch verschiedene Maßnahmen erreichen. Er sagt, dass „der Dienst für unser Land“ stärker honoriert werden muss.
Rhetorik des Krieges
Insgesamt fällt auf, dass es nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb von Parteien große Uneinigkeit über das Thema gibt. Beispielsweise setzt sich die SPD für eine freiwillige Wehrpflicht ein, während der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) davon spricht, dass wir 60.000 neue Soldaten bräuchten, welche am besten noch dieses Jahr die Tore der Kasernen durchschreiten sollen. Dieses Ziel ist leider nicht mit einem freiwilligen Wehrdienst umzusetzen.
Was alle Parteien jedoch gemeinsam haben, ist, dass nur darüber geredet wird, wie man einen Krieg am besten führt und nicht wie man ihn verhindert. Wir erleben eine globale Aufrüstungskampagne, welche es so seit langer Zeit nicht mehr gab. Man will die Bundeswehr attraktiv und salonfähig machen, sie für die jungen Menschen herausputzen. Man will mehr Soldat:innen und ein stärkeres Militär, denn „Frieden wächst nicht au Schwäche, sondern aus Stärke“ – So der Wehrbeauftragte Otte.
So kann man beobachten, wie salonfähig die Debatte um einen verpflichtenden Dienst an der Waffe geworden ist. Der Rahmen der Debatte wird im Angesicht der Kriegsvorbereitungen immer weiter verschoben, von einem freiwilligen Wehrdienst, über die Musterung bis hin zur Wiedereinführung der Wehrpflicht.