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„Death, Death to the IDF“ – plötzlich hören alle zu

Der propalästinensische Auftritt der britischen Band Bob Vylan auf dem Glastonbury-Festival sorgt erneut für „Eklat“-Stimmung in Politik und Medien. Und während diese oder jene Parolen eine Lawine an Empörung anstoßen, mordet der israelische Staat weiter unbehelligt in Gaza. – Ein Kommentar von Luis Tetteritzsch.

Weltweit versuchen Regierungen die Stimmen, die sich gegen den Genozid in Gaza durch den israelischen Staat aussprechen, zu verunglimpfen und öffentlich an den Pranger zu stellen. Jegliche Kritik an dem Vorgehen des israelischen Militärs (Israeli Defense Forces, IDF) wird pauschal als antisemitisch abgestempelt und mit Vernichtungsphantasien gegen Jüd:innen gleichgesetzt.

Insbesondere Künstler:innen, die ihre Plattformen, Bühnen und Reichweite nutzen, um auf den Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung aufmerksam zu machen, werden immer wieder durch den Schlamm gezogen. So auch nun bei einem der größten Freiluft-Musikfestivals Europas, dem Glastonbury-Festival in Südengland.

„Glastonbury-Eklat“

Das Punk-Rap-Duo Bob Vylan und das nordirische HipHop-Trio Kneecap – beide bekannt für ihre klar propalästinensische Haltung – waren ebenfalls als Auftritte bei dem Festival eingeladen. Sie nutzten dabei die Bühne, um auf den anhaltenden Völkermord aufmerksam zu machen. Bereits im Vorhinein versuchte der Nachrichtensender BBC den Auftritt Kneecaps aus Angst vor Palästina-Solidarität nicht auszustrahlen. Die dutzenden Palästinafahnen im Publikum konnten sie jedoch nicht wegretouchieren.

Insbesondere ein Video von Bob Vylan macht derweil jedoch große Schlagzeilen. „Death, Death to the IDF“ (Tod, Tod der IDF) wird von dem Leadrapper angestimmt und von den tausenden Zuschauer:innen in Ablehnung der Grausamkeiten, die das israelische Militär gegen die palästinensische Bevölkerung verübt haben, mitgerufen.

Während sich britische Nachrichtendienste wie BBC für die Liveübetragung entschuldigen, kündigte der amerikanische Vize-Außenminister, Christopher Landau, an, Bob Vylan ihre Visa für ihre geplante Tournee in den Vereinigten Staaten zu entziehen. In klassischer „Staatsräson“-Manier strich auch der Veranstalter in Köln das anstehende Bob Vylan-Konzert in Deutschland für September.

Diese Form der Repression gegen propalästinensische Künstler:innen ist in Großbritannien dabei keine Neuheit. So läuft gegen das 27-jährige Kneecap-Mitglied Mo Chara ein Ermittlungsverfahren. Ihm wird dabei vorgeworfen, eine Hisbollah-Fahne gezeigt zu haben. Eine fundamentalistische Organisation aus dem Libanon, die sich seit dem 7. Oktober in intensiveren Gefechten mit dem israelischen Staat befunden hat. Diese „Hexenjagd“ sei laut der Band auch ein Versuch gewesen, den geplanten Auftritt beim Glastonbury Festival zu verhindern.

Palästina-Solidarität: Terrorermittlungen gegen Rapper des irischen Trios Kneecap

Wer ist hier im Unrecht?

Mal ganz abgesehen davon, dass in der durch Kriegshetze und Militarisierung geprägten Zeit jegliche Infragestellung militärischer Gewalt oder starker Armeen ohnehin verschrien ist, muss uns eins klar sein: Eine imperialistische Armee wie die IDF, dessen einzige Aufgabe die Expansion des israelischen Herrschaftsgebietes ist und dafür wahlweise die palästinensische, libanesische, jemenitische oder syrische Bevölkerung bombardiert, verdient keine Sympathie.

Und während Medien Bob Vylan antisemitische Vernichtungsphantasien unterstellen, ist für die Punk-Band der wahre Inhalt der Parole klar: „Wir sind für die Zerschlagung einer gewalttätigen Militärmaschinerie, deren eigene Soldaten angewiesen wurden, „unnötige tödliche Gewalt“ gegen unschuldige Zivilisten anzuwenden, die auf Hilfe warten.“

Doch weder den Nachrichtensendern und ihren hetzerischen Artikeln, noch den empörten Politiker:innen geht – oder ging es jemals – um diese oder jene Parole. Ob „from the river to the sea“ oder „Death, Death to the IDF“: Sie stehen symbolisch für eine Bewegung, die seit Jahren – weit vor dem 7. Oktober – kriminalisiert und verfolgt wurde. Eine Bewegung, die seit der Ausweitung des Völkermords vor fast zwei Jahren, insbesondere von den westlichen Staaten mit voller Gewalt versucht wird zu unterdrücken. Eine Bewegung, die die Komplizenschaft der USA, Deutschlands oder eben Großbritanniens an dem Völkermord der Palästinenser:innen aufdeckt.

Wenn also Künstler:innen auf einem der größten Musikfestivals der Welt, ausgestrahlt in einem Livestream für tausende Menschen zu sehen, ein freies Palästina fordern und die englische Politik für ihre Komplizenschaft am Völkermord an den Palästinenser:innen entlarven, dann ist ihnen das natürlich ein Dorn im Auge.

Bei einer Parole steht die Welt still, beim Völkermord ist sie blind

Während die Medienwelt auf Kopf steht, sobald Punks ihre Ablehnung von völkermordenden Armees ausdrücken, schweigen britische und internationale Medien immer wieder über die Grausamkeiten, die das israelische Militär tagtäglich in Gaza verübt.

Die palästinensische Solidaritätsbewegung wird als gemeingefährlich, gewaltbereit und antisemitisch abgestempelt, Aktivist:innen werden hinter Gitter gesperrt und mit äußerster staatlicher Brutalität Proteste zerschlagen. Währenddessen sind die genozidalen Aussagen israelischer Politiker:innen offenbar keinen Bericht wert. Egal, ob über die vollständige Zerstörung Gazas fantasiert, Palästinenser:innen als „menschliche Tiere“ bezeichnet oder der Völkermord als ein „menschlicher Kampf gegen die Barbarei“ umgedeutet werden.

Und auch wenn es kaum an Absurdität zu überbieten ist, wenn Staaten wie Israel vor unser aller Augen einen Völkermord begehen und ungestraft davonkommen, während das Aussprechen der Wahrheit zunehmend kriminalisiert wird – so zeigt es doch auch, welche Wirkungskraft es hat, wenn wir uns von den Versuchen, unsere Stimmen zu unterdrücken, nicht beeindrucken lassen. Wie aufgescheuchte Hühner rennen sie umher, sobald man ihre Gräueltaten vor der Welt entlarvt. Und wie aufgescheuchte Hühner werden sie rennen, wenn sich die Menschen weiter gegen Völkermord und Krieg wehren.

Völkermord in Wort und Tat – Die genozidalen Aussagen Israels

Luis Tetteritzsch
Luis Tetteritzsch
Seit 2023 Autor für Perspektive Online. Schreibt gerne über die Militarisierung des deutschen Imperialismus und den Widerstand dagegen.Denn: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“

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