Der Sozialstaat wird immer weiter abgebaut, dafür werden deutsche Unternehmen und die Bundeswehr gestärkt. Bundeskanzler Merz will im Zuge dessen u.a. Sozialversicherungen streichen und das Bürgergeld kürzen. Rückenwind kommt vom Präsidenten des Arbeitgeberverbands.
Bewölkt ist es am 13. Juli, als Kanzler Friedrich Merz (CDU) sich im „Sommerinterview” mit Journalist:innen der ARD trifft, um über die ersten Monate seiner Kanzlerzeit zu sprechen. Wenig sonnig ist zeitgleich das Verhältnis zum Koalitionspartner SPD – nicht zuletzt durch die öffentlichen Diskussionen über die von der SPD aufgestellte Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht. Der Bundestag wird über die drei Verfassungsrichter:innen im September nach der Sommerpause erneut abstimmen.
Merz kündigt Kürzungen im Sozialstaat an
Weitere Themen, die nach der Sommerpause auf der Tagesordnung stehen werden, sind die Reformen der Sozialversicherungen und des Bürgergelds: „Mehr als ein oder zwei Milliarden“ möchte Merz beim Bürgergeld einsparen. Es ginge ihm um diejenigen, „die arbeiten können und nicht arbeiten oder nur Teilzeit arbeiten“. Wer aber das Bürgergeld „wirklich braucht“, müsse angeblich nicht um seine Existenz bangen. Wer aber das Bürgergeld „wirklich braucht”, darüber entscheiden am Ende die Regierung und in letzter Instanz die Behörde, die ihr untersteht: die Bundesagentur für Arbeit (BA), also das Arbeitsamt.
Diesbezüglich können sich Bezugsempfänger:innen auf verstärkte Kontrollen des Staats gefasst machen. Ob mit Zollstock oder Maßband, ist noch unklar – doch die Wohnungsgrößen der Empfänger:innen sollen in jedem Fall überprüft werden. Gerade in Großstädten mit hohen Mietpreisen findet der ehemalige BlackRock-Aufsichtsratschef Friedrich Merz (CDU) es nicht angebracht, den Wohnraum für Empfänger:innen bereitzustellen. Eine direkte Folge daraus wäre die weitere Gentrifizierung von Städten – und eine verstärkte Verdrängung von ökonomisch schwächeren Gruppen in ländlichere Gebiete, die dort noch schlechter an soziale Unterstützungsstrukturen angebunden wären.
Auch dass der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt, der helfe, die Ausgaben der Versicherungen zu decken, jährlich steige, macht Merz im Sommerinterview deutlich: „Das können wir so nicht lassen.“ Konkretere Pläne der Union und ihres Koalitionspartners SPD müssen abgewartet werden.
Ebenfalls nicht zulassen könne der Kanzler eine Vermögensteuer: Die „kommt gar nicht“, meinte Merz. Er führte dazu im Interview aus, dass diese verfassungswidrig sei. Das stimmte so jedoch nicht – im anschließenden Faktencheck wird aufgezeigt: In Artikel 106 des Grundgesetzes ist sie explizit als mögliche Steuereinnahmequelle genannt. Neusten Berichten zufolge möchte Merz zudem gar die Globale Mindeststeuer für deutsche Unternehmen aussetzen, nachdem zuletzt die USA eine Befreiung für US-Unternehmen durchgesetzt haben.
Globale Mindeststeuer: USA setzen Ausnahmeregel für eigene Konzerne durch
Beste Wohlfühl-Bedingungen für Arbeitgeberpräsident und Bundeswehr
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger scheint zufrieden zu sein mit dem bisherigen Kurs der Bundesregierung: vom Investitionsbooster für Konzerne über die geplante Streichung des Lieferkettengesetzes bis hin zum Vorhaben, den 8-Stunden-Tag aufzuweichen.
Merz’ Ankündigungen zur Kürzung des Sozialstaats sind Dulger aber noch nicht genug: ihm zufolge stünden wir kurz davor, Sozialausgaben von mehr als 50 Prozent zu erreichen, „und wenn ich Helmut Kohl zitieren darf, beginnt dann der Sozialismus“, sinnierte der Heidelberger Unternehmer in einem Interview mit dem Handelsblatt. Sämtliche Sozialleistungen müssten daraufhin überprüft werden, ob sie noch „zeitgemäß“ seien.
Höchste Zeit sieht Dulger währenddessen für die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Er bedauert, dass der Wehrdienst zunächst nur freiwillig sein solle. Zum einen dürfe die deutsche Industrie durch einen Krieg nicht zerstört werden. Zum anderen würden junge Menschen nach dem Schulabschluss ohnehin nicht sofort eine Ausbildung oder ein Studium beginnen – „manche reisen, andere ‚chillen’ erst einmal“. Wie auch immer die Bundeswehr am Ende rekrutiere, wichtig sei natürlich, „dass das Arbeitsvolumen nicht sinkt“. Der Arbeitgeberpräsident plädierte daher dafür, dass die Regierung wieder mehr Lust auf Arbeit mache.
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