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Nur die „Spitze des Eisbergs“ – Solidaritätsprotest vor der Botschaft Ecuadors in Berlin

Der Anstieg des Dieselpreises in Ecuador löste einen nationalen Streik aus. Es kam zur Ermordung von Indigenen. Vor der ecuadorianischen Botschaft in Berlin versammelten sich Aktivist:innen und migrantische Organisationen, um von hier aus gegen den IWF und Ecuadors Präsident Daniel Noboa zu protestieren.

Berlin. Mit einer Kundgebung vor der ecuadorianischen Botschaft in Berlin haben Migrant:innenorganisationen und Unterstützer:innen am vergangenen Samstag ihre Unterstützung für die Protestbewegung in ihrem Heimatland zum Ausdruck gebracht. Auslöser der jüngsten Unruhen ist der drastische Anstieg der Dieselpreise, doch die Demonstrierenden sehen darin nur die „Spitze des Eisbergs“.

Die Anwesenden drückten dabei ihre Solidarität mit der Familie des Anführers Efrain Fuerez aus, der vom Militär mit einer Schusswaffe brutal ermordet wurde. Auch anderen indigenen Anführer:innen, die bei früheren Protesten ihr Leben verloren hatten, wurden gedacht. Zu dem nationalen Streik hatte die CONAIE (Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors) aufgerufen.

Im weiteren Fokus der Solidarität standen zwölf Gemeindemitglieder aus Otavalo, die unter Terrorismusvorwürfen festgenommen und in Hochsicherheitsgefängnisse gebracht wurden. In diesen Anstalten, in denen der Staat die Kontrolle weitgehend verloren hat und rivalisierende Drogenbanden regelmäßig Massaker anrichten, sind die Inhaftierten besonderen Gefahren ausgesetzt.

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Neokolonial, Neoliberal, Noboa

Ihre Wut richteten die Protestierenden vor allem gegen Präsident Daniel Noboa und die als neoliberal kritisierten Reformen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Durch Sprechchöre wie „Raus mit Noboa!“ oder „Noboa – das Wasser geht vor“ verliehen sie ihrem Unmut über eine Politik Ausdruck, die sie in eine 500-jährige Geschichte von Kolonialismus und Neokolonialismus einordnen. Diese Ablehnung gelte auch für aktuelle Kolonialprojekte weltweit, insbesondere in Palästina.

In einem Redebeitrag wurden die zugrundeliegenden Probleme konkret benannt: „Wenn indigene Völker ihre Trachten zeigen und tanzen, sind sie willkommen; wenn sie ihre Rechte einfordern, sind sie Terroristen“, brach sich die Frustration über die Kriminalisierung sozialer Proteste Bahn. Ein weiterer Redner betonte: „Nur der Kampf des Volkes rettet das Volk. Wir wählen seit 195 Jahren, und nichts hat sich geändert.“

Trotz der ernsten Thematik fand die Versammlung einen emotional bestärkenden  Abschluss. Mit Gedichten von Sarawi, musikalischen Darbietungen und einem gemeinsamen Tanz trotzten die Teilnehmer:innen der Kälte des Berliner Nachmittags. Parallel fanden ähnliche Kundgebungen unter anderem in Hamburg, Madrid, London und Buenos Aires statt.

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