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Das Blutbad im Sudan: Stellvertretend für den Imperialismus

Die Einnahme Al-Fashirs durch die RSF bedeutet weitere Massaker an der sudanesischen Bevölkerung. An den Hintergründen wird deutlich: Auch der sudanesische Bürgerkrieg ist ein Stellvertreterkrieg imperialistischer und regionaler Machenschaften. – Ein Kommentar von Aziza Mounir.

Die aktuelle Situation im Sudan wird von den Vereinten Nationen als eine der „größten humanitären Krisen der Welt“ beschrieben. Für die sudanesische Bevölkerung bedeutet dieser Bürgerkrieg Massaker, Vertreibung und Hungersnot. Seit Kriegsausbruch wurden etwa 150.000 Menschen getötet, 12 Millionen sind vertrieben worden, und 600.000 Menschen leiden an Hunger. Vor allem Frauen sind im Sudan von den Gräueltaten des Bürgerkriegs betroffen. Aktuelle Berichte dokumentieren sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen durch die RSF.

Erneutes Massaker im Sudan – ein Bürgerkrieg gegen Bevölkerung und Frauen

Die jüngsten Entwicklungen zeigen einen militärischen Vorstoß der RSF (Rapid Support Forces), welche unter dem Kommando von Generalleutnant Mohammed Hamdan Daglo stehen. Sie kontrollieren dabei weite Teile der Region Dafur im Westen und Gebiete im Süden des Landes. Die Stadt Al-Fashir in Darfur, die letzte verbliebene Großstadt in der Region, wurde von der RSF eingenommen. Seither gibt es Bilder und Berichte von Hinrichtungen, Massakern und wahllosem Töten auf offener Straße.

Die blutige Geschichte

Das afrikanische Land ist seit seiner „Unabhängigkeit“ von der britischen Kolonialmacht von wiederkehrenden Bürgerkriegen geprägt. Zwischen 1955 und 1972 erlebte das Land seinen ersten Bürgerkrieg, zwischen 1983 und 2005 seinen zweiten. Hinzu kommen weitere Kriege, die gleichzeitig stattfanden wie der Darfur-Krieg (2003–2020) und der SPLM-N-Krieg (2011–2020). Die Menschen im Sudan haben seit ihrer Unabhängigkeit Mitte des 20. Jahrhunderts mehr Jahre des Krieges als des Friedens erlebt.

Im Jahr 2013 putschte sich der Diktator Omar al-Bashir mit Hilfe des Militärs an die Macht. Er gründete zusätzlich zur regulären Armee des Landes, den SAF (Sudanesische Streitkräfte), deren paramilitärischen Arm, die RSF. 2019 wurde al-Bashir durch einen Volksaufstand und die Anfänge einer demokratischen Revolution gestürzt. 2020 wurde er an den Internationalen Gerichtshof ausgeliefert. Ihm wird unter anderem Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

Der Volksaufstand, der die Hoffnung auf die Entstehung einer Demokratie trug, wurde Ende 2021 von den Militärs der SAF und RSF blutig niedergeschlagen. Der Aufstand im Land wurde von verschiedenen religiösen und ethnischen Gruppen gleichermaßen getragen, da Frieden und Demokratie im Interesse aller lagen. Im April 2023 jedoch brach der aktuell andauernde Bürgerkrieg aus. Die SAF beanspruchen das alleinige Machtmonopol im Sudan für sich und fordern die Auflösung der RSF.

Die SAF kontrolliert seither vor allem Gebiete im Osten des Landes entlang der Küste des Roten Meeres. Der Westen und die dortige Region Darfur liegen unter der Kontrolle der RSF. Außerdem befinden sich auch die Hauptstadt Khartum und der dortige internationale Flughafen unter ihrer Herrschaft.

Über ein Jahr Bürgerkrieg: die Katastrophe im Sudan

Sudan als Bühne der Stellvertreterkriege

Medien betiteln ihre Berichte über den Sudan häufig als „den vergessenen Konflikt“. Hier stellt sich die Frage, ob der Krieg wirklich vergessen wird – oder ob sich die herrschende Weltgemeinschaft schlicht an den Status quo des Kriegszustands gewöhnt hat. Der Sudan wird seit seiner kolonialen Unabhängigkeit Mitte der 1950er-Jahre durchgängig als Austragungsort von Stellvertreterkriegen der Imperialisten genutzt.

Während des Kalten Kriegs machte es sich die BRD im Sudan gemütlich: Es wurde eine deutsche Munitionsfabrik bei Khartum gebaut, und die SAF erhielten Ausrüstungs- und Ausbildungshilfen. Die Aufrüstung des Militärs wurde während der Bürgerkriege durch die BRD fortgeführt, jedoch unter sozialdemokratischeren Regierungen über Saudi-Arabien als Umschlagort abgewickelt. Der Sudan sollte als Puffer gegen den sowjetischen Ostblock dienen.

Heute ist der Sudan immer noch Austragungsort von Stellvertreterkriegen. Aktuell bekriegen sich Golfstaaten und ihre Verbündeten im Sudan. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind der wichtigste Unterstützer der RSF, während Saudi-Arabien, Katar und Ägypten wichtige Geldgeber der SAF sind. All diese Golfstaaten werden mit Waffen aus Deutschland beliefert.

Das Interesse dieser Staaten am Sudan ist groß: Erdöl, Gold, Diamanten und Uran sind einige der dort vorkommenden natürlichen Ressourcen. Die VAE handeln mit sudanesischem Gold, und die USA profitieren vom Erdöl. Ebenso ist die Lage am Roten Meer strategisch wertvoll, da sie einen gewissen Zugriff auf den Welthandel über den Suezkanal erlaubt. Wer militärisch überlegen ist, kann sich die Rohstoffe, Lebensgrundlagen und den Handel im Land sichern. Daher kämpfen immer wieder Milizen, Diktatoren oder Putschisten mit ihren Armeen um das Gewaltmonopol im Sudan.

Die Rolle Deutschlands und anderer Imperialisten

Direkte deutsche Waffenlieferungen in den Sudan gibt es seit dreißig Jahren nicht mehr. Indirekt werden SAF und RSF jedoch durch die Golfstaaten mit deutschen Waffen beliefert. Dass das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz und die Endverbleibregelung für Waffen nicht besonders streng sind, hat sich historisch immer wieder gezeigt. Es liegt daher nahe, dass die Golfstaaten die Milizen im Sudan mit deutschen Waffen nach bestem Wissen, Gewissen und geostrategischem Interesse beliefern.

Ausweitung des Bürgerkriegs im Sudan

Die UN fordert zwar sofortige humanitäre Hilfe, diese findet momentan jedoch kaum statt. Das geplante Hilfsprogramm kann aufgrund eingestellter Hilfszahlungen – unter anderem durch Deutschland, die USA, die Schweiz und die Niederlande – nicht umgesetzt werden. Nur ein Viertel der benötigten Summe ist bisher gedeckt. Humanitäre Hilfe wird hauptsächlich durch Sudanes:innen in der Diaspora finanziert.

Perspektiven für den Frieden

Im Sudan gibt es neben der SAF und RSF tatsächlich Kräfte, die für die Interessen der Sudanes:innen und für den Frieden kämpfen. Die Kommunistische Partei Sudans appelliert in einem Statement: „Wir rufen zu weltweiten Volksbewegungen auf – auf den Straßen, in Zeitungen, in sozialen Medien und anderswo –, um ein sofortiges Ende des Krieges im Sudan zu fordern und Solidarität mit unserem Volk zu zeigen.“

Sie fordern außerdem humanitäre Hilfe und die Aufklärung der Kriegsverbrechen. Zusätzlich betonen sie die Wichtigkeit eines Embargos, insbesondere bei Waffenlieferungen. Weiteren Berichten zufolge gründeten sich außerdem Fraueneinheiten, die sich gegen die Kriegsverbrechen und patriarchale Gewalt wehren.

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