Zeitung für Solidarität und Widerstand

„Das ist kein Zufall“ – Interview mit CSD Cottbus nach mutmaßlichem Brandanschlag

Am Montag brannte vor dem Regenbogenkombinat in Cottbus eine Mülltonne. Der mutmaßliche Brandanschlag sorgte für erheblichen Schaden an der Fassade des Gebäudes. Wir haben mit Vorstandsmitglied Christian Müller vom CSD Cottbus e.V. gesprochen.

Erstmal zu euch – was macht ihr als Regenbogenkombinat in Cottbus?

Das Regenbogenkombinat als Ort und Gruppierung vereint vielfältige Menschen. Vom Regenbogenkombinat gehen viele verschiedene Treffen für die Community aus – z.B. Trans*Community-Treff, Furry-Treff, Non-Binär-Treff, queerer Jugendtreff und einige weitere. Unter dem Dach ist auch die AIDS-Hilfe Lausitz angesiedelt mit Beratung und Testungen zu HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten.

Vom Regenbogenkombinat gehen auch Schul- und Fachkräfteworkshops aus. Meist zu den Themen sexuelle & geschlechtliche Vielfalt oder zu HIV & sexuell übertragbaren Krankheiten. Und natürlich organisieren wir die AIDS-Hilfe-Gala und die CSD-Aktionswochen mit der CSD-Demo. Wir bieten Beratung an, leisten Community-Arbeit und sind in vielen verschiedenen Netzwerken unterwegs. Dabei ist viel Engagement auf ehrenamtlichen Schultern verteilt.

Die unschönen Bilder von der brennenden Mülltonne mitsamt Brandloch an eurem Gebäude haben die Runde gemacht. Was genau ist geschehen?

Am 20. Oktober steht gegen 15:05 Uhr die Papiertonne am Regenbogenkombinat in Flammen. Der Rauch war im Stadtteil deutlich zu sehen. Eine ältere Frau klingelt und informiert die Menschen: „auf dem Hof brennt eine Papiertonne“. Vier Ehrenamtliche laufen die Treppen hinunter, jemand greift den Feuerlöscher.

Die Papiertonne, die sich nahe an der Fassade am Hinterhof des queeren Zentrums befindet, steht in Flammen. Ehrenamtliche versuchen, das Feuer zu löschen. Die Feuerwehr ist aus der Ferne zu hören. Kurz darauf trifft die Polizei ein. Die Mülltonne ist komplett runter gebrannt und auch die Fassade ist beschädigt.

Der mutmaßliche Brandanschlag passiert ausgerechnet in euren CSD-Aktionswochen, und dann noch wenige Tage vor dem CSD in Cottbus am 25. Oktober. Was sind eure Gedanken dazu?

Das ist kein Zufall: Wir stecken in den CSD-Aktionswochen, die noch bis Ende der Woche mit zahlreichen Veranstaltungen verlaufen. Wir brauchen schnelle Aufklärung durch die Polizei. Am kommenden Samstag wird es eine CSD-Demo in Cottbus geben. Dagegen wurde von Antidemokraten eine Gegendemo angemeldet.

Wir wurden in der Vergangenheit immer wieder Opfer von Angriffen: An der Eingangstreppe aufgehängte Regenbogen-Banner wurden mehrfach abgerissen, einmal sei eine Regenbogenfahne mit einem Hakenkreuz übermalt worden. Im vergangenen Jahr erkannte eine Gruppe Jugendlicher in der Innenstadt Sticker auf dem Rucksack eines Mitarbeiters, sie drohten diesem mit Gewalt. Im Vorlauf des Christopher Street Days organisiert man in dieser Woche mehrere Veranstaltungen im Regenbogenkombinat. Unter den Posts dazu sehen wir in den sozialen Medien viel Hass.

Am vergangenen Donnerstag gab es einen Gesprächsabend mit der Polizei zum Thema Hasskriminalität. Das Thema Schutz und Sicherheit von queeren Menschen ist in diesem Jahr besonderes präsent. Das Regenbogenkombinat wurde in der Vergangenheit mehrfach am Eingangsbereich beschädigt. Regenbogen-Banner wurden immer wieder abgerissen und beschmiert. Erschreckend ist, dass der Brand am Tag stattfand, während sich Menschen im Gebäude aufhielten.

CSDs verteidigen – Gegen Repression und faschistische Angriffe

Es wäre nicht das erste Mal, dass ihr mit Angriffen von Rechts konfrontiert seid. Was wollt ihr in einer Stadt wie Cottbus langfristig gegen den anhaltenden Rechtsruck tun.

Erstmal braucht es eine Anerkennung des Problems – von Stadt, Zivilgesellschaft und Presse. Sowohl in Schulworkshops, als auch im Alltag begegnen wir queerfeindlichen Haltungen. Da braucht es manchmal ein dickes Fell, viel Ausdauer und einen Umgang, bei dem das Gegenüber weiterhin als Mensch gesehen wird.

Der Rechtsruck muss an vielen Stellen angegangen werden. Es braucht Schulen, die Probleme nicht unter den Teppich kehren, sondern im Unterricht respektvoll diskutieren. Es braucht queere Vorbilder. Es braucht verständnisvolle Menschen im Umfeld, die sich in ihrer Vielfältigkeit zeigen. Es braucht strukturelle finanzielle Unterstützung für queere, soziale und migrantische Projekte, anstatt an solchen Stellen zu kürzen. Es braucht Menschen, die in Krisensituationen zusammenhalten, solidarische Netzwerke bilden und direkte Hilfe durchsetzen.

Ein Beispiel für solche Netzwerke ist die Initiative Sichere Orte Südbrandenburg. Die Initiative ist ein Zusammenschluss von Jugendclubs, Hausprojekten, Orten der Subkultur sowie sozialpolitischen Einrichtungen in Südbrandenburg. Die Dominanz extrem rechter Gruppierungen in der Region hat dazu geführt, dass sich ein solidarisches Netzwerk gegründet hat, das sich gemeinsam gegen rechte Angriffe wehrt – mit öffentlicher Sichtbarkeit, praktischer Unterstützung und klarer Haltung.

Und nun zuletzt: Wie können solidarische Menschen euch sowie eure politische Arbeit unterstützen?

Wir sind als Projekt auf Spenden und Projektförderung angewiesen. Spendet also gerne an den CSD Cottbus oder unterstützt lokale Initiativen. Setzt euch für strukturelle Förderungen ein. Stellt Aufmerksamkeit für die aktuelle Situation her – auf Social Media, sowie im eigenen Umfeld.

Support your local Hinterland, zum Beispiel mit Spenden, Veranstaltungen und Präsenz zeigen. Kommt also zur CSD-Demo am 25.10. und bringt eure Lieblingsmenschen mit.

Und zu guter Letzt: Wir brauchen Menschen, die Zivilcourage zeigen und für eine offene, liebenswerte und vielfältige Gesellschaft einstehen. Und das heißt: langfristiges Engagement, Widersprüche aufarbeiten und Utopien leben.

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