Der Chef der CDU-Fraktion im Bundestag, Jens Spahn, unterstützt seinen Parteikollegen Friedrich Merz: Dessen Stadtbild-Aussagen würden ganz falsch verstanden und von Linken instrumentalisiert werden. Merz und andere Rassist:innen wissen aber ganz genau, welche Wirkung ihre Aussagen entfalten sollen. – Ein Kommentar von Mohannad Lamees.
Im Englischen gibt es den Begriff „dog whistle” (deutsch: Hundepfeife). Der Begriff leitet sich eben aus der Funktionsweise einer Hundepfeife ab, mit der ein nur für Hunde hörbarer hochfrequenter Ton erzeugt wird, Menschen hingegen aber verborgen bleibt. Auf einen Pfiff kommen dann die Hunde, alle anderen jedoch bemerken nichts.
Im politischen Betrieb wird mit „dog whistling” vor allem die Nutzung einer Sprache bezeichnet, die von verschiedenen Menschen verschieden verstanden wird. Mit der Hundepfeifen-Technik platzieren Politiker:innen in ihren Aussagen versteckte Botschaften, die nur für Menschen mit dem richtigen Gehör dafür verständlich sind.
Besonders bekannt für Hundepfeifen-Politik sind in Deutschland verschiedene Politiker:innen der AfD. Man erinnere sich beispielsweise an die Aussage Björn Höckes im Jahr 2017, dass Deutschland sich mit dem Holocaust-Mahnmal in Berlin ein „Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt” habe. Deutsche Schüler:innen, so Höcke damals weiter, sollten „nicht mit dieser Geschichte”, also dem Holocaust, konfrontiert werden, sondern stattdessen über „die Geschichte, die deutsche Geschichte” lernen. Diese von der AfD selbst so genannten „sorgfältig geplanten Provokationen” sind wesentlicher Bestandteil einer Strategie, mit der einerseits Aufmerksamkeit erzeugt und andererseits deutlich hörbar für die eigene Anhängerschaft faschistischer Inhalt verbreitet werden soll.
In Höckes Spruch klingt zwar an, dass er den Holocaust für nebensächlich und irrelevant hält, wortwörtlich sagte er das jedoch nie. Stattdessen erklärte er selbst, nachdem es Kritik für seinen „Denkmal der Schande”-Spruch gab, wie erstaunt er über die bösartige und bewusst verleumdende Berichterstattung sei.
CDU und Merz ist deutsches Stadtbild zu migrantisch – uns nicht!
Nur „Empörungszirkus”?
Auch Friedrich Merz hat mit seiner Stadtbild-Aussage genau solche Hundepfeifen-Politik betrieben. Denn seine Aussage, dass Migration sich zu sehr im Stadtbild zeige, hat er längere Zeit bewusst vage gelassen, um gerade auch bei Rassist:innen Anklang zu finden. Dass der Bundeskanzler mittlerweile präzisiert hat, dass es ihm um „illegale Migrant:innen” geht, macht die Sache nicht besser: Denn erstens bedeutet auch das eine Gleichstellung von Menschen ohne Aufenthaltserlaubnis mit Kriminalität und Gewalt und zweitens waren zum Zeitpunkt dieser Klarstellung schon längst alle Hunde – in diesem Fall alle Rassist:innen – angesprungen.
Jens Spahn von der CDU behauptete jüngst in der Fernsehsendung „Bericht aus Berlin” trotzdem steif und fest, dass Merz’ Aussagen gar nicht rassistisch sein können, weil der Kanzler ja nur das ausgesprochen habe, was die Mehrheit der Deutschen ohnehin denkt. Für Spahn steht dementsprechend auch fest, dass der Großteil der Deutschen Merz ohnehin richtig verstanden hätten. Alle, die dem Kanzler Rassismus unterstellen würden, seien hingegen Teil eines „linken Empörungszirkus”.
Alle Linken liegen falsch und alles, was Merz und Spahn sagen, ist richtig? Wohl kaum. Wenn Spahn in Unterstützung des Bundeskanzlers tönt, dass es Merz um die Stadtteile gehe, „wo Juden, Schwule und Frauen” sich nicht mehr hintrauen, dann spielt er damit ganz bewusst auf migrantische Stadtteile in den deutschen Großstädten wie Neukölln in Berlin an. Dass dort Antisemitismus, LGBTI+ Feindlichkeit und Frauenhass vor allem florieren, weil in diesen Stadtteilen viele muslimische Migrant:innen leben, gehört schon länger zu den Märchen, die sich Rassist:innen gegenseitig erzählen. Egal wie sehr sich Spahn mit solchen Aussagen scheinbar an die Seite von Unterdrückten stellen will – letztlich geht es auch ihm nur um Spalterei und die Ausgrenzung von Migrant:innen.
Egal also, was Merz oder Spahn selber behaupten: Sie buhlen ganz bewusst um all diejenigen Wählerstimmen, die Migrant:innen für die Ursache aller Probleme in Deutschland halten. Merz und Co. tasten sich so Aussage um Aussage zu einer Politik vor, von der ihre Partei in der Merkel-Ära abgekommen war – nämlich eine offenere und unverhohlenere Anfeindung von Migrant:innen. „Rechts von der CDU/CSU darf es keine demokratisch legitmierte Partei geben”, sagte einst Franz Josef Strauß und sprach davon, dass man auf nationalkonservative Wähler:innen nicht verzichten könne. Genau so soll die CDU-Hundepfeife heute funktionieren: Merz pfeift und die „nationalkonservativen” Wähler:innen sollen zurückkommen.

