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Deutschland-China Krise: Wadephul muss China-Reise absagen

Eigentlich wollte Außenminister Wadephul in China für eine Lockerung der Exportbeschränkungen für kritische Rohstoffe werben. Doch die chinesische Seite sagte fast alle Termine ab und forderte Wadephul auf, zuerst kritische Aussagen zu Beijings Politik im Indopazifik zurückzunehmen. Donald Trump verkündete währenddessen eine Zoll-Einigung „für die ganze Welt“.

Diplomatische Verstimmungen zwischen Deutschland und China: Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) sagte eine für Sonntag geplante Reise nach China kurzfristig ab. Wie eine Sprecherin des Ministeriums mitteilte, habe die chinesische Seite zuvor fast alle Termine mit dem Minister gestrichen. Das Handelsblatt berichtete außerdem unter Berufung auf europäische Diplomatenkreise, die Volksrepublik habe weitere Termine an die Bedingung geknüpft, dass Wadephul kritische Äußerungen zu Chinas Auftreten im Südchinesischen Meer relativiere.

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Kritische Rohstoffe als Waffe im Wirtschaftskrieg

Der Besuch Wadephuls sollte eigentlich zur Vorbereitung einer China-Reise von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) dienen, die noch nicht terminiert ist. Außerdem war sie aus Sicht deutscher Unternehmen dringend erforderlich. Denn Wadephul wollte in China darauf drängen, dass die dortige Regierung die Exportbeschränkungen für Seltene Erden und Halbleiter lockert. Inzwischen scheint der US-Präsident Donald J. Trump nach eigenen Aussagen dieses Problem „für die ganze Welt“ gelöst zu haben. Inwieweit das stimmt, wird sich zeigen. Deutschlands Versuche, auf die Weltwirtschaft oder Geostrategie Einfluss zu nehmen, wurden damit ein weiteres Mal von den USA in die Schranken gewiesen.

Die entsprechenden Exportkontrollen für Seltene Erden (besonders wertvolle Metalle) hatte Beijing im April diesen Jahres eingeführt und im Oktober noch einmal verschärft. Seitdem unterliegen bzw. unterlagen vierzehn Rohstoffe aus der Gruppe der Seltenen Erden strengen Ausfuhrkontrollen, ebenso wie die Technologien im Zusammenhang mit dem Abbau, dem Schmelzen, der Trennung und dem Recycling dieser Materialien. Ausfuhranträge für die Produktion bestimmter Halbleiter bedürfen seit dem 9. Oktober außerdem einer Einzelfallprüfung.

Zwar sind die Lieferungen dieser Rohstoffe nach Europa und Deutschland damit nicht eingestellt. Für einige Materialien sind sie jedoch deutlich zurückgegangen, so z.B. bei dem Halbmetall Germanium, dessen Einfuhr aus China im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 60 Prozent zurückgegangen ist. Germanium wird unter anderem für die Herstellung von Glasfasern und Halbleiterbauelementen sowie in der Rüstungsindustrie verwendet. In manchen Industriezweigen wie der Automobilindustrie drohen aufgrund der chinesischen Exportbeschränkungen bereits Produktionsunterbrechungen.

Dies betrifft auch Kunden des Chipherstellers Nexperia, dessen Exporte nach Europa von Beijing ebenfalls blockiert werden. China hatte diesen Schritt unternommen, nachdem der niederländische Staat die Kontrolle über das Unternehmen Nexperia übernommen hatte. Die Begründung dafür war eine mutmaßlich drohende Produktionsverlagerung nach China und die Schließung deutscher Werke. Das Unternehmen Nexperia hatte über seinen Mutterkonzern NXP Semiconductors seit 2016 einem chinesischen Konsortium gehört.

Besonders kritisch ist die Lage aber bei den Seltenen Erden. Bisher stammen etwa 93 Prozent der Importe Seltener Erden in die EU aus China. Da in Europa bisher keine Vorratslager für diese Materialien aufgebaut wurden und die chinesischen Exportbeschränkungen die Belieferung auf Vorrat nun verhindern, stehen diverse Industrien jetzt erst einmal unter der konstanten Bedrohung eines Lieferstopps. Laut einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey betrifft dies in Deutschland Branchen mit insgesamt etwa einer Million Beschäftigten.

Neben kritischen Rohstoffen ist die deutsche Wirtschaft auch bei Medikamenten und deren Vorprodukten von chinesischen Lieferungen abhängig. Dies gilt z.B. für Antibiotika, Schmerzmittel und Antidiabetika. Die EU-Regierungschefs drohten China bei ihrem Gipfel in der vergangenen Woche mit Sanktionen, sollte die Volksrepublik ihre Lieferbeschränkungen aufrechterhalten. Chinesische Unternehmen sind bereits jetzt vom letzten Sanktionspaket der EU gegen Russland betroffen. Die Eskalation findet also beiderseitig statt – und das schon seit einer Weile.

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Spannungen nehmen seit Monaten zu

Die angespannte Versorgungslage bei Importen aus China wäre aus Sicht des Koalitionspartners SPD eigentlich Grund genug für die Bundesregierung, ihre diplomatischen Bemühungen gegenüber Beijing auszuweiten. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Adis Ahmetovic kritisierte die Absage von Wadephuls Reise deshalb zwar nicht direkt, mahnte aber an, dass der „Gesprächsfaden mit China“ nicht abreißen dürfe, sondern „fortgesetzt und vertieft“ werden müsse.

Das Verhältnis zwischen dem Außenminister und China ist inzwischen durchaus belastet, nachdem Äußerungen Wadephuls in China wiederholt als Provokationen aufgenommen worden waren. So hatte er die Regierung in Beijing wiederholt dafür kritisiert, in der Region des Indopazifik immer aggressiver vorzugehen und den Status quo in der Meerenge zwischen China und Taiwan einseitig verändern zu wollen. Der chinesische Außenamtssprecher Guo Jiakun hatte auf letztere Aussage geantwortet, die Wahrung des Status quo in der Region zu fordern, ohne dabei eine Unabhängigkeit Taiwans abzulehnen, komme einer Unterstützung „taiwanischer Unabhängigkeits-Aktivitäten“ gleich.

Wie es nun diplomatisch weitergeht, ist noch unklar. Wadephul äußerte lediglich, dass er nun erst einmal ein längeres Telefonat mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi führen wolle.

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