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CDU-Kader für Aufweichung der Brandmauer zur AfD

AfD und Unionsparteien nähern sich weiter an: Eine Gruppe einflussreicher Unionspolitiker:innen wirbt für Umstellung der Brandmauer. Während CDU/CSU unzufrieden mit der schwarz-roten Koalition sind, wird die AfD zur stärksten Kraft. Was die Koalition bedeuten würde. – Ein Kommentar von Lukas Mainzer.

Bei der Bundestagswahl im Februar trennten Union und AfD noch etwa acht Prozentpunkte. Doch schon seit Wochen sind sie in Wahlumfragen gleichauf und in den aktuellsten Umfragen von Mitte Oktober liegt die AfD sogar jeweils bundesweit vorne.

Das 2019 getätigte Versprechen von Friedrich Merz, die AfD zu halbieren, hat sich ins Gegenteil umgedreht. Auch die viel zitierte „Brandmauer“ der Bundestagsparteien zur AfD wurde spätestens mit gemeinsamen Abstimmungen im Bundestag Anfang 2025 eingerissen. Seitdem nähern sich Politiker:innen der Union immer weiter an eine Zusammenarbeit mit AfD an.

Nach Recherchen des Magazins Stern wird aktuell innerhalb der Union an einem Kurswechsel der Haltung zur AfD gearbeitet. Ehemals führende CDU Politiker wie Andreas Rödder oder Peter Tauber fordern schon heute offen einen „neuen Umgang“ mit der AfD, der „staatspolitisch notwendig“ sei. Das aktuelle Führungspersonal der CDU wie etwa Kanzler Friedrich Merz oder Generalsekretär Carsten Linnemann halten sich mit solchen Aussagen öffentlich noch zurück. Was hinter verschlossenen Türen besprochen wird, ist nur zu erahnen.

AfD will bürgerlicher wirken

Bis es zu einer Koalition kommt, müssen noch ein paar letzte Unterschiede beider Parteien aus dem Weg geräumt werden. Zentral sind dabei außenpolitische Fragen zur Haltung gegenüber dem russischen und chinesischen Imperialismus und damit verbunden die Frage nach der Treue zum westlichen Imperialismus von NATO und USA.

Die in Teilen „russlandfreundliche“ Haltung der AfD wird vom Union-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn etwa aktuell noch als „Vaterlandsverrat“ bezeichnet. Doch gerade in der AfD gibt es in diesen Punkten derzeit Bewegung. Besonders in den westdeutschen Landesverbänden kippt die außenpolitische Positionierung immer mehr zugunsten einer prowestlichen und proukrainischen Haltung.

„Projekt 2029“: AfD bald Reif für die Koalition?

 

Auch will die AfD in ihren Äußerungen und Auftreten bürgerlicher werden. Führende Kräfte der AfD wie Maximilian Krah haben sich nach außen vom Begriff „Remigration“ distanziert. Zudem hat sich die Partei einen Verhaltenskodex zur Mäßigung im Parlament verordnet. Ende des Jahres soll außerdem eine neue Jugendorganisation gegründet werden, die stärker unter der Kontrolle der Partei steht, um eine weitere Radikalisierung zu vermeiden. Mit dem Strategiepapier „Projekt 2029“ plant die AfD schon ganz offiziell ihren Weg zur Regierungsbeteiligung nach der kommenden Bundestagswahl in 4 Jahren.

Doch die Annäherung an die CDU sorgt auch für Streit innerhalb der AfD und in ihr nahestehenden Gruppen. Maximilian Krah wird aus dem Lager der faschistischen Neuen Rechten Opportunismus vorgeworfen. Diese fürchten, dass die AfD ihren faschistischen Charakter in Verhandlungen mit der CDU/CSU auf der Strecke lässt und den deutschen Faschismus damit nicht konsequent genug aufbaut.

Krahs Ausführungen deuten jedoch darauf hin, dass es sich nur um eine scheinbare Kehrtwende der AfD handeln könnte. So kann sich die Partei aktuell noch breiteren Bevölkerungsteilen als Wahloption anbieten und einem Verbotsverfahren entgehen.

Schwarz-rote Koalition bekommt Risse

Ein zentraler Punkt im AfD-Strategiepapier „Projekt 2029“ ist, die schwarz-rote Koalition zu spalten. Mit Kulturkampf und den Themen Migration und Wirtschaft soll ein Keil zwischen Union und SPD getrieben werden. Und auch das ist schon in Teilen erfolgreich. Bei der Rente, dem Verbrennerverbot, der Gesundheitspolitik und aktuell besonders der Wehrpflicht streiten sich beide Regierungsparteien und es sind immer deutlichere Risse zu erkennen. Es liegt auf der Hand, dass viele Vorhaben der Union sich in einer Koalition mit der AfD einfacher durchsetzen ließen.

Die Wehrpflicht kommt – Schwarz-Rot streitet aber über wann und wie

Die sogenannte „Brandmauer“ dürfte spätestens im September 2026 auf die nächste große Probe gestellt werden. Da kommt es zu Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern. Bei Umfragewerten von jeweils etwa 40 Prozent für die AfD wäre in beiden Bundesländern nach heutigem Stand kaum eine Regierungskoalition ohne Beteiligung der AfD möglich.

Um einen AfD-Ministerpräsidenten zu verhindern, bräuchte es wohl in beiden Ländern Koalitionen aus vier Parteien. Jeweils mit Beteiligung von CDU und Linkspartei. Der bisherige CDU-Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff, war bisher einer der lautesten Gegner von Zusammenarbeit mit der AfD. Doch 2026 tritt er nicht erneut an und macht damit den Weg frei für eine mögliche blau-schwarze Koalition.

Ein Blick in die Geschichte

Einiges deutet also auf eine Koalition aus CDU und AfD auf Landesebene ab 2026 und möglicherweise auch auf Bundesebene ab 2029 hin. An vielen Stellen in der AfD gibt es überzeugte Faschist:innen. Viele Forderungen der Partei werden heute schon im System problemlos umgesetzt, ähnlich wie es in Italien unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni der Fall ist. Ein krasser Staatsumbau wie in den USA könnte dennoch auch auf Deutschland zukommen.

Schon heute zeigt die aktuelle Regierungskoalition, dass harte Einschnitte für die Arbeiter:innenklasse, eine rassistische Migrationspolitik oder auch die Unterstützung eines laufenden Genozids möglich sind. Heute gibt es keinen Widerstand der Arbeiter:innenklasse in der Größenordnung der 1930er Jahre, als die NSDAP an die Macht kam und den Staat rigoros umbaute. Das waren natürlich andere Zeiten.

Doch auch unter einer Koalition aus CDU/CSU und AfD würde der Klassenkampf von oben deutlich verschärft werden. Allerdings handelt es sich hierbei nur eine Fortsetzung und Steigerung von Maßnahmen, die bereits unter vergangenen Regierungen eingeführt wurden – meist nur mit geringer Gegenwehr oder sogar in Kooperation von Gewerkschaften und Sozialdemokratie.

Wie uns die Sozialpartnerschaft aus IG Metall, SPD und Waffenlobby in den Krieg führt

Die aktuellen Politikvorhaben von CDU/CSU und AfD haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Sie eint die Herrschaft im Interesse des Kapitals und einer zügigen Verschärfung des Staatsapparats. Unabhängig davon, ob die CDU/CSU und/oder die AfD wirklich den Faschismus in Deutschland durchsetzt, sind wir heute schon längst auf dem Weg dorthin. Der antifaschistische Kampf muss also schon jetzt mit voller Kraft geführt werden und nicht erst dann, wenn es zu spät ist.

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