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Faschistischer Angriff auf Schule im Erzgebirge: „Die neue rechte Jugendbewegung zeigt sich im Schulalltag“

In der Nacht zum 19. Oktober kam es im erzgebirgischen Altenberg zu einem faschistischen Angriff auf das „Glückauf“-Gymnasium. Mittlerweile sind die rechten Sticker entfernt und die Einschusslöcher behelfsmäßig mit Warnfolie überklebt. Dennoch zeigt sich: Die faschistische Bewegung ist gewaltbereit, und ihre Hemmschwelle sinkt immer weiter. Perspektive hat sich mit linken Aktivist:innen vor Ort getroffen, um über die Tat und ihre Folgen zu sprechen.

Am Anfang noch einmal kurz zu euch: Wer seid ihr und welchen Bezug habt ihr zu dieser Tat?

Hi, wir sind Finja* und Erik*, und wir gehen in die 10. bzw. 11. Klasse der betroffenen Schule. Außerdem sind wir in der Linksjugend Altenberg – einer antifaschistischen Jugendorganisation – aktiv und veranstalten dort Demos sowie antifaschistische Bildungs- und Erinnerungsarbeit.

Die Bilder von eurer Schule haben die Runde gemacht: Sticker mit faschistischem Inhalt auf den Glastüren, dazu Einschusslöcher. Was genau ist passiert?

Nach unserem aktuellen Stand wurden in dieser Nacht mehrere Glasscheiben in der Stadt Ziel der rechten Gewaltszene. Unsere Schultür wurde mit gut einem Dutzend Metallkugeln beschossen. Außerdem wurden zahlreiche faschistische Sticker an die Tür geklebt – von Schwarzer Sonne mit Reichsfahnen-Hintergrund über „AfD-Sticker“ bis hin zu „FCK Antifa“ waren alle Motive der faschistischen Bewegung vertreten. Auch am Bahnhof und an einem abgestellten Regionalzug machten sich die Täter zu schaffen und zerstörten Glasscheiben.

Das Erzgebirge ist überregional für seine Neonazi-Strukturen bekannt. Hatte das schon vor dem Anschlag am Wochenende Auswirkungen auf den Schulalltag?

Ganz klar: ja. An unserer Schule sind Kinder von Neonazi-Kadern, die beispielsweise in Dresden jahrelang die Demonstrationen zum 13. Februar mitorganisiert haben. Aber auch die neue rechte Jugendbewegung zeigt sich im Schulalltag – durch rechte Markenklamotten und Beleidigungen gegen LGBTI+-Personen und Migrant:innen. Ebenso finden sich hin und wieder Hakenkreuze oder „Combat 18“ („Kampfgruppe Adolf Hitler“)-Schmierereien an Tischen und Stühlen. Allerdings sind viele aktuell „nur“ rechts, weil sie rechte Inhalte auf TikTok und Co. konsumieren. Ein gefestigtes Weltbild gibt es nur bei relativ wenigen.

Was macht ihr als organisierte antifaschistische Schüler:innen dagegen?

In erster Linie organisieren wir uns, um uns gegenseitig zu bestärken und abzusichern. So finden wir in Diskussionen den Mut, rechten Positionen zu widersprechen und eine fortschrittliche Perspektive einzubringen. Außerdem versuchen wir, Druck auf die Schulleitung auszuüben, damit sie klare Kante zeigt und konkrete Maßnahmen ergreift – und nicht nur Haltung für gute Öffentlichkeitsarbeit nutzt, wie es der aktuelle Schulleiter gerne tut.

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Was für Forderungen habt ihr – und an wen richten sie sich?

In erster Linie fordern wir eine Aufklärung und gerechte Bestrafung der Täter:innen. Auch wenn wir da wenig Hoffnung haben, weil Polizei und Gerichte bei rechten Tätern viel zu oft zu nachlässig sind. Von unserer Schule fordern wir außerdem endlich eine Anerkennung des Problems mit der rechten Jugendbewegung und ein entschlossenes Vorgehen gegen faschistische Tendenzen. Teilweise gibt es von engagierten Lehrer:innen bereits gute Ansätze, die von der Schulleitung und dem Kultusministerium besser – auch finanziell – unterstützt werden müssen.

Wie kann man euch und euer Anliegen unterstützen?

Ich denke, uns und allen antifaschistischen Aktivist:innen abseits der großen Städte hilft es sehr, wenn man uns mit Solidaritätsaktionen unterstützt. Das kann vom Teilen der Nachricht und dem Sichtbarmachen des Themas bis hin zur Unterstützung bei Demos oder Bildungsveranstaltungen reichen.

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Wenn man sich unsicher ist, kann man auch individuell anfragen und Unterstützung anbieten – allein das bedeutet oft schon mehr, als man vielleicht glaubt. Aber auch vor Ort aktiv zu sein, halten wir für wichtig, denn wir müssen die faschistische Bewegung überall zurückdrängen – egal ob in Altenberg, Pirna, Dresden oder Gießen.

*Für das Interview wurden die Namen der Interviewten abgeändert. Die echten Namen sind der Redaktion bekannt.

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