Ende September haben Netanyahu und Trump den „20 Punkte-Plan“ beschlossen. Dieser bestimmt Eckpunkte eines möglichen Endes der Kampfhandlungen. Die Hamas stimmte einer Geiselübergabe zu, in anderen Aspekten herrscht Uneinigkeit.
Für „permanenten Frieden“ im Gazastreifen soll der neue 20-Punkte-Plan sorgen. Inhaltlich geht es vor allem darum, Gaza zu einer „deradikalisierten, terrorfreien“ Zone zu machen, die keine Gefahr für die Nachbarn darstellt. Im Vorschlag machen die USA ebenfalls ihr Interesse an der wirtschaftlichen Kontrolle über das Gebiet sehr deutlich.
So soll jeglicher Wiederaufbau Gazas vor allem Investor:innen anziehen, beispielsweise durch die Errichtung einer Sonderwirtschaftszone mit gewissen Zollvorteilen. Denn laut Plan soll der Krieg direkt nach seiner Annahme durch die Hamas und die Umsetzung aller gestellten Forderungen zu einem Ende kommen. Damit einhergehend würden sich israelische Streitkräfte bis zu einem bestimmten Punkt zurückziehen, damit ein Austausch aller Geiseln erfolgen kann.
Zudem sollen dem Plan nach Hilfsgüter in Gaza verteilt werden. Weiterhin sieht er die Errichtung eines palästinensischen Komitees vor, das unter Überwachung einer Übergangsbehörde die Finanzierung für den Wiederaufbau Gazas verwalten soll. Militärisch geht es in dem Plan darum, alle palästinensischen „Kampfgruppen“ zu entwaffnen und „terroristische und offensive“ Infrastruktur zu zerstören. In Bezug auf die israelische Armee sind keine derartigen Ideen vorgesehen.
Letztlich schlägt der Plan noch vor, eine internationale Stabilisierungstruppe zu errichten, die langfristige Lösungen für die innere Sicherheit liefern und durchsetzen soll. Das soll in enger Zusammenarbeit mit Israel und Ägypten geschehen. Die von Israel besetzten Gebiete sollen stückweise unter die Kontrolle dieser Truppe gebracht werden.
Über Bomben und Beschwichtigung
Am Freitag stimmte die Hamas in Teilen diesem 20-Punkte-Plan zu. In erster Linie sind sie dazu bereit, die noch im Gaza-Streifen verbliebenen Geiseln freizulassen. Die Voraussetzung hierfür ist die im Plan vorgesehene Freilassung von insgesamt 1.950 palästinensischen Gefangenen durch Israel und, dass „angemessene Bedingungen für den Austausch vor Ort gewährleistet sind“ – wobei diese Bedingungen nicht weiter definiert sind.
Dabei war von Beginn an fraglich, ob die Hamas die Möglichkeit gehabt hätte, die Übergabe in den durch den Plan vorgegebenen 72 Stunden durchzuführen. So hatte die Organisation in der Vergangenheit mehrfach klargemacht, dass sie bei einigen toten Geiseln, die noch im Gaza-Streifen vermutet werden, nicht genau wissen, wo sich die Leichen befinden.
Relativ zeitnah reagierte dann der US-Präsident auf den Schritt der Hamas und forderte schließlich am Freitagabend Israel dazu auf, die anhaltende Bombardierung des Gaza-Streifens einzustellen, um eine sichere Geisel-Übergabe gewährleisten zu können. Trotzdem kommen seitdem weiterhin täglich dutzende Palästinenser:innen durch militärische Angriffe ums Leben, während Israel angibt, nur noch „defensive Operationen“ durchzuführen. Auch wurden am Samstag die Menschen in Gaza von Seiten des israelischen Militärs dazu aufgefordert, vom Norden in den Süden zu fliehen und nicht nach Gaza-Stadt zurückzukehren.
Des weiteren hat sich die Hamas zu den Plänen über die zukünftige Verwaltung des Gaza-Streifens geäußert. So stimmt sie grundsätzlich dem Vorhaben zu, dass der Gaza-Streifen übergangsweise durch palästinensische Technokraten – also „neutrale“ Politiker:innen – regiert wird, die wiederum durch ein internationales Gremium beaufsichtigt werden sollen. Dieses würde seinerseits unter der Kontrolle Trumps und des britischen Ex-Premierministers Tony Blair stehen, in dessen Regierungszeit auch britische Truppen im Jahr 2003 in den Irak einfielen.
Einer Waffenniederlegung, wie sie im Plan vorgesehen ist, hat die Hamas hingegen nicht zugestimmt und auch zu weiteren Punkten des Plans äußerte sie sich vorerst nicht. Ob der 20-Punkte-Plan umgesetzt werden kann, bleibt deshalb weiterhin fraglich. Israels Finanzminister Bezalel Smotrich hatte den Plan sofort scharf verurteilt und bezeichnete ihn als ein „dröhnendes diplomatisches Versagen, ein Augenverschließen und eine Abkehr von all den Lehren des 7. Oktober“.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte im Vorfeld klar gemacht, dass – sollte die Hamas den Plan ablehnen – Israel die Offensive fortsetzen und die Angelegenheit selbst „zu Ende“ bringen werde. Und US-Präsident Trump äußerte gegenüber dem Fernsehsender CNN, dass die Hamas einer „vollständigen Vernichtung“ entgegensähe, falls sie sich weigere, die Kontrolle über den Gazastreifen abzugeben.
Massenhaft Aktivist:innen inhaftiert
Während der 20-Punkte-Plan verspricht, internationale Hilfsgüter im Gaza-Streifen zu verteilen oder dies zu gewähren, befinden sich rund 437 Aktivist:innen, Parlamentarier:innen oder Anwält:innen für solch einen humanitären Einsatz zum Teil seit Tagen in einem Hochsicherheitsgefängnis in der Negev-Wüste, wo sie menschenunwürdig behandelt, bedroht und gedemütigt werden. So sei z.B. die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg an den Haaren gezogen und dazu gezwungen worden, die Fahne Israels zu küssen. Die Menschen waren Teil der internationalen Global Sumud Flotilla und hatten vor, Hilfsgüter per Schiff nach Gaza zu bringen, um die fast zwei Monate andauernde Blockade zu durchbrechen.
Ob also nach Fristablauf am Sonntag Abend tatsächlich ein „Frieden“ zugunsten des Einflusses und der Interessen der USA geschlossen wird, bleibt abzuwarten. Dass dieser jedoch keine Lösung für das palästinensische Volk sein kann oder eine rosige Zukunft bedeuten würde, ist jetzt schon klar.

