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Gefangenenaustausch und Friedenskonferenz: Die Waffenruhe bleibt fragil

Der erste Schritt des Waffenstillstandsabkommens ist vollbracht: Hamas übergibt die 20 noch lebenden israelischen Geiseln und Israel lässt fast 2.000 palästinensische Gefangene frei. Während US-Präsident Trump sich feiern lässt, bleibt die Zukunft für Palästinenser:innen ungewiss.

Nachdem in der vergangenen Woche sowohl die Hamas als auch die israelische Regierung den ersten Teil von US-Präsident Donald Trumps 20-Punkte-Plan annahmen, folgte der erste konkrete Schritt:

Zunächst sieben, dann dreizehn – in zwei Gruppen übergab die Hamas am Montagmorgen alle noch am Leben geglaubten israelischen Geiseln an die IDF. Schon im Vorhinein hatte die palästinensische Seite mitgeteilt, dass man es nicht schaffen werde, innerhalb des abgemachten 72-Stunden-Zeitraums auch die Überreste der gestorbenen 28 Geiseln zu bergen. Diese Einschätzung teilt das Rote Kreuz.

Der gesamte Gaza Streifen wurde durch israelische Bomben in Schutt und Asche gelegt. Den vielen Luftschlägen fielen nicht nur zehntausende Palästinenser:innen zum Opfer, sondern auch viele Geiseln. Dass die Hamas heute nur 4 Särge übergibt, nennt der israelische Kriegsminister Katz dennoch einen groben Verstoß und kündigt an entsprechend zu antworten.

Auf der Gegenseite ließ die israelische Regierung fast 2.000 palästinensische Gefangene frei. 1.700 von ihnen waren im Verlauf des Gaza-Kriegs aus dem Gazastreifen verschleppt und ohne Recht auf einen Gerichtsprozess festgehalten worden. Laut Zählungen der israelischen Menschenrechtsorganisation HaMoked sitzen weitere 1.300 Palästinenser:innen aus dem Gazastreifen noch immer in israelischen Gefängnissen.

Weitere 250 Freigelassene waren wegen Angriffen auf israelische Soldat:innen oder der Zugehörigkeit zu verbotenen Gruppen verurteilt worden und teils schon deutlich vor Beginn des Gaza-Kriegs in Haft. 159 von ihnen werden der Fatah zugeordnet und 63 der Hamas. Alle weiteren seien unabhängig, oder gehören anderen Gruppen an.

Waffenruhe: Gaza atmet auf – doch der Frieden bleibt fragil

Abschiebung palästinensischer Gefangener und unmenschliche Haftbedingungen

154 der Gefangenen wurde es nicht erlaubt in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückzukehren, stattdessen schob die israelische Regierung sie nach Ägypten ab. Von dort aus sollen sie in andere Staaten abgeschoben werden. Die Abschiebungen werden von Beobachtern als illegal bewertet, Professor Tamer Qarmout erklärt gegenüber Al Jazeera:

„Es ist illegal, weil sie Staatsbürger Palästinas sind. Sie haben keine andere Staatsbürgerschaft. Sie kommen aus einem kleinen Gefängnis, werden aber in ein größeres Gefängnis geschickt, weg von ihrer Gesellschaft, in neue Länder, wo sie mit massiven Einschränkungen konfrontiert werden. Es ist unmenschlich.“

Zudem berichten Gefangene von unmenschlichen Haftbedingungen und Folter in israelischen Gefängnissen. Dort waren sie nach eigenen Angaben Isolationshaft, Schlägen, unzureichendem Essen und Krankheit ausgesetzt. Kamal Abu Shanab, der nach 18 Jahren Haft freikam, beschreibt die Haftbedingungen als „unbeschreibliche Reise des Leidens – Hunger, unfaire Behandlung, Unterdrückung, Folter und Flüche – mehr als man sich vorstellen kann“. Er erklärte zudem, dass er im Gefängnis 59 Kilogramm an Körpergewicht verlor.

Waffenruhe weiter fragil – IDF tötet sieben Gaza-Bewohner:innen

Derweil bleibt die Situation weiter sehr angespannt und die Waffenruhe keine sichere Sache: Am Dienstag tötete die IDF mindestens sieben Palästinenser:innen im Gazastreifen. Sechs von ihnen in Gaza-Stadt und eine Person in Khan Younis.

Mindestens fünf Gaza-Bewohner:innen wurde in Shujaiya – einem östlichen Stadtteil von Gaza-Stadt – durch einen Luftangriff getötet. Laut israelischen Angaben sollen sie die vereinbarte Rückzugslinie der israelischen Armee überschritten haben. Zu dem Drohnenangriff nahe Khan Younis, bei dem eine weitere Person getötet wurde, äußerte sich Israel bisher nicht. Laut Al Jazeera sind immer wieder Schüsse zu hören, da israelische Truppen bei allen Bewegungen in der Nähe ihrer Positionen das Feuer eröffnen.

Sowohl die Hamas, als auch UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese verurteilen die Tötungen und erklären sie zu einem Bruch des Waffenstillstandsabkommens.

Gaza: Hamas lehnt vollständige Entwaffnung ab – Gefangenenaustausch steht bevor

Trump hält Rede vor Knesset

Am Montag des Gefangenenaustauschs erschien US-Präsident Trump vor dem israelischen Knesset und ließ sich dort feiern. Auch machte er klar, dass er das Waffenstillstandsabkommen nur als Startschuss zu weitreichender Veränderung versteht: „Dies ist nicht nur das Ende eines Krieges, dies ist das Ende eines Zeitalters des Terrors und des Todes und der Beginn des Zeitalters des Glaubens und der Hoffnung und Gottes“.

Nicht nur nutzte Trump die Gelegenheit um weiter an seiner Darstellung als Friedensstifter zu feilen, er betonte auch weiter seine unabdingbare Unterstützung für Israels Premier Benjamin Netanjahu. In seiner Rede forderte er unter anderem, dass der israelische Präsident Isaac Herzog Netanjahu begnadigen solle – gegen den Premierminister wird seit Jahren wegen Korruption und Bestechung ermittelt.

Nächster Stopp „Friedenskonferenz“

Weiter ging es politisch in Ägypten im Badeort Scharm el-Sheikh, wo Trump zur Friedenskonferenz und feierlichen Unterzeichnung des Nahostfriedensplan eingeladen hatte. Mehr als 20 Staats- und Regierungschefs, darunter auch Friedrich Merz, waren zu Gast. Auch FIFA-Chef Gianni Infantino nutzte die Gelegenheit um seine Beziehung zum US-Präsidenten zu pflegen.

Der Gipfel diente vor allem als Symbol und um Verbündete bei der US-Strategie in Westasien zu festigen. Konkret beschlossen wurde dort wenig – Sowohl Israel als auch die Hamas blieben der Konferenz fern.

Die USA veröffentlichten jedoch ein gemeinsames Statement für Frieden in Westasien mit Ägypten, Katar und der Türkei. Auch daraus lässt sich aber nicht direkt eine gemeinsame Linie erkennen, so wird von wenigen konkreten Maßnahmen geschrieben. Insbesondere in der Frage eines palästinensischen Staates scheint man sich noch uneinig: Während der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi darauf als Grundbedingung für Frieden pocht, gibt Trump sich entschieden unentschlossen. Damit spielt er den israelischen Verbündeten in die Karten, die einen palästinensischen Staat strikt ablehnen.

Wie es in Gaza nun weiter gehen wird, ist noch unklar, auch wenn Trump bereits plakativ verkündet hat: „Der Krieg ist vorbei“. Die zweite und dritte Phase der Friedensgespräche zwischen den Konfliktparteien sind noch ausstehend und einige der Forderung, wie die völlige Entwaffnung der Palästinenser:innen, werden wohl kaum vereinbaren sein.

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