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Gen Z-Protestwelle erreicht Marokko

Die Jugendproteste erreichen nach Nepal und Peru auch Marokko. Vor allem Jugendliche protestieren gegen ein marodes Bildungs- und Gesundheitssystem und das fehlende Handeln der Regierung. Die Polizei reagiert mit massiver Gewalt und tötete bereits drei Menschen.

Seit einer Woche demonstrieren vor allem junge Menschen in Marokko gegen Ungleichheit im Gesundheits- und Bildungssystem und gegen profitorientierte Investitionspolitik. Aufgerufen hatte dazu eine Gruppe auf dem Online-Chat-Portal Discord, die sich selbst Gen Z 212 nennt. 212 ist die Ländervorwahl Marokkos und Gen Z beschreibt die Generation derer die zwischen den späten 1990er und frühen 2010er-Jahren geboren sind.

Die Proteste selbst wuchsen organisch aus den Aufrufen der Discord-Gruppe. Am 27. September brachen zunächst kleinere Proteste aus, die dann binnen Tagen zu einer enormen Protestwelle anwuchs. Demonstrationen ergriffen dabei zunächst die Arbeiter:innenviertel Rabats und weiteten sich von dort aus auf andere Großstädte und schließlich auch auf Kleinstädte in weiten Teilen des Landes aus.

Proteste gegen marodes Bildungs- und Gesundheitssystem

Hauptthemenfeld der Proteste ist Marokkos Bildungs- und Gesundheitssystem: Die Jugend Marokkos fordert von der Regierung diese Bereiche besser zu finanzieren und politische Prioritäten im Interesse des Volkes zu setzen. Ein Demonstrant erklärt: „Wir Jugendlichen fordern Schulen und Krankenhäuser. Was wir fordern, ist nicht unmöglich, sondern eine Notwendigkeit in Marokko. Wie können die Behörden das nicht verstehen? Wo bleibt die Regierung in dieser ganzen Angelegenheit? Wo ist Premierminister Akhannouch, der nur redet?“

Die Forderungen kommen nicht von ungefähr: Etwa ein Drittel der Bevölkerung Marokkos ist zwischen 15 und 34 Jahren alt. Von ihnen sind etwa 37 Prozent arbeitslos, in Großstädten sind es sogar fast die Hälfte.

Die marokkanische Regierung wiederum zeigt, dass das nötige Geld durchaus da zu sein scheint, will es aber nicht im Interesse der eigenen Bevölkerung ausgeben. Stattdessen gibt diese riesige Summen aus, um sich mit dem Afrika-Cup 2026 und der Fußball-Weltmeisterschaft 2030 international zu profilieren.

Die Proteste richten sich derzeit vor allem gegen die sozialen Gegebenheiten und die derzeitige marokkanische Regierung. An dem System und der Monarchie, bei der die tatsächliche Macht liegt, wird bisher entschieden wenig kritisiert. So betont Gen Z 212: „Die Kritik an der Situation sollte nicht mit einer Ablehnung der Nation verwechselt werden.“

Die Jugend rebelliert

Damit fegen auch durch Marokko Massenproteste, die hauptsächlich von der Jugend getragen werden. Auch in Nepal, Madagaskar und Peru hatte es in vergangenen Monaten sogenannte Gen Z-Proteste gegeben.

One Piece – die Fahne der Jugend

Zwar gibt es in jedem dieser Länder andere spezifische Gründe, die Häufung und Ähnlichkeiten im Charakter der Proteste zeugen aber davon, dass es in Zeiten von Krieg und Krise überall auf der Welt Potential für Massenproteste gibt. Ebenso zeigen sie erneut wie gerade die Jugend ein Funke sein kann um solche auszulösen und wie schnell der Funke von einem Land in das andere überspringen kann.

Regierung antwortet mit Gewalt

Und wie auch in Nepal und Indonesien reagiert die Regierung mit Gewalt. Bilder zeigen brennende Autos und Wasserwerfereinsätze. Über 400 Menschen sind nach Angaben der Regierung bereits festgenommen worden, es gibt hunderte Verletzte.

Inzwischen ist es sogar zu Tötungen gekommen: In Lqliaâ im Süden Marokkos eröffnete die Polizei das Feuer auf die Demonstrierenden und tötete mindestens drei Personen. Laut Angaben der Regierung handelte die Polizei aus Notwehr.

Insgesamt stellt sie sich wie zu erwarten hinter die Polizist:innen: Ein Sprecher der Regierung erklärte, die Polizei handele nach gesetzlichen Vorschriften und beruflichen Standards. Auch spricht die Regierung von Gewalt, die von den Protestierenden ausgehe und hunderten verletzten Sicherheitskräften.

Eine Darstellung, die von den protestierenden Jugendlichen angefochten wird: „Wir sind auf die Straße gegangen, um unsere legitimen Rechte einzufordern, aber wir wurden zurückgewiesen und unterdrückt“, berichtet eine Protestierende aus Rabat. „Man gibt uns nicht mehr das Recht, auf den Straßen zu demonstrieren. Wir wissen nicht, warum wir unterdrückt wurden, obwohl wir friedlich waren.“

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