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Hamburg: Rückkehr der Berufsverbote

Der Hamburger Senat möchte Berufsverbote einführen. Diese würden sich gegen Islamist:innen und Rechtsextreme richten, argumentiert Innensenator Andy Grote (SPD). Tatsächlich richtet sich die geplante Regelabfrage vor allem gegen Links. – Ein Kommentar von Benjamin Schwartz.

Der Hamburger Senat hat beschlossen, dass sich Bewerber:innen für Stellen im öffentlichen Dienst künftig einer Verfassungsschutzprüfung unterziehen müssen. Durch die Regelabfrage will man verhindern, dass Menschen aus extremistischen Organisationen in einer Behörde arbeiten können, so Innensenator Andy Grote (SPD).

Der vom rot-grünen Hamburger Senat beschlossene Gesetzesentwurf soll, sofern er von der Hamburger Bürgerschaft angenommen wird, bereits ab Januar 2026 Bewerber:innen von Stellen im öffentlichen Dienst ausschließen, sofern der Verfassungsschutz sie als verfassungsfeindlich einschätzt.

Das knüpft an die 1972 unter Willy Brandt beschlossenen Berufsverbote an. Diese richteten sich mit einem Anteil von rund 90 % fast ausschließlich gegen Linke. Bei der Neuauflage der Berufsverbote wird sich das nicht wesentlich ändern, wenngleich wie bei so vielen Repressalien zur Zeit gegen Links die AfD als Ziel angegeben wird.

Wenn dem tatsächlich so wäre, warum werden dann nicht die bereits bestehenden Gesetze wie Volksverhetzung und Holocaustleugnung gegen all die zutreffenden AfD-Unterstützer:innen angewandt, um sie aus dem öffentlichen Dienst zu entfernen? Warum könnte der Faschist Björn Höcke ohne Probleme wieder als Lehrer arbeiten?

Gegen bürgerliche Rechtsgrundsätze

In Bayern werden Berufsverbote heute bereits regelmäßig angewandt, etwa gegen die Klimaaktivistin Lisa Poettinger oder Benjamin Ruß. Gleichzeitig dürfen Polizist:innen wie Michael R., die offen faschistische Einstellungen teilen, im Amt bleiben – Ein ganz konkretes Beispiel für den Standard, den der deutsche Staat bei seinen Beamt:innen und Angestellten anlegt.

Skandalurteil in München: Faschistischer Polizist bleibt im Dienst

In Brandenburg und Rheinland-Pfalz wurden in den letzten Monaten ähnliche Regelungen auf den Weg gebracht, wie sie nun in Hamburg drohen. Es ist daher davon auszugehen, dass weitere Bundesländer folgen werden.

Das Vorgehen des Verfassungsschutzes ist extrem intransparent – was ist denn nun genau verfassungsfeindlich? In den Fällen in Bayern wurde etwa Kapitalismuskritik entsprechend gewertet. Die Klimabewegung, die Palästina-Soli-Bewegung, linke Gewerkschafter:innen und die Friedensbewegung werden sicherlich massiv betroffen sein. In den vergangenen Hamburger Verfassungsschutzberichten wurden selbst reformistische Gruppen wie die Seebrücke und Hamburg Enteignet – das Pendant zum Berliner Deutsche Wohnen und Co. Enteignen – genannt.

Bestraft werden soll nicht nur, wer etwas Verbotenes getan oder geäußert hat. Wer auf den falschen Demonstrationen war, bei den Veranstaltungen falscher Organisationen war oder die falschen Instagram-Posts geteilt hat, kann bestraft werden. Der Hamburger Senat sprach ausdrücklich davon, Social-Media-Profile durchsuchen lassen zu wollen. Es geht also klar um eine Präventivbestrafung.

Repression, nicht Demokratieschutz

Von der Durchleuchtung in Hamburg sollen unter anderem Bewerber:innen für Feuerwehrstellen betroffen sein. Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass es nicht einmal darum geht, drohende Gefahr vom Staat abzuwenden. Denn wie sollten Feuerwehrmitarbeiter:innen durch ihren Beruf in besonderem Maße den Staat gefährden?

Ziel dieser Maßnahme ist die Einschüchterung und ökonomische Vernichtung Linker. Besonders für Berufe, die vornehmlich im öffentlichen Dienst anzufinden sind – wie zum Beispiel im Fall Lisa Poettinger, die in Bayern Lehrerin werden will – ist das eine enorme Bedrohung. Die historisch Betroffenen der Berufsverbote haben bis heute keine Entschädigung für die klare berufliche Benachteiligung erhalten.

Klimaaktivistin droht Berufsverbot in Bayern

Wer beim öffentlichen Dienst aufgrund der politischen Gesinnung nicht arbeiten darf, wird es aber auch in der Privatwirtschaft nicht leicht haben – insbesondere wenn man sich auf juristischem Weg gewehrt hat, es also öffentlich bekannt wird. Benjamin Ruß musste das erleben.

Das drohende Berufsverbot ist eine weitere Maßnahme zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und dem Ausbau der Massenüberwachung. Der Sozialabbau und die Kriegsvorbereitungen sollen auf möglichst geringen Widerstand treffen. Selbst moderater Reformismus wird bekämpft. Ginge es, wie behauptet, um Demokratieschutz, würden Organisationen und Menschen, die sich politisch für Fortschritt einsetzen, gefördert und ihre Arbeit nicht zunehmend erschwert werden.

Das neugegründete Hamburger Bündnis gegen Berufsverbote möchte den Gesetzesbeschluss verhindern. Die Fraktion Die Linke in der Hamburger Bürgerschaft möchte mittels einer öffentlichen Abstimmung den Druck auf die Abgeordneten von Grünen und SPD erhöhen. Letztlich muss sich noch zeigen, ob das Erfolg haben kann. Die Richtung, die der Hamburger Senat hier einschlägt, ist aber klar und deutlich zu erkennen.

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