Zeitung für Solidarität und Widerstand

Hungerstreikende in Berlin fordern: „Freiheit für die Gefangenen der Global Sumud Flotilla!“

Am 4. Oktober haben mehrere Organisationen in Berlin einen Hungerstreik in Solidarität mit den Gefangenen der Global Sumud Flotilla begonnen. Wir haben mit Luna K., die am Hungerstreik teilnimmt, über die aktuelle Protestbewegung gesprochen. Und was es für sie heißt, Internationalistin zu sein.

Warum bist du in in einen Solidaritätshungerstreik getreten?

Ich bin zusammen mit anderen Aktivist:innen von Young Struggle, Zora, Palästina Spricht, Peoples Bridge, Pride Rebellion, Global Movement to Gaza Germany und Plattform Stimme der Gefangenen (TSP) in den Hungerstreik getreten, weil die Aktivist:innen der Global Sumud Flotilla vom israelischen Militär in internationalen Gewässern aufgehalten wurden. Viele der Gefangenen selbst sind in einen Hungerstreik getreten, um gegen die illegale Entführung durch Israel zu protestieren.

Wir fordern die Freilassung aller inhaftierten Aktivist:innen der Global Sumud Flotilla, einen Stopp der völkerrechtswidrigen Blockade des Gazastreifens, die Einstellung aller deutschen Waffenlieferungen nach Israel und einen sofortiger Stopp des Genozids.

Außerdem sind immer noch Schiffe unterwegs: Die Thousand Madleens to Gaza und das Conscience-Schiff versuchen unermüdlich, die Blockade zu brechen. An Bord der Conscience sind Journalist:innen und medizinisches Personal. Wir müssen von hier aus dafür sorgen, dass sie die Blockade durchbrechen können und ihre Sicherheit gewährleistet wird.

Updates von der Global Sumud Flotilla

Ich bin in Zora, einer antikapitalistischen internationalistischen Frauenorganisation organisiert. Seit unserer Gründung vor 10 Jahren sind wir auf der Straße und kämpfen für die Freiheit unserer Schwestern auf der ganzen Welt gegen Patriarchat und Kapitalismus.

Ich trete auch hier in Deutschland in einen Hungerstreik, um Druck auf die deutsche Regierung aufzubauen, die seit 2 Jahren den israelischen Genozid quasi bedingungslos unterstützt. Ich bin hier, weil 30 Prozent der Waffenlieferungen an Israel aus Deutschland kommen. Meine palästinensischen Schwestern haben seit der Besatzung Palästinas und unter der nachfolgenden israelischen Kolonialisierung Widerstand geleistet. Sie sind in israelischen Gefängnissen sexualisierter Gewalt ausgeliefert. Sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe ist Alltag in jedem Krieg – von Palästina und dem Sudan bis in die Demokratische Republik Kongo.

Palästinensische Frauen kämpfen seit Beginn der Besatzung für ein freies Palästina, sie stehen auf den Straßen, verteidigen ihr Land, ihre Häuser, halten die Gesellschaft am Laufen inmitten eines Genozids, leisten kämpferischen Widerstand.

Es ist meine Pflicht als Internationalistin, ihren Kampf von hier aus zu stärken.

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Ich denke auch, dass alles zusammenhängt: Wenn wir hier in Deutschland zeitgleich eine Einschränkung unserer Selbstbestimmung als Frauen sehen, wenn der Staat aufrüstet und jegliche soziale Infrastruktur zerstört wird, sind das keine unabhängigen Ereignisse. Der Kampf Palästinas ist auch mein Kampf.

Was ist passiert, seit die Aktivist:innen zwischen dem 2. und 3. Oktober festgenommen wurden?

Die Aktivist:innen wurden in internationalen Gewässern durch die IDF gekapert und die Schiffe wurden in den Hafen Ashdod gebracht. Von dort wurden sie in das Gefängnis Ktziot gebracht, das als eines der schlimmsten Foltergefängnisse Israels bekannt ist.

Die Informationslage ist natürlich schlecht. Wir wissen aber über ein palästinensisches Anwaltskollektiv und die Berichterstattung von Al Jazeera, dass einigen Aktivist:innen Rechtsbeistand verwehrt wurde. Nachdem sie „Free Palestine“ riefen, wurden sie gezwungen, stundenlang auf dem Boden zu knien. Der Sicherheitsminister Ben Gvir versuchte, sie zu demütigen und bezeichnete sie als Terroristen.

Viele berichteten, dass sie stundenlang kein Essen und kein Trinken bekamen, immer gewaltvoll geweckt werden, sobald sie einschlafen. Die Aktivist:innen, die gerade deportiert wurden, berichten, dass Greta Thunberg an den Haaren geschleift und geschlagen wurde, und dass sie gezwungen wurde, die israelische Flagge zu küssen.

Diese illegalen Methoden sind natürlich nur ein Bruchteil von dem, was palästinensische Gefangene seit Jahrzehnten in israelischen Gefängnissen erleben. Folter und Vergewaltigung stehen dort auf der Tagesordnung.

Auch in vergangenen Missionen der Freedom Flotilla Coalition berichteten Frauen wie z.B. das Mitglied des EU-Parlaments, Rima Hassan, von Belästigung und Demütigung. Sie wurden beispielsweise gezwungen, sich auszuziehen. Chris Smalls, ein US-amerikanischer Gewerkschafter, wurde brutal zusammengeschlagen. Auch das zeigt die rassistische Politik Israels.

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Auch wenn die Schiffe die Seeblockade noch nicht durchbrechen konnten, zeigen die Grüße und Botschaften vieler Menschen aus Gaza, dass die Aktion dennoch eine große Bedeutung hat. Die Proteste auf der ganzen Welt haben einiges erreichen können. Und während der Entführung konnten Fischer in Gaza das erste Mal seit langer Zeit an ihrer Küste fischen – auch das ist ein Erfolg.

Was erhofft ihr euch von eurem Protest?

Wir hoffen, dass die deutsche Regierung ihre Mittäterschaft beendet, die Gefangenen – sowohl die deutschen Staatsbürger, als auch alle anderen – aus israelischer Haft holt und ihrer Pflicht nachkommt, gegen den Genozid und die Besatzung Palästinas vorzugehen. Wir wissen aber, dass der deutsche Imperialismus nicht zufällig handelt und es dafür weitaus mehr brauchen wird.

Deswegen richten wir uns auch vor allem an alle demokratischen und fortschrittlichen Menschen, gemeinsam gegen das zionistische Regime und die deutsche Mittäterschaft zu kämpfen und nicht aufzuhören, bis Palästina frei ist. Wir wollen Aufmerksamkeit erzeugen und nicht zulassen, dass die Machenschaften Israels und Deutschlands im Dunkeln verborgen passieren.

Wir hoffen, dass junge Frauen sich uns anschließen, sich die Situation unserer Schwestern vor Augen führen und dem Imperialismus den Kampf ansagen.

Euer Hungerstreik ist ein Teil einer großen internationalen Protestbewegung, die durch die Mission der Flotilla losgetreten wurde. Was ist da passiert? Was löst das in dir aus?

Der Generalstreik und die Blockade der Hafenarbeiter:innen in Italien, die Massen, welche die Straßen von Frankreich bis Mexiko über die Türkei in Brand setzen, treiben mich an. Ich denke auch an die politischen Gefangenen in der globalen Palästina-Bewegung, wie T. Hoxa und Casey Goonan, die vor kurzem auch einen Hungerstreik in Haft bestritten haben.

Ich glaube, in diesen Zeiten ist es sehr leicht, Hoffnung zu verlieren. Vor allem in Deutschland, wo viele Menschen immer noch apathisch sind. Aber organisiert zu sein und zu sehen, was wir gemeinsam erreichen können, gibt mir Kraft. Trotz der massiven Polizeigewalt stehen wir hier in Berlin jede Woche kämpferisch auf der Straße, sprechen mit den Menschen, bieten dem Staat gemeinsam die Stirn.

Schon am Mittwoch, als das Abfangen der Global Sumud Flotilla begann, gab es in Berlin erste spontane Proteste am Hauptbahnhof. Darauf folgte am Donnerstag großer ziviler Ungehorsam, wo Tausende sich selbstbestimmt die Straßen nahmen. In Deutschland gab es Aktionen in 52 Städten.

Wenn ich hoffnungslos bin, denke ich an die Worte Rosa Luxemburgs, kurz vor ihrer Ermordung: „,Ordnung` herrscht in Berlin!‘ Ihr stumpfen Schergen! Eure ‚Ordnung` ist auf Sand gebaut. Die Revolution wird sich morgen schon ‚rasselnd wieder in die Höh‘ richten‘ und zu eurem Schrecken mit Posaunenklang verkünden: Ich war, ich bin, ich werde sein!»

Was ist eurer Aufruf an alle, die euch unterstützen wollen?

Die Situation in Gaza und die Aktivist:innen brauchen uns alle. Es reicht nicht, sich zu informieren, werdet aktiv und organisiert euch! Wir werden Aktionen organisieren in Berlin, bei denen alle herzlich eingeladen sind. Aber organisiert auch selbst Aktionen! Seid kreativ und kämpferisch!

Die Global Sumud Flotilla, sowie die Thousend Madleens to Gaza und das Conscience-Schiff zeigen uns – wir können auf niemanden mehr warten. Praktische Solidarität mit unseren Schwestern müssen wir selbst schaffen.

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