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Kindesentführung, Millionenerbin, BND und Mossad: Der Gerichtsprozess um Christina Block

Die Multimillionärin Christina Block soll die Entführung zweier ihrer Kinder veranlasst haben. Dabei spielten mutmaßlich der ehemalige BND-Chef und ein ehemaliger Mossad-Geheimagent eine tragende Rolle. Gelten für Superreiche eigene Regeln? – Ein Kommentar von Lukas Mainzer.

Ein deutscher Promi-Prozess füllt aktuell die Boulevardmedien des Landes wie kein anderer: Der Prozess um die Entführung der Kinder von Block House-Erbin Christina Block. Doch es geht um mehr als das mutmaßliche Vergehen einer Superreichen. Nach aktuellem Ermittlungsstand soll Block ihre Kontakte zu einem ehemaligen BND-Chef und zum israelischen Geheimdienst Mossad genutzt haben.

Restaurantketten-Erbin und Multimillionärin

Christina Block ist die Tochter von Unternehmer Eugen Block. Dieser gründete in den 1960er Jahren in Hamburg die Steakhaus-Kette Block House sowie später die Burger-Restaurants Jim Block und machte damit ein Millionenvermögen. Ab 2011 war Christina Block Gesellschafterin im Unternehmen ihres Vaters. Sie beteiligte sich 2019 am Wahlkampf der CDU Hamburg und ist Teil des Wirtschaftsrats, einer CDU-nahen Lobbygruppe.

Block lebt seit 2014 getrennt von ihrem Ex-Mann und Banker Stephan Hensel, mit dem sie vier gemeinsame Kinder hat. Seit 2021 tobt ein rechtlicher Sorgerechtsstreit um die beiden jüngsten Kinder. Weil ihr Ex-Mann mittlerweile in Dänemark wohnt, waren deutsche und dänische Behörden in diverse Gerichtsverfahren involviert.

Die beiden mutmaßlich entführten Kinder lebten ab 2021 dauerhaft beim Vater in Dänemark und betonten immer wieder gegenüber Behörden, beim Vater bleiben zu wollen. Christina Block hat dennoch mehrmals erfolglos versucht, diese über den Rechtsweg zu sich nach Deutschland zu holen.

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Entführung in der Silvesternacht

In der Silvesternacht 2023 soll sie dann laut Anklageschrift veranlasst haben, beide Kinder gewaltsam zu sich zu holen. Die damals 10- und 13-jährigen Kinder sollen von mehreren maskierten Personen angegriffen und anschließend entführt worden sein. Vorher hätten die Entführer den Vater zusammengeschlagen.

In einem Auto hätten sie die gefesselten Kinder dann in Richtung Süden über die deutsche Grenze und schließlich zu Christina Block gebracht. Bis zum 2. Januar 2024 sollen beide Kinder dabei in einem Wohnmobil festgehalten worden sein, so die Anklage. Fünf Tage später ordnete ein Gericht die Rückführung der Kinder zum Vater nach Dänemark an.

Israelische Firma mit Entführung beauftragt?

Anschließend beginnt der Versuch einer Aufarbeitung der mutmaßlichen Entführung in der Silvesternacht 2023. Die Anklage wirft Christina Block die Beauftragung der Tat vor. Gemeinsam mit ihrem aktuellen Partner, dem ARD-Sportschau-Moderatoren Gerhard Delling, könnte sie sich damit gegebenenfalls unter anderem schwerer Entziehung von Minderjährigen (Kindesentziehung), Freiheitsberaubung und Körperverletzung schuldig gemacht haben. Beide weisen die Anschuldigungen jeweils klar von sich.

Zusammen mit ihnen angeklagt ist auch der 35-jährige portugiesisch-israelische Kampfsportler und Ex-Soldat Tal Sason. Er gab zu, Teil der sechs- bis achtköpfigen Gruppe gewesen zu sein, welche die Entführung durchgeführt hätten. Im Gegensatz zu Block oder Delling sitzt er nun seit fast einem Jahr in Untersuchungshaft. Der von Sason geschilderte mutmaßliche Anführer der Gruppe, David Barkay, wird derzeit mit einem Haftbefehl gesucht. Der 68-jährige wird zudem als ehemaliger Agent des israelischen Geheimdiensts Mossad gehandelt.

Kontakt zu Ex-Bundestagsvizepräsident und  ehemaligem BND-Chef

Prominente Unterstützer:innen Blocks kommen derweil sowohl aus den Reihen der Bundespolitik als auch von staatlichen Sicherheitsbehörden. Der damalige Bundestagsvizepräsident und Strafrechtsanwalt Wolfgang Kubicki (FDP) sendete Christina Block noch während der laufenden Entführung am 1. Januar 2024 die Textnachricht „wenn Recht zum Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. Bereits im Jahr 2021 sicherte Kubicki Block in Bezug auf ihre Kinder zu, er tue „sein Bestes“, um sie zu unterstützen. Gegenüber dem Spiegel erklärte er, er „befürworte oder relativiere keine Straftaten“.

Besondere Aufmerksamkeit erfahren die Vorwürfe gegen den ehemaligen BND-Präsidenten (Bundesnachrichtendienst) August Hanning. Hanning führt laut Informationen der Generalstaatsanwaltschaft (GenStA) gemeinsam mit einem pensionierten Beamten des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA) das Sicherheitsunternehmen System 360.

Laut Ermittlungskreisen der GenStA soll Hanning bereits 2022 einen ersten Auftrag von Block für eine geplante Kindesentführung für mehr als 100.000 Euro angenommen haben. Es hätten sich demnach Personen in Dänemark Zugang zum Haus der Kinder bzw. des Vaters Stephan Hensel verschafft. Medienberichten zufolge konnte Hensel damals umgehend die Polizei alarmieren und die mutmaßliche Entführung aufhalten.

Nach dem mutmaßlich gescheiterten ersten Entführungsversuch soll Hanning Block dann an eine israelische Firma weitervermittelt haben. Hanning wies die Vorwürfe über seinen Anwalt entschieden zurück. Demnach sei versucht worden, den Vater der Kinder durch falsche Pädophilie-Vorwürfe zu diskreditieren. Dafür wurden mutmaßlich entsprechende Datenträger mit kinderpornografischen Inhalten auf dem Grundstück des Vaters platziert. Ein israelisches Sicherheitsunternehmen habe diese Festplatte beschafft, so die GenStA.

Im Zuge der Ermittlung kam es im September dieses Jahres zu einer Razzia bei Hanning und 12 weiteren Orten. Ob und inwieweit auch Hanning und sein Geschäftspartner an der Aktion in der Silvesternacht beteiligt waren, sei noch „Gegenstand der laufenden Ermittlungen“, teilt die GenStA abschließend mit. Gegenüber Perspektive Online äußerte sich Hanning nicht zu den Vorwürfen.

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Block plädiert auf Unschuld

Christina Block sieht sich im laufenden Gerichtsprozess weiterhin als unschuldig. Gegenüber Perspektive Online äußerte sich auch Block nicht zu den Vorwürfen. Laut Erklärung ihres Anwalts habe nicht sie, sondern gegebenenfalls ihre inzwischen tote Mutter die Entführung mutmaßlich veranlasst. Die Mutter verstarb Monate vor der Tat. Doch Ermittler:innen konnten auch Indizien dafür finden, dass Christina Block schon von Beginn an in die Entführungspläne verwickelt gewesen sein könnte.

Im Jahr 2023 knüpfte Block außerdem nach eigenen Angaben geschäftliche und emotionale Kontakte zu einer israelischen Cyberfirma, welche die Cybersicherheit des im Besitz der Block-Gruppe befindlichen Grand Elysée Hotels betreute. Die dafür einschlägige Kontaktperson namens „Olga“ habe letztlich auch die mutmaßliche Entführung ohne ihr Wissen geplant und durchgeführt, so Block.

Gelten für Superreiche eigene Gesetze?

Der Fall zeigt, in welch „eigener Welt“ Superreiche zu leben scheinen. Christina Block wollte zwei ihrer Kinder unbedingt zu sich holen. Dabei ist höchst umstritten, ob die Kinder das auch selbst wollten oder nicht. Als sie vor Gerichten auf legalem Weg scheiterte, nutzte sie mutmaßlich ihr Netzwerk zu in- und ausländischen Geheimdiensten und der Bundespolitik. Sie selbst sieht sich weiterhin im Recht.

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Viele andere Beispiele von Straftaten Superreicher zeigen, dass sie häufig durch Einflussnahme, Tricks oder die lasche Verfolgung der Taten durch Ermittlungsbehörden um hohe Strafen herumkommen. Das zeigte sich auch etwa im Prozess gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn wegen des VW-Abgasskandals.

Ob das Gericht Christina Block und die zahlreichen Mitangeklagten zu den erwarteten Haftstrafen verurteilen wird, bleibt abzuwarten. Der Prozess ist mittlerweile bis Ende März 2026 terminiert. Dann wird ein Urteil erwartet.

Anm.d.Red.: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass Andreas Persihl ein „pensionierter LKA-Beamter“ sei und eine „Sicherheitsfirma mit August Hanning“ betreibe. Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Andreas Persihl ist ehemaliger Leiter der Zielfahndung beim Hamburger LKA und ist Geschäftsführer der Sicherheitsfirma Caperium GmbH. Aktuell ist er im Prozess wegen Beihilfe angeklagt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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