Das erste Polizeirevier der Frankfurter Polizei machte bereits im Jahr 2018 durch rechte Chatgruppen und Nachrichten, die mit „NSU 2.0“ unterzeichnet waren, Negativschlagzeilen. Am Freitag wurden in Frankfurt nun mehrere Wachen und Privaträume durchsucht, da 17 Beamte beschuldigt werden, extreme Polizeigewalt verübt zu haben – und dies bewusst vertuschten.
In den frühen Morgenstunden durchsuchten am Freitag etwa 150 Einsatzkräfte vier polizeiliche Dienststellen und 21 Privathaushalte. Der Grund dafür war, dass gegen 17 Beamt:innen der Frankfurter Polizei die Staatsanwaltschaft ermittelt. Sie stehen unter dem Verdacht, Körperverletzungen in 22 Fällen begangen zu haben, sowie der Strafvereitelung im Amt in elf Fällen. Außerdem soll 14 mal eine Verfolgung von Unschuldigen geschehen sein. Unter den beschuldigten Beamt:innen sind von Streifenpolizist:innen bis zu Führungskräften sämtliche Ebenen vertreten.
Konkret geht die Staatsanwaltschaft bei den Gewalttaten von Schlägen, Tritten und Stößen des Kopfs gegen Wand und Tür aus. Eines der Opfer der Polizeigewalt soll außerdem eine Treppe hinunter gestoßen worden sein. Die Taten sollen im Zeitraum von Februar bis Ende April 2025 geschehen sein und insgesamt sechs Männer betroffen haben. Die Anschuldigungen beziehen sich also entweder auf das Ausüben von Gewalt oder darauf, dass einige Beamte die Taten zwar mit angesehen haben, dies jedoch nicht zur Anzeige brachten.
Interne Ermittlung nach Anzeigen wegen Polizeigewalt
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft habe das erste Polizeipräsidium seine eigenen Beamt:innen selbst überführt. Genauere Details sind jedoch nicht bekannt. Fest steht nur, dass die Anzeigen der Opfer das Publikwerden der Gewaltexzesse ins Rollen brachten. Zu dem Beweismaterial gehören auch Videoaufnahmen, welche die Tatvorwürfe stützen.
Bemerkenswert ist außerdem, dass bereits seit Juli gegen die Beamt:innen ermittelt wird und sich die Aufklärung des Falls schon länger zieht – vor allem weil es viele Beschuldigte gibt und der Fall deshalb komplex ist.
Zwischenzeitlich wurden allerdings sechs Beamte suspendiert und die übrigen elf Polizist:innen in den Innendienst verlegt. Gegen alle 17 Beamten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, und die betroffenen Dienstgruppen sollen neu strukturiert werden.
Die Staatsanwaltschaft verlautbarte auch, dass es aktuell keine Erkenntnisse gäbe, welche die Taten mit einer rechtsextremen Gesinnung in Verbindung bringen würden. Diese Frage stellt sich, vor allem bezogen auf das erste Polizeirevier in Frankfurt, ganz besonders. In der Vergangenheit war die Wache nämlich bereits durch rechte Ideologie aufgefallen.
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Itiotentreff – Der Name ist Programm
Das Frankfurter Polizeirevier sorgte nämlich bereits vor einigen Jahren schon einmal für negative Schlagzeilen: Ende 2018 ging der sogenannte Itiotentreff durch die Nachrichten. Dabei handelte es sich um eine Chatgruppe mit rechtsextremen Inhalten, in der sich Polizist:innen Darstellungen von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und Holocaustverharmlosungen gegenseitig zuschickten. An die Öffentlichkeit gelangte der Itiotentreff deshalb, weil er im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum NSU 2.0 stand.
Der NSU 2.0 (Nationalsozialistischer Untergrund) versteht sich dem Namen nach als Nachfolger der faschistischen Terrorgruppe NSU, die zwischen den Jahren 2000 und 2007 neun Migranten ermordete. Der NSU 2.0 verschickte mehrere Drohbriefe an Personen des öffentlichen Lebens. Nachdem die Polizei die Ermittlungen einleitete, stellte sich heraus, dass von einem Computer des ersten Polizeireviers in Frankfurt aus persönliche Daten über eine von der NSU 2.0 adressierte Person abgerufen wurden.
Nachdem damals die Räume und Handys der Beamten der Wache untersucht wurden, wurde der Itiotentreff entdeckt. Das Oberlandesgericht nannte damals die Inhalte der rechten Chatgruppe „menschenverachtend“ und sprach davon, dass dies „erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue“ der Beamt:innen aufwerfe. Trotzdem wurden die Polizisten nicht strafrechtlich belangt. Schlussendlich beantragte einer der Beschuldigten selbst, aus dem Beamtenverhältnis entlassen zu werden.
Wache eins in Frankfurt ist kein Einzelfall
Die erste Wache in Frankfurt ist dabei kein einmaliges Negativbeispiel in der Geschichte der deutschen Polizei. Beispielsweise kam es bei der Polizeiwache Dessau-Roßlau, in der Oury Jalloh 2005 mutmaßlich ermordet wurde, bereits im Jahr 1997 zum Mord an Hans-Jürgen Rose. Und im Jahr 2002 starb Mario Bichtemann ebenfalls in derselben Wache.
Unrechtmäßige Gewalt von Polizist:innen kommt in Deutschland häufig vor. Forschungen an der Universität Bochum ergaben, dass jährlich mindestens 12.000 mutmaßlich rechtswidrige Übergriffe durch Polizeibeamte ausgeübt werden. Das sind fünf Mal so viele, wie angezeigt werden.
Auch die Anzahl der durch deutsche Polizisten erschossenen Menschen stieg in den letzten Jahren immer weiter an: So waren es im Jahr 2024 22 Polizeischüsse mit Todesfolge und in diesem Jahr bis Ende September 16 Menschen, die durch Dienstwaffen erschossen wurden. In diesen Zahlen sind allerdings nur Tote durch Schüsse mit mitgezählt, die eigentliche Zahl dürfte also noch höher sein. So listet etwa die Informationsstelle Death in Custody 21 Tote in Polizeigewahrsam auf.

